B'tong. Roland Platte

B'tong - Roland Platte


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      Roland Platte

      B'tong

      ein Umweltroman

      Band 1

      © 2020 Roland Platte

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN

Paperback:978-3-347-05548-3
Hardcover:978-3-347-05549-0
e-Book:978-3-347-05550-6

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      „Böden zählen zu den kostbarsten Güternder Menschheit. Sie ermöglichen esPflanzen, Tieren und Menschen auf derErdoberfläche zu leben.“ (Europäische Bodencharta 1972)

       PROLOG

      Eine endlose, zähe Masse, erstarrt zu festem Material, rau, hart, undurchdringlich. Kilometerweit hat es sich in unser Dasein hineingefressen. Setzt ständig neue Grenzen. Vernichtet ohne Pardon alles Leben, wälzt sich über ganze Landschaften hinweg. Wie ein Tier mit tausend Tentakel dringt es durch die Städte, in die Wälder, ins Wasser, über Flüsse, Seen und Meere hinweg, verkrallt sich in den Boden, lässt nicht mehr locker, erstickt den letzten Atem, den warnenden Schrei, um alles hemmungslos platt zu walzen, was Leben heißt.

      Es liebäugelt mit modernster Architektur, scheint ihr zu dienen und dient nur sich selbst. Immer weiter fortschreitend, beinahe lautlos schiebt es sich vorwärts, immer weiter, immer weiter. Dieses Ungeheuer mit schroffer, auch rissiger Oberfläche versteckt sich hinter Glas, Spiegeln, Putz, lugt aber immer wieder hervor, um neue Wege der Verbreitung zu finden. Zwei-, drei- oder mehrere hundert Meter hohe Gebäude erheben sich mühelos und stolz in die Himmel der Megapolen, die, hungrig nach diesem Stoff, ihn feiern, ihn huldigen, sich ihm hingeben, wie einem Retter der Menschheit.

      Grandiose Bauten täuschen Gesetz- und Grenzenlosigkeit vor, scheinen den Menschen die Macht über die Naturgebote verliehen zu haben. Er hat sich in unsere Herzen geschlichen, um dort alles Organische zu lähmen, hat das Blut ersetzt durch Wasser aus schmutzigen Pfützen, die Seele durch eisige Zugluft, das regelmäßige Pochen durchs Stottern ohnmächtiger Presslufthammer.

      1.

      Der alte, grau-blaue 2CV prescht durch den Dünensand, das Stoffdach nach hinten zusammengerollt und festgezurrt, genauso wie das bei den 'Enten' früher üblich war. Der frische Küstenwind sticht Carsten ins Gesicht. Er schaut in den Rückspiegel und sieht seine beiden Kinder auf der Rückbank sitzen. Ungeduldig, aber auch ein bisschen müde schauen sie auf den weißen Sand, der sich zu hohen Dünen aufgeschichtet hat.

      Endlich sind sie am Parkplatz angelangt. Carsten zieht mit einem Ruck die Handbremse und stellt den Motor ab. Er reibt sich die Augen und genießt einen Augenblick die Ruhe, nur unterbrochen von dem wilden Geschrei der Möwen und den am Strand aufklatschenden Wellen.

      Sie waren heute früh gegen 5 losgefahren und jetzt ist es 8. Eine Stunde länger als geplant. Egal!

      Er schwingt sich mit einem Ruck aus dem Auto und öffnet den Kindern die Wagentüren.

      - Los geht's, ihr Langschläfer.

      - Wir haben doch gar nicht geschlafen!

      Seine ältere Tochter Jana weiß mit 12 einfach alles besser. Er antwortet nicht darauf.

      - Kommt jetzt raus, wenn ihr am Strand spielen wollt, lange bleiben wir nicht.

      - Warum sind wir denn dann überhaupt ans Meer gefahren?

      - Ich will hierbleiben, am Meer! Ich will hier spielen.

      - Es ist kalt und Hunger habe ich auch.

      Carsten packt eine alte Tasche, stopft noch einen Ball hinein und beugt sich dann zum Vordersitz, auf dem ein braunes Fläschchen liegt. Er nimmt es mit Vorsicht an sich, knallt die Wagentüre zu und marschiert los, gefolgt von den beiden Kindern.

      Am Strand angekommen, blickt Carsten um sich. Weit und breit kein Mensch zu sehen. Nur seine Kinder, die ihre Schuhe ausgezogen haben und auf das Meer zulaufen.

      Es ist Flut, aber bis zu den Dünen ist das Wasser noch nicht aufgelaufen. Und am Rand der Dünen befindet sich das Ziel seiner Fahrt, ein graugrüner Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, der, von starken Flutwellen wohl immer wieder angegriffen, nun leicht schräg abgekippt, völlig absurd im Dünensand steht.

      - Hey Kinder, passt auf, geht nicht zu weit ins Wasser!

      Den Kindern ist das Meer ohnehin zu kalt, zu unruhig und auch zu grau.

      Es ist nicht gerade ein schöner, warmer Sommertag mit einem idyllischen, blauen Meer in sanfter Sommerbrise. Es ist ein kühler Herbsttag mit scharfem Wind, der die grauen Wolken am Himmel wie nichts zerreißt und das Wasser beinahe schwarz erscheinen lässt mit weißlichem Glanz.

      Carsten ist das aber egal, er ist nicht des Meereswassers und der Wellen wegen hier, der Bunker ist sein Ziel.

      - Bleibt ihr am Strand? Ich gehe mal eben hoch zu dem Bunker. Passt aber auf, ja? Ich lass' die Tasche hier, wir treffen uns hier wieder.

      Er lässt die Tasche in den Sand fallen und marschiert los.

      Er ist froh, dass die Kinder jetzt nicht mitkommen. Was er am Bunker vorhat, ist erst mal nur seine Sache.

      Carsten lächelt selbstsicher, er weiß eigentlich schon, dass es klappen wird. Aber er hat sich vorgenommen, dieses Experiment en grandeur nature zu machen. Das Bild hat ihn seit einiger Zeit verfolgt: er hier am Strand, am Bunker, mit der braunen Flasche… Am Bunker ankommen, steigt er aufs Dach und schaut nochmal zurück zu den Kindern. Beruhigt sieht er, dass diese jetzt auf die Tasche zulaufen, vielleicht weil ihnen kalt ist oder weil sie mit dem Ball spielen wollen oder weil sie Hunger haben. Er ist aber auch deswegen beruhigt, weil keine weitere Menschenseele zu sehen ist.

      Es kann also losgehen. Endlich ist der große Moment gekommen. Er zieht die braune Flasche aus seiner Jackentasche, öffnet behutsam, beinahe liebevoll den Drehverschluss und kippt vorsichtig einen guten Teil der farblosen Flüssigkeit auf die raue Schale des Bunkers.

      Nach einer Weile fängt die Oberfläche an sich zu bewegen, wird schwammig und beginnt schließlich seitlich weg zufließen in einer Art trüben, sandigen Flüssigkeit. Ermutigt von dem ersten Erfolg, kippt Carsten den Rest der Flasche auf die gleiche Stelle. Ein Teil des Betons löst sich auf, fließt schließlich durch das entstandene Loch direkt ins Innere des Bunkers ab, bis eine handgroße Lücke entstanden ist, die zwei verrostete Stahlstreben wie greifende Finger blank gelegt hat.

      Carsten grinst stolz und schraubt mechanisch die leere Flasche wieder zu.

      - Hallo, klingt es plötzlich aus dem Bunker.

      - Hallo, schallt es aus dem neu geschaffenen Loch.

      Carsten fährt erschrocken zusammen, lacht dann aber wieder, als er erkennt, dass seine Kinder sich herangeschlichen haben und jetzt aus dem Bunker, durch das neu geschaffene Loch, zu ihm hinaufschauen.

      - Was machst du da, Papa?

      - Ich mache gar nichts, ich bringe Licht ins Dunkel, lacht Carsten, indem er vom Bunker springt. Und jetzt werde ich euch fangen, wenn ihr da nicht sofort wieder rauskommt.

      Vor Vergnügen quietschend, laufen die Kinder aus dem Bunker, der jetzt durch einen Strahl der Morgensonne hell erleuchtet ist, außen wie innen.

      2.

      - Morgen werde ich kündigen.

      Carsten blickt stolz in das Gesicht seiner Frau. Sie schaut ihn eine Weile sprachlos an.

      -


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