FASTENPREDIGT IN UNTERFILZBACH. Eva Adam

FASTENPREDIGT IN UNTERFILZBACH - Eva Adam


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geplant und es wäre ja eine großartige Investition in die Zukunft Unterfilzbachs.

      Florian Ganserer gehörte der liberalen Partei NaturPur an, die den Umweltschutz groß auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Berta Hinkhofer verwechselte die Parteimitlieder, die man umgangssprachlich auch als Naturpuristen bezeichnete, relativ oft mit den Naturisten, die bekanntlich den freien Körperkult lebten. Deshalb verwirrte Berta immer ihre Gesprächspartner während einer Diskussion über dieses Thema, wenn sie wieder von den »Nackerten« sprach, aber eigentlich die Parteimitglieder von NaturPur meinte. Hansi war jedes Mal komplett durcheinander, wenn Berta wieder über die Nackerten schimpfte. Aber Sepp hatte ihn dann einmal über Berta und ihr konsequentes Missverständnis aufgeklärt.

      Der Naturpurist Florian Ganserer hatte neben der Unterfilzbacher Energiewende natürlich noch andere Ideen für die Zukunft. Er war augenscheinlich absolut ein Idealist und lebte auf dem kleinen Einödhof Filzloh, fünf Kilometer außerhalb von Unterfilzbach. Vor drei Jahren war der gebürtige Münchner hierher gekommen und lebte ein für manche wohl sehr verwunderliches Leben. Auf seinem Bauernhof, den er allein bewirtschaftete, war alles sehr ökologisch. Er besaß nicht einmal eigene landwirtschaftliche Maschinen. Diese lieh er sich bei Bedarf von einem Öko-Maschinenring. Lediglich einen alten, auf Hybridtechnik umgerüsteten Traktor nutzte er regelmäßig. So was war den Unterfilzbachern, also dem Großteil davon, natürlich sehr suspekt. Sie kannten Ganserer nicht und er machte vieles anders, als sie es gewohnt waren, also musste logischerweise etwas an ihm faul sein.

      Bettina fand ihn jedoch sehr sympathisch und sie hatte sich mit dem durchaus attraktiven bärtigen Naturburschen Mitte dreißig schon des Öfteren an der Supermarktkasse unterhalten. Aber einige seiner Ideen waren auch nicht ganz ihr Fall. Der kostenlose Kindergartenplatz mit vegetarischem Essen war absolut akzeptabel. Sie rechnete ihm auch hoch an, dass er im Falle seiner Wahl auf ein Dienstauto verzichten würde, aber ein allgemeines Bade- und Duschverbot an drei Tagen die Woche, um die eigenen Wasserreservoirs von Unterfilzbach nicht auszubeuten, war für sie nicht ganz so genial. Es gab allerdings auch einige Dorfbewohner, die fanden eben gerade diese Idee hervorragend. Aber Bettina vermutete, dass genau dieser Personenkreis eine reduzierte Duschfrequenz sowieso schon seit Langem praktizierte, dem Geruch nach zu urteilen.

      Jedenfalls stand Florian Ganserer regelmäßig mit seinem auf umweltfreundlichem Papier gedrucktem Wahlprogramm im Eingangsbereich des KaufGut-Supermarktes und verteilte es fleißig. Er hatte eine sehr sympathische und geduldige Art. So manch ein Supermarktkunde blieb bei dem netten Florian stehen und unterhielt sich mit ihm, das konnte Bettina immer wieder von der Kasse aus beobachten. Gerade als Bettina mit Berta inmitten der Konversation steckte, postierte er sich wieder vor der Eingangsschiebetür. Berta verdrehte gleich die Augen, als sie ihn erblickte.

      »Da schau, da kommt er wieder, der Nackerte. Als wenn das ein gescheiter Bürgermeister wär. Schau ihn dir nur an mit seinem Bart und seinem karierten Hemd, nicht mal einen Anzug hat der bestimmt daheim. Und ich sag ja nur: Duschverbot! Lächerlich! Da würde ich ja lieber deinen Mann wählen, Bettina. Ich hab gehört, der Hansi ist sogar auf dem zweiten Listenplatz bei den UFOs.«

      RUMS! Als wenn Bettina einen Eimer kaltes Wasser ins Gesicht bekommen hätte. Was hatte Berta da gerade gesagt? Hansi war auf Platz zwei der UFOs? Also der Unterfilzbacher Objektiven, einer parteiunabhängigen Gruppierung, die auch wieder in den Gemeinderat einziehen wollte. Das war wirklich eine Nachricht, die Bettina erst einmal sacken lassen musste. In mehreren Gesprächen hatte sie mit ihrem Mann darüber diskutiert. Bettina fand ihn einfach nicht geeignet für diese Aufgabe. Nicht weil er zu dumm wäre, nein, das sicher nicht. Aber er musste sich vorbereiten, informieren, vieles hinterfragen und so weiter, wenn er es auch richtig machen wollte. Hansi hingegen sah im Moment eher nur den Mittelpunkt, in dem er dann stehen würde, und das gefiel ihm neuerdings. Die Parteien hatten ihn allesamt hofiert und bisher war er standhaft geblieben. Ist er jetzt doch umgefallen?, überlegte Bettina. Sie war sich sicher, dass Hansi gar nicht wusste, was da auf ihn zukam. Eigentlich hatte er ihr versprochen, das Thema abzuschließen und sich nicht auf eine Liste setzen zu lassen. Aber dieses »Rampenlicht« – auch wenn es nur das Unterfilzbacher war – schien ihn immer mehr anzuziehen, Bettina dagegen immer weniger. Sie war schon etwas frustriert. Die vergangenen Jahre hatte sich bei Bettina alles um die Familie gedreht. Sie war eine wirklich treu sorgende Mutter und Ehefrau. Aber die Kinder waren größer geworden und Bettina bekam dadurch langsam mehr und mehr Freiheiten. Endlich wollte sie nun auch ein wenig ihr Leben genießen, schauen, was es da noch so gab außer Kinderkrankheiten, Wäsche und Hausaufgaben. Sie wollte Abwechslung. Bettina war recht vielseitig interessiert, seit Jahren machte sie Yoga und versuchte einen ausgeglichenen Lebensstil zu verfolgen. Ein wenig Aufregung und Abenteuer würde sie schon begrüßen. Vielleicht kleinere Reisen, ausgehen, ins Theater, ins Kino, in Ausstellungen, in Museen, sie würde alles aufsaugen. Bettina wollte einfach raus aus dem alten Trott, auch einmal raus aus Unterfilzbach. Aber das alles wollte ihr Mann nicht und darüber wurde Bettina langsam, aber sicher immer unglücklicher.

      Beim Abendessen der Familie Scharnagl gab es heute zur Abwechslung einmal keine ayurvedische Kost. Bettina hatte so gar keine Motivation und die Stimmung würde später noch mehr in den Keller gehen. Heute Abend fuhr sie einfach kurz bei Maria Aschenbrenner, ihrer Freundin und Metzgereibesitzerin, vorbei und kaufte aus der Wursttheke, was sie gerade so anlachte.

      »Servus Bettina, was schaust du denn heute so zerdetscht? Bedrückt dich was?«, war Maria die schlechte Stimmung gleich aufgefallen.

      »Mei Maria, stell dir vor. Die Hinkhoferin hat mir erzählt, dass sich der Hansi jetzt doch für den Gemeinderat nominieren hat lassen. Bei den UFOs. Obwohl er mir versprochen hat, es nicht zu tun. Ich sag’s dir, der nervt mich langsam, aber sicher immer mehr«, war Bettina frustriert.

      »Ach Bettina, das tut mir leid. Aber wem sagst du das. Mir geht es nicht unbedingt besser. Lass uns doch mal wieder ein Gläschen oder vielleicht ein Flascherl Wein trinken. Wird eh wieder Zeit«, schlug Maria vor.

      »Ja gerne, meld dich einfach, wenn du kannst. Gibst mir noch 150 Gramm von dem geräucherten Schinken, bitte?«

      Während Bettina ihre Wurstbestellung mit Maria abwickelte, betrat Mandy Honegger die Metzgerei. Wobei »betrat« vielleicht nicht ganz das passende Wort war. Man konnte eher sagen, sie hatte einen Auftritt auf dem Metzgerei-Laufsteg.

      Mandy Honegger, 38 Jahre, bildhübsch und super gepflegt, mit einer toptrainierten Figur. Sie sah immer aus wie aus dem Ei gepellt. Bettina fragte sich ab und zu, wann sie wohl aufstehen würde, um so perfekt auszusehen. Aber dann fiel ihr wieder ein, dass Mandy ja keine Kinder und keinen Mann hatte. Sie hatte also Zeit, sich vollumfänglich nur um sich und ihr Aussehen zu kümmern.

      Vor etwa eineinhalb Jahren war sie plötzlich in Unterfilzbach aufgetaucht. Was man so hörte, war sie Hals über Kopf aus ihrer Heimat Zwickau zuerst nach Oberfilzbach gezogen. Sie hatte sich den sehr attraktiven Arzt Dr. Fuchs geangelt. Wahrscheinlich über das Internet, so machte man das ja heute. Dr. Frank Fuchs hatte viel von George Clooney, fand Bettina. Äußerlich passten die zwei auch wirklich gut zusammen. Zwei schöne Menschen, wie aus einer Model-Casting-Show. Dr. Fuchs war ein sehr netter Allgemeinarzt mit florierender Praxis in Oberfilzbach. Komischerweise hatte er aber immer noch keine Frau. Deshalb schmachteten ihn ziemlich viele seiner Patientinnen an. Überhaupt hatte sein Patientenstamm einen sehr deutlichen Frauenüberhang. Plötzlich tauchte dann Mandy auf der Bildfläche auf und zog mit Sack und Pack bei ihm ein. Allerdings nach zwei Monaten auch gleich wieder mit vollem Gepäck aus und landete dann in Unterfilzbach. Denn der belesene, tiefgründige und sozial engagierte Dr. Fuchs kam mit der doch recht oberflächlichen Art von Mandy Honegger nicht ganz klar. Das konnte Bettina absolut verstehen, sie empfand Mandy auch als sehr anstrengend. Sie war nicht unhöflich oder patzig, eher im Gegenteil. Sie war eigentlich von allem zu viel: zu übertrieben nett, zu freundlich, zu höflich, zu gut gelaunt, fast schon anbiedernd. So was war einem Bayern, der mit seinen Gefühlsäußerungen von Natur aus eher zurückhaltend war, grundsätzlich erst einmal sehr suspekt.

      Außerdem hatte Mandy noch ein kleines Handicap: Sie war Sächsin. Bettina hatte auch Freunde, die ursprünglich aus Sachsen oder Thüringen kamen, die mochte sie sogar sehr gerne. Sie hatte sicher keine Vorurteile, sie war schon eine weltoffene und ziemlich tolerante Frau,


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