Geliebte Zwillingsschwester. Trutz Hardo

Geliebte Zwillingsschwester - Trutz Hardo


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sagen“, so fuhr er fort, „dass, so eine neue Verordnung, jeder bei uns neuangestellte Arzt sich einer Sextherapie zu unterziehen hat, um keine entlassene Patientin später zu besuchen. Und übrigens, Frau Rehfuß“, und er wandte sich an Felicitas, „schlage ich vor, dass Sie sich die Fahrt nach Holland ersparen sollten, denn ich werde, so Sie einverstanden sind, mit meinem Kollegen den operativen Eingriff - kostenfrei für Sie natürlich - durchführen, und diese OP als Entnahme einer Gebärmuttergeschwulst deklarieren. Denn eine Abtreibung ist bei uns - anders als in Holland - noch gesetzlich verboten. Sind Sie damit einverstanden?“ Und Felicitas bejahte und bedankte sich ganz herzlich. Und er fuhr fort: „Versprechen Sie mir, dass über diese Angelegenheit vollkommenes Stillschweigen bewahrt werden muss, auch gegenüber Dr. Dudszinski und auch anderen selbst Ihnen nahestehenden Personen. Ich möchte nicht, dass sich diese Sache rumspricht. Denn das würde sich, so die Presse davon erfahren könnte, zu einem uns peinlichen Skandal ausweiten, was unserer Klinik ungeheuren Schaden zufügen könnte. Versprechen Sie mir das?“ Natürlich gaben wir ihm dieses Versprechen. Und zu Felicitas gewandt, sagte er, dass er versuchen wolle, schon nächste Woche einen OP-Termin für sie zu finden. Dann erhob er sich, gab jedem von uns die Hand und bedankte sich, dass wir uns ihm anvertraut hätten. „Und bitte“, so fügte er hinzu, „wenn wieder irgendetwas zu berichten ist, dann kommen Sie zu mir. Sie haben mein volles Vertrauen.“ Und als wir zur Tür gingen, öffnete in diesem Augenblick seine Sekretärin die Tür, als ob sie wusste, dass wir jetzt hinausgehen wollten. Hoffentlich hatte sie nicht gelauscht.

      Wir gingen dann erst einmal unten in die Kantine, um unseren Erfolg zu feiern, allerdings nur bei Kaffee und Kuchen. Nächste Woche habe ich wieder Nachtschicht. Hoffentlich kann ich Dr. Dudszinski so weit wie möglich ausweichen. Oder wird er dann schon auf der Palliativstation seinen neuen Platz gefunden haben?

      Du siehst, wie aufregend es bei uns ist. Du wirst bald mehr von uns noch zu hören bekommen. Übrigens habe ich seine Worte aus freier Erinnerung wiedergegeben, da die indirekte Rede nicht kernig genug ist.

      Viele Küsschen für euch zwei von eurer Leo

      ***

       26.1.2014

       Geliebte Zwillingsschwester, meine Tara!

      Seit gestern bin ich wieder auf Nachtschicht. Als ich heute Morgen aus der Klinik heraus zum Parkplatz gehen wollte, öffnete sich auf einmal die Wagentür von Herrn Dudszinski. Er stieg aus, kam auf mich zu und fragte: „Hast du …“, ich unterbrach ihn: „Für Sie bin ich immer noch Frau Römer beziehungsweise Schwester Leonore.“ „Ach, red‘ nicht so ein dummes Zeug. Hast du mit unserem Chef über mich gesprochen? Sag.“ Ich musste ihn jetzt anlügen und hoffte dabei nicht rot zu werden, doch war es draußen noch dunkel. „Wieso, sollten wir dem Chef was gesagt haben?“ „Aha, ‘wir‘. Wer sind diese ‘Wir‘? Habt ihr euch über mich ausgetauscht?“ Leugnen konnte ich jetzt nicht mehr, da ich mich ja mit dem ‘Wir‘ verraten hatte. Aber ich wollte Felicitas dabei nicht erwähnen und sagte, dass Elisabeth und ich über ihn und seine Anmache gesprochen hätten. „Hat man Sie auch zu einer Psychotherapie verdonnert, gemäß der neuen Verordnung der Klinik?“ Ich musste meinen inneren Triumpf verbergen und sagte nur schlicht, dass ich nicht wüsste, von was er rede. „Wüsstes du, äh, wüssten Sie, warum der Chef mich auf die Altenabteilung verdonnert hat? Könnten Sie mir vielleicht eine Antwort geben?“ Ich log: „Ich glaube, dass in unserer Klinik alle Ärzte, die später mal eine Praxis eröffnen wollen, Erfahrungen auf den verschiedensten Stationen zu machen haben. Sie sollten also froh darüber sein, diese Chance nun eingeräumt zu bekommen, damit Sie auf der Palliativstation doch sicherlich ganz vorteilhafte Erfahrungen sammeln können, da ja für Sie als zukünftiger Hausarzt Ihr Klientel doch zum Großteil aus älteren Patienten bestehen dürfte.“ „Ich traue euch Weibern nicht. Du verheimlichst mir was. Euch sollte man alle in die Hölle schicken.“ Und während er wieder seine Wagentür öffnete, rief ich ihm noch zu: „Dann könnten Sie dort den mit Hörnern ausgestatteten Oberteufel spielen und jede Frau nach Lust bespringen!“ Dann knallte er die Wagentür zu und fuhr in seinem Sportcabriolet davon.

      Ich war über mich selbst verwundert, dass ich so keck sein konnte. So kennst du mich ja auch nicht. Übrigens Felicitas wird morgen operiert.

      Ach, wie schön wäre es, mal einen Mann kennen zu lernen, der nicht nur das weibliche Fleischliche als Wichtigstes im Kopf hat, sondern in ihr wie der junge Werther in jener Lotte vor allem das Seelische als das ihn Beglückendste erkennt.

      Ich schicke euch meine innigste Liebe. Eure Leo

      ***

       28.1.2014

       Meine geliebte Zwillingsschwester, meine Tara!

      Gestern ist Felicitas operiert worden. Heut Nachmittag gingen Elisabeth und ich zu ihr. Mit einem freudigen „Hallo!“ empfing sie uns. Sie hatte, wie sie sagte, schon auf unser Erscheinen gewartet. Wir nahmen zwei Stühle und setzten uns neben sie. Sie lag in einem Einzelzimmer der besten Kategorie, und wir streichelten abwechselnd ihre uns dargebotene linke Hand, nachdem wir bei der Begrüßung uns über sie gebeugt hatten, um ihr auf beide Bäckchen ein Küsschen zu drücken. Und auf unsere Befragung hin erzählte sie, dass alles reibungslos verlief und sie, nachdem sie durch die Spritze eingeschlafen sei, nichts von allem bemerkt habe, bis sie wieder in diesem Bett aufwachte. Der Professor hatte sie heute Morgen konsultiert und ihr gesagt, dass sie drei Tage hier liegen bleiben solle. Dann würde er sie für zwei Wochen krankschreiben. Und er erkundigte sich, ob sie in Berlin Angehörige habe, die sich um sie kümmern würden. Das hatte sie verneint, denn ihre Eltern wohnten in Mecklenburg. Sie werde, wie sie ihm mitteilte, die zwei Wochen sich in ihrer kleinen Wohnung in Steglitz erholen und ihre Zeit mit Bücherlesen verbringen. Und er erkundigte sich, was sie denn so lese. Und Felicitas hatte ihm gesagt, dass es sich um spirituelle Bücher handle, Bücher über Reinkarnation, Leben nach dem Tod und so weiter. Wir ließen uns von der Stationsschwester drei Tassen Kaffee bringen.

      Und während wir plauderten, kam der Professor herein. „Ah, Sie haben Besuch.“ Und er drückte uns beiden die Hand. „Ich kann Ihnen mitteilen, dass Dr. Dudszinski ab morgen auf eigenen Wunsch hin die Klinik verlassen wird. Er habe im Internet eine freie Stelle in einem Krankenhaus in der Lausitz gefunden, die er ab sofort antreten kann.“ Und zu Felicitas gewandt, sagte er: „Da Ihre unerwünschten Umstände von einem unserer Ärzte verschuldet worden ist, habe ich mir als Wiedergutmachung ausgedacht, Sie dadurch zu entschädigen, dass wir Ihnen einen zehntägigen Erholungsurlaub auf Gran Canaria schenken wollen. Alles dort in einem sehr schönen Hotel am Strand ist inklusive. Hier sind ihre Reiseunterlagen und die Hotelcoupons.“ Wir drei waren baff. Und Felicitas kamen die Tränen, streckte ihre Hand nach der seinen aus, drückte einen Kuss darauf und sagte: „Wir sind stolz darauf, unter solch einem vortrefflichen Klinikchef angestellt sein zu dürfen.“ Dann streckte er ihr seine andere Hand entgegen und sagte: „Hier habe ich für Sie ein Buch von einem amerikanischen Kollegen mitgebracht, den ich in Washington auf einem Kongress kennenlernen durfte. Sie werden sicherlich auf Gran Canaria Zeit finden, um da mal hineinzuschauen. Ich leihe es Ihnen für Ihre Reise aus.“ Felicitas nahm wieder seine Hand und setzte ein Küsschen darauf. Der Professor sagte, dass er morgen wieder hereinschauen würde, verabschiedete sich auch von uns und verließ das Zimmer.

      Wir waren derart überrascht, dass wir zuerst gar keine Worte finden konnten. Alsdann umarmten Elisabeth und ich das Glückskind Felicitas. Dann schauten wir auf das Buch: Brian Weiss - Die Liebe kennt keine Zeit - eine wahre Geschichte.

      Also ein Buch über eine Wiederbegegnung aus früherem Leben. Ich hatte schon darüber gelesen, dass es so etwas gibt. Und ich sagte zu ihr: „Wenn du zurückkommst von jener Sonneninsel, dann möchte ich dieses Buch auch lesen.“ Und sie meinte, vielleicht habe sie es ja noch vor ihrem Abflug durchgelesen. „Nein“, so sagte Elisabeth, „das soll deine Ferienlektüre sein. Dafür hatte er dir dieses Buch ausgeliehen.“ Wir beide verabschiedeten uns nun von der Operierten und versprachen, immer mal zwischendurch auf ihr Zimmer zu kommen.

      Wie waren wir froh, dass Dr. Dudszinski morgen unsere Klinik verlassen wird. Hoffentlich begegnen wir ihm nicht noch zufällig. Und Elisabeth meinte,


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