Globetrotter, ein unternehmerisches Abenteuer. Отсутствует
Weltenbummler fliegen heute in ferne Länder, meist solche der «Dritten Welt», um von dort aus mit dem Rucksack ausgedehnte Entdeckungsreisen auf eigene Faust zu beginnen. Überhaupt haben sich die Zeiten für Individual- und Abenteuerreisende verändert. Walo Kamm, 36, ehemaliger Journalist und seit fast zwei Jahrzehnten Weltenbummler aus Überzeugung, glaubt: «Heute ist es praktisch unmöglich geworden, sich während der Reise durch Jobs jeweils das Geld für die nächste Etappe zu verdienen. Aber die Vorstellung mancher Leute, für einen sechsmonatigen Trip brauche man 20000 Franken, ist auch unsinnig.»
Weniger sehen, dafür gründlich
Die Welt ist nach wie vor für wenig Geld zu haben – nur muss man wissen, wie. Kamm: «Auf eigene Faust eine Reise nach, beispielsweise, Asien zu machen, ist billiger und bringt mehr als eine Pauschalreise im Programm eines normalen Reisebüros.» Hotels mit Air-Condition und Farb-TV im Zimmer sind für den Rucksacktouristen zwar nicht drin, aber saubere, einfache Unterkünfte, Speis und Trank nach Art des Landes und öffentliche Verkehrsmittel, deren Benützung auch den Kontakt zur einheimischen Bevölkerung mit einschliessen, sehr wohl. «Das Traurige ist doch, dass die Masse der Normaltouristen in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Verschiedenes sehen möchte, anstatt sich auf einen kleineren Raum zu beschränken, den aber gründlich kennenzulernen», ereifert sich Kamm.
Am liebsten möchte er die Reisegewohnheiten der ganzen Nation verändern und auch «Konservative» davon überzeugen, dass jeder ein Individualtourist sein kann. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Kürzlich hat er für einen 80-Jährigen eine Asienreise zusammengestellt. Deshalb hat Walo Kamm den Globetrotter Club gegründet – in erster Linie ein Informationszentrum für alternatives Reisen, in zweiter Linie ein Dienstleistungsbetrieb in Sachen Fernweh. Wer noch selten auf eigene Faust ausserhalb Europas unterwegs war, kann sich in Kamms Büro am Rennweg 35 in Zürich beraten lassen. Er erhält neben Preisinformationen und Routenempfehlungen Adressen von guten Unterkünften sowie mancherlei Tipps aus der grossen Reiseerfahrung von Walo Kamm selber oder von andern Mitgliedern des Clubs. Und selbstverständlich Flugtickets und Globetrotter-Literatur.
Die Beratung ist auch für Nichtmitglieder unentgeltlich. Kamm ist nicht mal böse, wenn am Schluss doch kein Flug gebucht wird: «Wenn ich mit einem echten Reisefan einen interessanten Nachmittag verbracht habe, ist mir egal, ob ich etwas verkaufe oder nicht. Ich lasse auch über die Preise mit mir reden, wir sind ja kein Reisebüro und wollen um Himmels willen auch keines werden.» Wenn er einerseits Globetrottern oder solchen, die es werden wollen, auf seine Billigflüge noch Extrarabatt gibt, so verlangt Kamm andererseits von jenen, die es sich leisten können, mehr. Alles im Dienste des Alternativtourismus …
Eine Ausnahme vom Individualprinzip macht Globetrotter Kamm: Mit Gruppen bis zwölf Personen reist er alljährlich nach Ladakh (Westtibet). Dieses Gebiet ist touristisch noch unerschlossen, und öffentliche Verkehrsmittel, Unterkünfte und Möglichkeiten zum Einkauf von Nahrungsmitteln sind streckenweise überhaupt nicht vorhanden, sodass Individualreisende vor zu grossen Problemen stünden. Allerdings achtet Kamm auch auf dieser Reise darauf, dass die Teilnehmer «drauskommen» – andere nimmt er gar nicht erst mit.
Da bekanntlich einer, der eine Reise tut, auch etwas erzählen kann, sind die Clubabende, die periodisch stattfinden, immer rege besucht. Der gerade sesshafte Teil der rund 2000 Mitglieder trifft sich zum Gespräch, zum Erfahrungsaustausch und zu Diavorträgen verschiedener Clubangehöriger.
Auf eine eigentliche Gestaltung der Abende wird bewusst verzichtet; organisierte Diskussionen sind nach Ansicht Kamms ohnehin «verkrampft und fruchtlos». Auch Kontakte sollen sich spontan ergeben, was jedoch für neue und scheuere Mitglieder nicht immer einfach ist. Susie W., die seit einem halben Jahr dabei ist: «Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele gar nicht angesprochen werden wollen und lieber in den neuen Broschüren und Büchern blättern.» Der Globetrotter-Mentalität entsprechend erstaunt betonter Individualismus selbst an Clubabenden allerdings nicht.
Alle paar Wochen erhalten die Mitglieder «Club-News» mit Informationen über Neuerscheinungen auf dem Globetrotter-Literaturmarkt und Hinweisen auf Flugangebote. Auch Reiseberichte und Tipps von Mitgliedern werden veröffentlicht; zudem können in Gratisanzeigen Reisepartner gesucht werden.
Die Mitgliederbeiträge, 20 Franken im Jahr, decken höchstens einen kleinen Teil der Clubspesen. Das meiste muss durch den Verkauf der Flüge hereinkommen, denn auch der Bücherhandel bringt kaum etwas. Trotzdem würde Walo Kamm schon heute auf die kommerzielle Seite des Clubs verzichten: «Ich möchte viel lieber endlich all die Bücher über meine Reisen schreiben, als den ganzen Bürokram zu erledigen. Aber solange es den Club noch gibt, muss ich schauen, dass wir zumindest nicht defizitär sind.»
Eine neue Art des Reisens und eine neue Art Lebensunternehmer
Porträt eines Aussenseiters und Weltenbummlers, der auf abenteuerlichen Wegen zum Multi-Unternehmer und Überflieger der CH-Reisebranche wurde.
Von Georg Weber und Walo Kamm
Bereits die ersten vagen Hinweise auf den Zugang nach Zanskar klangen, als seien sie einer Sage entnommen. Um in das bisher unbekannte und verbotene Bergland im tibetischen Kulturraum zu gelangen, hätte man wochenlang eine kaum bewohnte Bergwüste zu Fuss überwinden müssen, im Sommer über hohe Pässe, im Winter unter Lebensgefahr auf einem teilweise zugefrorenen Fluss – es gab dort im Jahr 1975 noch keinen Strassenzugang.
Für den 33-jährigen Walo Kamm, der damals das zuvor als militärisches Sperrgebiet unzugängliche Ladakh («Kleintibet») als einer der ersten Besucher bereiste, war es eine unwiderstehliche Versuchung, noch weiter bis in das völlig entlegene Zanskar vorzudringen: «Mit seiner Weltferne, seiner Zeitlosigkeit und den friedvollen buddhistischen Bergklöstern kam das ehemalige Fürstentum im Himalaya dem mythologischen Shangri-La sehr nahe.»
Welche Schwierigkeiten bei dem Vorhaben zu überwinden waren, zeigen schon nüchterne Zahlen: Der tiefste Punkt des Gebiets liegt auf 3500 m ü. M. und die Berge reichen bis in Höhen von 7000 m. «Sechs Wochen war ich bei der Zanskar-Durchquerung unterwegs, ging durch Schluchten und über Seilbrücken, vorbei an weidenden Yaks und an Häusern, die wie Schwalbennester an Felsen klebten», erinnert sich Kamm. «Es waren die Dörfer und Klöster einer gebirgigen Wüste, in denen sich das Leben in vielen Teilen wie vor tausend Jahren abspielte. Die Einwohner trugen die traditionelle Tracht aus bunten, selbst gewebten Wollstoffen. Überall flatterten Gebetsfahnen im Wind – buddhistische Symbole, die Glück unter die Menschen bringen sollen.»
Zehn Tage Mühsal waren es nur schon bis zum Hauptort Padum, wo Walo Kamm von der Spalier stehenden Bevölkerung mit einer Mischung aus Neugier und Furcht fast wie ein Alien bestaunt wurde. In den Klöstern gab es herzlichere Empfänge. Bilder zeigen ihn inmitten rot gekleideter buddhistischer Mönche: Zum Willkommen reichte man ihm Buttertee und Tsampa, die lokale Basisnahrung aus geröstetem Gerstenmehl. Die Besuche waren für beide Seiten ein Erlebnis.
«Vor mir war der letzte Europäer, ein ungarischer Forscher, im Jahr 1826 in dem Gebiet gewesen», erklärt Kamm. «Offiziell ist Zanskar zwar ein Teil Indiens. Doch Regierungsvertreter aus Neu Delhi hatten sich zur Zeit meines Besuches noch nie gezeigt. In Padum hielt sich gelegentlich ein Offizier aus dem indischen Teil Kaschmirs auf – die einzige Englisch sprechende Person in Zanskar.»
Walo Kamm war nicht nur auf der Suche nach neuen Eindrücken aufgebrochen, sondern auch als ein Mann, der lebendige Reportagen zu schreiben vermochte. Der grosse Bildbericht, den er nach seiner Rückkehr für das Tages-Anzeiger-Magazin verfasste, löste ein enormes Echo aus: «Auf Schritt und Tritt sprachen mich Interessierte darauf an.» Nicht nur Kamms Reisereportagen, die sich bei dem gerade erst beginnenden Trekking-Trend in allen Kontinenten ergaben, auch die soziokulturellen Bildberichte, die er in den Jahren zuvor veröffentlicht hatte, waren auf aussergewöhnliche Resonanz gestossen, unter