Wie tief kann ein Engel fallen? Teil 1 und 2: Zwei Romane: Redlight Street 64/65 Doppelband. G. S. Friebel

Wie tief kann ein Engel fallen? Teil 1 und 2: Zwei Romane: Redlight Street 64/65 Doppelband - G. S. Friebel


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mit absoluter Gewissheit, dass sie noch Jungfrau war. Also auch nichts mit einem Dorflümmel getrieben hatte.

      Sie lachte heiser auf: »Aber, aber, Kleinchen, ich bin doch auch eine Frau. Ich guck dir wirklich nichts ab. Los, mach schon! Neue Unterwäsche kriegst du auch von mir. Aber erst probieren wir mal den Morgenmantel. Den musst du auf nackter Haut tragen. Das ist ein Gefühl, sage ich dir.«

      Die Frau war so nett, und sie durfte sich jetzt nicht prüde anstellen. Und so zog sie sich vor den gierigen Blicken der Frau aus. Helga merkte nichts davon. Sie blickte züchtig zu Boden.

      Elvira kam langsam näher. Kaum konnte sie sich beherrschen, aber sie hatte dieses Versprechen gegeben. Nun denn, dachte sie in diesem Augenblick, anfassen darf man ja noch mal, und später werde ich sie dann auch vernaschen. Ob Roger es will oder nicht. Sie ist wirklich ein tolles Püppchen.

      Helga hatte noch etwas Unfertiges an sich. Kleine Babygrübchen, die zarten, knospenden Jungmädchenbrüste, die schmalen Lenden und dazu die langen, schlanken Beine mit dem etwas staksigen Gang. Sie würde die Männer wild machen.

      Elvira streckte die Hand aus und streichelte die kleinen Brüste. Sofort hoben sich die Knospen. Helga hatte wieder so ein seltsames Gefühl. Ihr wurde zugleich heiß und kalt. Und die Frau streichelte nicht nur ihre Brüste, sondern auch den kleinen Bauch und die Lenden, die Schenkel. Obwohl sich das junge Mädchen furchtbar schämte, so hatte sie doch gleichzeitig den Wunsch, sie möge nicht aufhören.

      »Du bist wirklich sehr schön, kleine Helga«, gurrte die Frau an ihrer Seite.

      »Ja?«, stotterte sie verlegen.

      »Dich hat wohl noch niemand so sacht gestreichelt wie?«

      »Mit Jungens will ich nichts zu tun haben«, sagte sie hitzig.

      »Ich bin ja auch kein Junge«, lächelte Elvira. »Es gefällt dir also?«

      Helgas Wangen brannten heiß. Alles was mit Liebe und Sex zu tun hatte, war daheim verboten gewesen. Man durfte nicht darüber reden. Das war sündig, tabu. Das spielte sich im Dunkeln ab. Heimlich. Sie wusste, dass ihre Freundinnen mit Jungen hinter der Scheune gingen. Oft hatte sie sie kichern gehört, und dann kamen sie wenig später wieder und hatten zerzauste Haare und zerdrückte Pullis. Sie gaben dann immer schrecklich an und wollten, dass Helga auch mitmache.

      »Stell dich doch nicht so an! Das muss man tun! In der Stadt tun sie das alle.«

      Aber sie hatte es nicht getan. Nicht, weil sie keine Freunde hatte, im Gegenteil, jeder hätte gern mal mit ihr geschmust und ihre Brüste geküsst. Aber sie hatte einfach eine Heidenangst davor, ein uneheliches Kind zu bekommen. Und außerdem hatten die Jungen im Dorf alle so schwammige und hornige Hände. Sie ekelte sich davor.

      »Du kannst mir ruhig sagen, ob es dir gefällt oder nicht«, sagte Elvira heiser.

      Helga schrak aus ihren Gedanken auf. Sie spürte jetzt wieder die streichelnden Hände und hatte den Wunsch, sich auf den Teppich zu legen – und sie sollte immer weitermachen. Immerzu. Dann sah sie sich selbst im Spiegel, ganz nackt; und da schämte sie sich so entsetzlich, dass sie den Morgenmantel an sich riss und ihn schnell überzog.

      Elvira hatte ein wissendes Lächeln in den Mundwinkeln. Man konnte sie also sehr schnell wecken. Und vielleicht stand sie gar nicht auf Männer? Pech für Roger. Dann hätte sie eine neue Bettgespielin.

      »Na, wie fühlt er sich an?«

      Die weiche Seide umschmeichelte ihre Figur, und Elvira hatte recht, er fühlte sich wundervoll an. Die ganze Haut schien zu leben und zu zittern. Kaum konnte sie sich aufrecht halten, so aufgeregt war sie.

      »Komm, jetzt zeige ich dir, wo meine Unterwäsche liegt. Du kannst dir welche aussuchen.«

      Natürlich waren sie auch aus Spitze und dünnem Stoff, und so zart und so weich. Die würden das Waschen nicht lange aushalten.

      »Sie kommt aus Paris«, sagte Elvira gleichgültig.

      »Wundervoll«, flüsterte Helga.

      »Willst du baden?«

      Das junge Mädchen sah auf und sagte lachend: »Aber heute ist doch nicht Samstag.«

      »Aber wir baden jeden Tag. Immer, wenn uns der Sinn danach steht. Komm mit.«

      Sie ließ Wasser für Helga einlaufen und gab reichlich duftenden Schaum dazu. Helga musste baden, und Elvira saß daneben und sah ihr zu. Für sie war das ein reiner Genuss. Nur das unschuldige Mädchen merkte nichts von den gierigen Wünschen der Frau.

      Nach dem Bad zog sie wieder den Morgenmantel an, und dann gingen sie in den Salon zurück. Elvira bot ihr etwas zu trinken an. Sie nahm es, obwohl sie auch das nicht gewöhnt war. Aber sie wollte jetzt als ganz große Dame gelten.

      »Ich mache uns etwas zu Essen, und dann plaudern wir miteinander, ja?«

      »Ja«, sagte sie selig.

      Helga stand am Fenster und schaute auf die Straße. Langsam brach die Dunkelheit herein. Unten wurde es lebhafter.

      »Ich kann es immer noch nicht glauben«, flüsterte sie leise vor sich hin.

      6

      Als Helga auch um zehn Uhr abends noch nicht zu Hause war, machte sich die Familie langsam Sorgen. Die Mutter schimpfte, und der Vater knurrte: »Wenn die nach Hause kommt, dann setzt es aber eine Tracht Prügel. Die soll sich bloß nicht einbilden, sie könnte mit uns tun und lassen, was sie will!«

      »Bestimmt hockt sie mit einem Jungen irgendwo zusammen«, sagte Eva schadenfroh.

      Egon, ihr Mann, sagte daraufhin ärgerlich: »Sie sind ja nicht alle so geil wie du.«

      Daraufhin wurde sie schrecklich wütend, heulte und ging nach oben in die kleine Wohnung. Diese junge Ehe konnte man wirklich nicht glücklich nennen.

      Der Zeiger der Uhr kroch immer weiter. Als wieder eine Stunde vorüber war, hielt es die Mutter nicht mehr aus. »Ich geh sie jetzt suchen. Bestimmt ist etwas passiert«, jammerte sie los.

      »Ich geh mit«, sagte Egon. »Aber das sage ich dir jetzt schon, von mir fängt sie sich auch ein paar ein, wenn ich sie finde.«

      »Hört doch endlich auf!«, sagte die Mutter zornig. »Sie ist kein Kind mehr. Alle hackt ihr auf ihr rum.«

      Überall in der Nachbarschaft fragte man nach Helga, obwohl sich die Mutter sehr schämte; denn was sollten sie von ihnen denken. Um Mitternacht von Haus zu Haus zu gehen, um das Kind zu suchen, das machte wirklich keinen guten Eindruck. Aber im Augenblick war die Sorge doch größer. Aber wo sie auch fragten, man konnte keine Auskunft geben. Niemand schien Helga gesehen zu haben, auch die Freundinnen nicht, mit denen sie sonst zusammen war. Man holte sie eigens aus dem Bett. Verstört sahen sie Frau Wenda an.

      »Sie war nicht bei uns. Wir haben ihr noch gesagt, sie soll mit zum Treff kommen, in die alte Schule. Sie wissen ja, dort sind wir immer. Aber sie ist nicht mitgegangen.«

      »Hat sie denn auch nicht gesagt, wohin sie wollte? Irgendeine Andeutung gemacht?«

      »Nein, gar nichts. Ich glaube, sie wollte nach Hause zurück.«

      »Ja, richtig«, murmelte Frau Wenda plötzlich. »Egon, sie war ja bei uns. Erinnerst du dich? Es hat Krach gegeben, du weißt doch noch.«

      »Herrje! Glaubst du wirklich, die hält sich deswegen irgendwo versteckt?«, fragte er zornig. »Das wird ja immer schöner. Man kann sich ja wohl mal die Meinung sagen, oder?«

      Sie hatten das ganze Dorf abgeklappert, aber niemand hatte das Mädchen gesehen. So kamen sie müde nach Hause, in der Hoffnung, dass sie in der Zwischenzeit dort angekommen sei. Aber auch hier war sie nicht. Helga blieb verschwunden. Nun fühlten sie sich echt betroffen. Alle hatten auf einmal ein schlechtes Gewissen. Seltsam war das schon: Wenn jemand erst mal fort ist, dann fällt einem auf, dass man nicht richtig gehandelt hat, dass man vieles hätte anders machen können. Immer wenn es zu spät ist, will man auf einmal alles ändern.


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