Woodwalkers & Friends. Katzige Gefährten. Katja Brandis
übersetzte seine Freundin. Äh, könntet ihr euch vielleicht beeilen? Ich höre Schritte im Flur, wahrscheinlich wird Mrs Waters euch gleich erwischen und den Behörden übergeben …
Jetzt hörten wir anderen es auch. Wir erstarrten – aber nur ganz kurz. Dann tauchte Terry mit einem kühnen Sprung unter den Schreibtisch, wo er auf dem Bauch in Deckung schlitterte. Mia und ich quetschten uns in eine Nische zwischen einem Schrank und der Wand. Doch in der war eigentlich nur Platz für eineinhalb von uns.
»Meine Arme werden gerade zerquetscht«, ächzte ich. »Luft kriege ich auch keine.« Meine Nasenspitze berührte fast die staubige hölzerne Seitenwand des Schranks.
»Egal! Schlimmer ist, dass ein kleines Stück von mir noch ins Zimmer ragt«, berichtete Mia. »Was soll ich machen?«
»Beim großen Gewitter! Warum bist du nicht in den Schrank gekrochen?«
»Hättest du ja machen können.« Mia bleckte die Zähne in meine Richtung, was bei ihren winzigen Menschenzähnen wirklich lächerlich wirkte, und drängte ihren warmen Körper noch enger an mich.
Still, Leute, sie kommt!, rief Terry in unsere Köpfe und wir hielten eilig den Mund.
Ich kam mir vor, als wäre ich zwischen zwei Baumstämmen stecken geblieben. Hoffentlich ging Mrs Waters schnell wieder, sodass wir Tabitha befreien und fliehen konnten!
Fehlanzeige. Wir hörten eine Kaffeemaschine zischen und gurgeln, als sie sich gemütlich ein Tässchen zubereitete. Statt es schnell herunterzuschlürfen und sich dann wieder aufopferungsvoll um irgendwelche ausgesetzten Tiere zu kümmern, machte sie es sich an ihrem Schreibtisch bequem. Ich hörte den Stuhl quietschen, danach das Geräusch von Zeitschriftenseiten, die umgeblättert wurden.
Hinter dem Schrank war sehr, sehr lange nicht mehr geputzt worden. Seither hatten anscheinend einige Tiere dort gewohnt – Tiere, die niemand ausgesetzt hatte. Alte Spinnweben hingen vor meinem Gesicht und kitzelten mich an der Nase. Gleich würde ich niesen müssen … gleich … gleich …
Mrs Waters pupste, stand auf und ging noch mal nach draußen, vielleicht aufs Klo. Kaum war sie weg, schoss eine Art Minihurrikan aus meiner Nase. Immerhin, jetzt waren die Spinnweben weg.
Hastig zwängte sich Mia aus der Nische, lief zur Tür und spähte hinaus. »Sie ist weg – los, kommt!«
Ich wusste es – ihr geht ohne mich!, rief Tabitha verzweifelt. Ich hatte keine Zeit für eine Antwort, stattdessen fummelte ich am Riegel herum, bis ich ihn endgültig offen hatte und die Tür der Glasvoliere aufstoßen konnte.
Ihr seid alle Helden!, jubelte Tabitha, kroch mit halb zusammengefalteten Flügeln in die Freiheit und flog gleich mal eine Runde durchs Zimmer. Ihre Kollegen öffneten ein Auge, schlossen es wieder und schliefen weiter. Falls wir Helden waren, dann welche, die ziemlich blöd dreinschauten. Schon hörten wir Mrs Waters zurückkommen, wir hatten unsere Fluchtchance verpasst.
Mit einem Riesensatz erreichte ich die Nische wieder. Mia folgte mir nicht, sie riss die Tür eines Schranks auf. »Oh nein«, stöhnte sie. »Der ist voll mit Zeug, es ist kein Fitzelchen Platz, um sich reinzuquetschen!«
Einen Moment später ging die Tür auf. Ganz kurz herrschte Stille, dann schrie die Tierheimfrau los: »Was machen Sie in meinem Büro? Versuchen Sie etwa, meine Akten zu stehlen?«
»Nein, die nicht«, hörte ich Mia erklären. »Ich wollte was anderes mitnehmen.«
»Wollen Sie etwa Geld?«
Leider war Mia nicht sehr gut im Lügen. »Das stimmt, wir suchen Geld. Aber nur ein ganz kleines bisschen davon. Was halt so runtergefallen ist.«
Ich stöhnte innerlich.
Die Stimme der Frau wurde noch ein bisschen schriller. »Ich rufe die Polizei! Rühren Sie sich nicht von der Stelle, sonst hetze ich die Hunde auf Sie!«
Mia stieß vor Schreck einen maunzenden Laut aus, Terry sprang hoch, als wäre er auf einen Skorpion getreten, und ich war einem Panikanfall nahe.
Na super. Unser Abstecher in die Stadt hatte genau so geendet, wie ich es befürchtet hatte – in einem kompletten Chaos.
Wild und frei
Wir mussten hier raus, auch wenn wir dabei gesehen werden würden. Weg hier, schnell!, schrie ich den anderen in Gedanken zu und schob mich aus der Nische ins Zimmer. Die Tierheimfrau glotzte mich verblüfft an, dann warf sie sich förmlich auf das Telefon. Doch auf dem hockte schon eine Fledermaus, grinste sie an, sodass man ihre nadelspitzen Zähnchen sah, und bewegte den Kopf von einer Seite zur anderen.
Leute, die im Tierheim arbeiten, sind hart im Nehmen. Schließlich haben sie jeden Tag mit Dobermännern und Schäferhunden zu tun, die nicht immer ihre Zähne bei sich behalten. »Weg da!«, grunzte die Tierheimfrau nur, fegte Tabitha mit einer Hand vom Telefon herunter und begann, entschlossen auf den Tasten herumzutippen.
He, ich brauche keine Starthilfe! Tabitha trudelte ein Stück in Richtung Boden, fing sich und flatterte hoch.
Seite an Seite rannten Mia und ich nach draußen, während uns Flauschi alias Terry so um die Beine wuselte, dass wir beinahe über ihn fielen. Als ich mich kurz umwandte, sah ich, wie Tabitha eine Ehrenrunde um den Kopf der Tierheimfrau drehte. Also dann tschüss und danke für die Mehlwürmer, die waren richtig gutes Zeug, meinte sie, dann schoss sie hinter uns her.
Wir rannten durch den Gang, stießen die Vordertür auf und machten, dass wir rauskamen. In Gummistiefeln kann man nicht gut rennen, aber wir taten unser Bestes. Wir machten einen kurzen Abstecher zu dem Haus von vorhin, um die Stiefel und wenigstens ein paar der Klamotten zurückzugeben, dann rannten wir in Unterwäsche in den Wald und konnten nur hoffen, dass uns niemand dabei beobachtete.
Erst als wir auf einer Lichtung angekommen waren, wagten wir zu verschnaufen.
Terry ließ sich hechelnd ins Gras fallen, Tabitha setzte sich zwischen seine Vorderpfoten und faltete die Flügel zusammen. Bist du in Ordnung?, fragte sie Terry.
Ja, und du? Ist dir auch wirklich nichts passiert? Er versuchte, nach oben zu schielen.
Während die beiden sich versicherten, dass es ihnen gut ging und wie toll es war, frei zu sein, verschwanden Mia und ich hinter irgendwelche Büsche, damit wir uns endlich zurückverwandeln konnten.
Vor Schreck begann Terry, wild zu knurren, als wir in Gestalt von zwei zimtfarbenen Raubkatzen wieder zum Vorschein kamen.
Kein Grund zur Panik, wir sind die Guten, sagte Mia, ging unbeeindruckt auf ihn zu und schleckte ihm über den Kopf.
Lass das oder ich jag dich auf den nächsten Baum, Katze, kündigte Terry an und wir schnaubten vor Lachen.
Ah, ihr seid also Pumas, stellte Tabitha fest. Lateinischer Name Felis concolor, Verbreitungsgebiet ganz Nord- und Südamerika.
Mia und ich blickten uns an. Konnte man eigentlich wegen Besserwisserei ins Tierheim kommen?
Wie bist du eigentlich gefangen worden, Tabitha?, fragte ich. Wahrscheinlich hatten sie ein Lexikon als Köder ausgelegt oder so was.
Tabitha seufzte. Meine Mutter hat gemeint, ich würde bei meiner Oma – bei der wohne ich – zu selten als Fledermaus leben und zu oft als Mensch irgendwo rumliegen, lesen und Lakritze in mich reinstopfen.
Und war da was dran?, fragte Mia, legte sich gemütlich hin und ließ sich die Sonne auf den Pelz scheinen.
Selbstverständlich war da was dran. Also hab ich ihr versprochen, dass ich in den Sommerferien mal bei einem wilden Schwarm lebe, mindestens fünf Stunden täglich herumfliege und nur gesunde Sachen esse.
Nachtfalter?, meinte