Tee mit Platon. Martin Knipphals

Tee mit Platon - Martin Knipphals


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später noch unerwartete Gäste kommen, sei dahin gestellt. Ausreichend Teeblätter wurden jedenfalls vor Stunden sorgsam zwischen alten Granitplatten zu Pulver gemahlen. Und Wasser aus eigenem Brunnen steht ebenfalls reichlich zur Verfügung. Gemeilerte und gereinigte Kohle desgleichen. Was sich auch über frische Süßigkeiten aus Bohnengelee (Yokan) direkt aus Kyoto sagen läßt. Und für alle Fälle steht sogar ein Schirm bereit.

      Auch der `taubedeckte alte Pfad` (Roji) ist mit seinem Moos nahezu blattfrei, die überdachte Wartebank gesäubert, das Becken aus nordischem Basalt hat eine frische Schöpfkelle aus Bambus und der Duft von Ozenko (Räucherstäbchen) motiviert Mücken weiterzufliegen. Sollte jetzt noch etwas fehlen, wäre es ohnehin verzichtbar.

      Eine hingehauchte Tuschspur von Meister Sesshu hängt in der Bildnische, (ähnlich der von Tanyu) und eine Vase von Morioka san aus Shigaraki läßt die Blumen wie auf dem Felde ruhen. Eine überdies hilfreiche Idee von Meister Rikyu, die schon manchem seither dienlich war.

      Als Autor denke ich gerade, dass jetzt die Gäste kommen könnten - da ruft in den Morgennebel hinein auch schon Meister Kanno: Ohayo gozaimasu! (Guten Morgen).

      Hai, irashaimasen, herzlich willkommen, erfolgt die Antwort. Er war zwar nicht erwartet, Paris oder Kumada liegen schließlich nicht gerade nebenan, doch immer gern gesehen, beflügelt er selbst Alte Zenhasen mit seiner eigenwilligen Art. Von der Meister Tokuzen, vormals in Arashiyama, jetzt in Bergisch Gladbach, schmunzelnd zu berichten weiß.

      Wenig später sind alle eingetroffen und in den Raum hineingeruscht. Die üblichen Gast-Türen dieser Räume aus Zeder, sind mit nur 70 x 70 cm anders nicht zu passieren. Mit der Stille im Herzen, inmitten der lauten Welt mit ihrem sinnentleerten Aktionismus, weitet sich hierbei der kleine Tatamiraum. Physikalisch unmöglich, sagt das gebildete Neuzeitler-ICH, doch erlebbar, bescheinigt der Hara (Energie-Zentrum des Menschen unterhalb des Bauchnabels).

      Sesshus Werk in zeitlosem Gestus begrüßt die eine Blume, die auf Buddhas erstes Koan* verweist. Beides läßt alle schmunzeln und sich dem Gesang des Kessel aus anderen Zeiten zuwenden. Sein Säuseln erinnert entfernt an den Klang von knorrigen Kiefern im Gebirge, durch deren silbergraues Geäst die Winde wehen und Krähen rufen.

      Das Raunen von Kiefern im Gebirge, eine akustische Fortführung des Gartens? Klang als Qualitätsmerkmal? Falls der Roji überhaupt ein Garten im herkömmlichen Sinne ist, denkt Platon im Rückblick. Nette Blümchen fehlen, eine sichtbare Formgebung ebenfalls, Skulpturen, wie damals in meiner Zeit üblich, glänzen durch Abwesenheit und selbst einen verzierten Marmorbrunnen sucht man hier vergebens. Und auch das Wasser tröpfelt eher leise aus einer Bambusleitung, statt üppig zu plätschern.

      Dennoch - so muß ich eingestehen - berührt einen diese Moos-Pflanzen-Trittsteinpfad-Stimmung. Da hier auf alles Ablenkende verzichtet wurde, fördert dies offenbar ein Zur-Ruhe-Kommen. Ein kluge Maßnahme denkt er. Benötigt man tatsächlich nur so wenig? Nachdenklich schüttelt er den Kopf und geht zu seinem Sitzplatz im viereinhalb Mattenraum (2,7o x 2,7o m).

       (Anm.: Japanische Räume sind mit 6 cm dicken Strohmatten ausgelegt, die wiederum mit einer feinen gewebten Grasschicht versehen sind. Ihr Maß, von Webstühlen abgeleitet, beträgt jeweils 90 x 180 cm.)

       *(Koan sind absurd anmutende, aber lösbare Zenrätsel)

       2 Kaiseki Speise

      In dieser herzlichen Atmosphäre werden zunächst sorgsam zubereitete Speisen aus der Region gereicht. Etwas Gemüse, Reis, Suppe und Fisch ruhen in jeweils passenden Lackschalen oder auf Keramiken. Naturbelassen und dadurch geschmacklich nicht manipuliert. Ein Verändern des Eigengeschmackes, wie im Westen üblich, wird natürlich tunlichst vermieden. Ein Glänzen-Wollen als Koch, ohnehin Ausdruck von Unreife und Geltungssucht, wäre hier vollkommen unangebracht. Und üppige Portionen ebenso, wie auch pseudo-elitäre Miniportionen mit aufgesetztem Schickimicki-Gehabe von Emporkömmlingen für andere Emporkömmlinge. Wodurch sie sich selber ausgrenzen.

      Schlicht, einfach, so-wie-es-ist genügt vollkommen und zeigt die wahre Meisterschaft. Sich bescheiden, und innere Aspekte mehr schätzend, als glitzernden Tand läßt uns Menschen leicht zusammenkommen - wortlos, in stillem kultiviertem Verstehen.

      Da ferner alle bereits erleuchtet sind, macht es schließlich keinen Sinn, dass ein Buddha einem anderen Buddha imponieren will, denkt Meister Bankei, der nur gedanklich kommen konnte. Was er bedauert, denn Matcha von Yasumori san oder Kambayashi san aus Uji sei ein vorzüglicher Grund, die Wanderschaft zu unterbrechen. Doch Hilfe sei woanders gefordert und wichtiger als Tee für sich selbst. Typisch Wegmeister, denkt Platon.

      Die Speisen aus Wald, Flur und örtlichem Gewässer in spartanischen Portionen, was dem alten Griechen durchaus bekannt vorkommt, stillen den ärgsten Hunger und lassen ganz nebenbei auch anderen noch ausreichend Nahrung. Sollte man morgen noch leben, meint Ikkyu, kann man ja wieder etwas essen. Gelächter von allen. Nur Platon bekommt beim Denken an den Tod ein mulmiges Gefühl im Bauch.

      Woraufhin Kanno ihn anlächelt und sagt: Genießen Sie die Speisen von Heute. Morgen ist morgen. Jetzt sind wir alle erst einmal hier. Dozo (bitte). Also

      nehmen alle die Stäbchen, danken dem Gastgeber aus Lumbini (in Nepal) und widmen sich schweigend den zarten Nuancen der einzelnen Zutaten. Was sollte man auch zu eingelegten Bohnen, Rettich, Fisch, Reis und Misosuppe sagen? Oishi desu - lecker das sein- wie eine plumpe Übersetzung lauten würde? Also genügt eine stumme Verneigung.

      Statt Sake gibt es zunächst milden Sencha von Kambayashi san, mit dem unnachahmlichen Umami* aus Uji. Den schon seine Vorfahren zur Zeit von Meister Takeno Joo vor fünfhundert Jahren zu schätzen wußten. Was zudem die Speisen behutsam so wirken läßt, was sie eigentlich zu bieten haben.

      Nach geleerten Tellern und Schalen gibt es abschließend etwas Sake in recht flachenLackschälchen, die an Untertassen erinnern. (Eineruhige Hand und ein Sinn für gute Balance hilft Flecken zu vermeiden, geht es dem Griechen durch den Kopf.)

      Ein Gelee aus Azukibohnen (Yokan) auf eigentümlichen Keramiken in Blütenform rundet zum Schluß alles ab. Er ist würzig und verhalten süß. Neu und doch vertraut. Hiernach legen alle fast zeitgleich ihre Stäbchen hin und verbeugen sich voreinander und gehen zurück in den Garten. Schweigend, so bleibt die erlebte Strille erhalten.

      Platon denkt: Im Seiza (Fersenhocksitz) zu sitzen muß man wohl üben. Bin dankbar für die Pause. Beine ausstrecken und etwas gehen - wunderbar.

       (Anm.: Umami ist der fünfte Geschmackssinn)

       Abb.: Vogel auf Lotus, Yamamoto Joshun, 1724-84

       3 Koicha

      Ein Gong kündet dezent vom Ende der Pause. Aus dem langsam heller werdenden Roji (taubedeckter Pfad) kommend, kriechen alle zurück in den Chasitsu.

      Bild und Blume wurden ausgetauscht, selbst der Duft von Räucherwerk in der Feuerstelle ist verändert. Statt nur erahnbarer Berggipfel vorhin bei Sesshu, die eine Verbeugung seinerseits vor Meister Yü-Chien (13. Jhd.) sind, schaut uns nun ein Vogel aus der Hand von Meister Tanyu (od. Joshun) an und ein Vers von Meister Enshu: In der Stille der Berge ist selbst der Regen still. Was selbst der Blütenzweig darunter zu bestätigen scheint. In einer Vase stehend, die sein Leherer Oribe einst erschuf. Ob das jeder sieht?, fragt sich Platon, Kanno anschauend, der aber nichts sagt.

      Nach sorgsamer Reinigung der Utensilien mit einem Seidentuch, die zuvor hineingetragen wurden, wird nun der sogenannte Dicke Tee (Koicha) zubereitet.

      Er ist breiähnlich und wird nacheinander von allen Gästen aus derselben Schale getrunken. Hierbei geht die dunkel glasierte Raku Schale* von Hand zu Hand weiter, nachdem man zuvor die Mundstelle mit Papier gereinigt hat. (Heute lebt die XV. Generation Kichizaemon Raku, 1949 -)

      Bei einem knappen


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