GLÜHENDER SAND. Rachel Amphlett

GLÜHENDER SAND - Rachel Amphlett


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      Benji nickte und blickte über seine Schulter hinweg in Richtung der neuen Phosphat-Mine, von der sie gekommen waren und die gerade erst eröffnet worden war. »Bist du dir da wirklich sicher?«

      »Absolut«, antwortete Anna. »Du hast doch dieselben Unterlagen wie ich gesehen. Wir stecken in echt großen Schwierigkeiten.«

      Benji fluchte und stieß dabei ein leises Zischen zwischen den Zähnen aus. »Okay, dann lass uns packen.«

      Sie schulterten gleichzeitig ihre Reisetaschen und liefen dann schnell zu den provisorischen Gebäuden hinüber, die auf dem Gelände des für die Bauphase der neuen Mine errichteten Camps standen.

      Die Nachricht, dass ein neues Phosphat-Vorkommen entdeckt worden war, hatte Arbeiter von überall her angelockt, die allesamt zum Äußersten entschlossen waren, um in der Mine gutes Geld zu verdienen. Obwohl die Mine als eine Möglichkeit angepriesen wurde, die einheimische sahrauische Bevölkerung mit Arbeit zu versorgen und ihre Perspektiven zu verbessern, waren es in Wahrheit vor allem die im Ausland lebenden marokkanischen Arbeiter, die viele der angebotenen Stellen besetzt hatten und begierig darauf waren, mehr Geld über die Grenze nach Hause schicken zu können.

      Die Arbeiter waren alle im Hauptbereich des Minenlagers untergebracht, einer weitläufigen Ansammlung von quadratischen Hütten, die wie drei übereinandergestapelte Schiffscontainer aussahen und hoch über ihren Bewohnern aufragten, wenn diese bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zur Arbeit gingen und wieder zurückkamen.

      Die Westler, die bei der Minengesellschaft beschäftigt waren und auch ihre Gäste, waren allesamt in luxuriöseren Unterkünften im vorderen Bereich des Hauptlagers untergebracht worden.

      Anna ging durch den kleinen, abwechslungsreich gestalteten Garten, der von einigen Arbeitern in der Nähe des Eingangs zum Empfangsgebäude angelegt worden war, während ihr Verstand bei dem Versuch, ihre Angst unter Kontrolle zu halten, auf Hochtouren arbeitete.

      Rennen würde nur Aufmerksamkeit erregen, und das durften sie nicht riskieren, zumindest noch nicht.

      Bevor sie die Kühle des Empfangsbereiches erreichten, bogen sie nach rechts ab und passierten dann einen Torbogen.

      Dahinter umrahmten gelbes Gras und verkrüppelte Bäume eine Ansammlung von zwölf Bungalows. Beton- und Zinndachkonstruktionen, die fließendes Wasser und eine Klimaanlage boten, perfekt für die Nutzung durch die höheren Angestellten des Bauherrn und Gäste wie Anna und Benji, die nur kurzzeitig in der Mine zu tun hatten.

      »Warte«, sagte Benji und ergriff Annas Arm. »Bevor wir uns trennen …«

      »Was?« Sie runzelte die Stirn, als er in der Seite seiner Laptoptasche herumkramte.

      Er zog einen USB-Stick heraus. »Nimm du ihn, er enthält alles, was wir herausgefunden haben. Du kennst zwar die wichtigen Dinge, die Codes und alles, aber hiermit können wir die Beweise dokumentieren.«

      Annas Hand zitterte, als sie den Stick entgegennahm. »Was soll ich denn damit? Du hast doch auch alle Beweise auf deinem Laptop, oder?«

      »Ja, als Back-up. Ich hatte vor Ort keine Zeit, die Unterlagen auf deinen Laptop zu kopieren. Lade sie also sofort herunter, sobald du in deinem Zimmer bist …«, trug er ihr auf. Benji schluckte. »… falls du recht hast, und es passiert irgendetwas, wodurch wir getrennt werden.«

      »Hast du das auch als E-Mail an unsere Zentrale geschickt?«

      »Die Verbindung war schrecklich. Ich glaube aber, einiges davon ist trotzdem durchgekommen.« Er machte ein langes Gesicht. »Doch angesichts dessen, was wir wissen, kann ich nicht garantieren, dass die E-Mail sie erreicht und nicht vorher abgefangen wird. Ich habe den Verschlüsselungscode verwendet, von dem ich dir erzählt habe, aber …«

      Anna nickte. Keiner von ihnen war erpicht darauf, seine Ängste auszusprechen. »Bis gleich.« Sie steckte den USB-Stick in ihre Hosentasche und ging schnell auf den Bungalow am anderen Ende zu.

      Weil sich direkt neben der Rezeption die Bar befand und die marokkanischen Arbeiter die Tendenz hatten, nach einem Arbeitstag die Sau rauszulassen, hatte sie sich bewusst für eine Unterkunft entschieden, die so weit wie möglich vom Hauptgebäude entfernt lag.

      Die Bäume über ihr linderten die Hitze des Tages etwas, und nachdem sie die Stufen zu der hölzernen Veranda hinaufgestiegen war und ihren Schlüssel in das Türschloss gesteckt hatte, atmete sie erleichtert auf, als sie die Kühle der Klimaanlage umfing.

      Sie schloss die Tür hinter sich sorgfältig ab, schob den Sicherheitsriegel vor und ließ ihren Rucksack auf das Bett fallen, dann zog sie ihren Laptop aus dem Rucksack, meldete sich hastig an und steckte den USB-Stick ein.

      Während die Dateien hochgeladen wurden, blickte sie sehnsüchtig in Richtung Badezimmer, aber ihr war klar, dass sie sich den Luxus einer Dusche momentan nicht leisten konnte. Sie ließ das auffällige orangefarbene Hemd von den Schultern gleiten, ersetzte es durch ein einfaches schwarzes T-Shirt und band sich ein Sweatshirt um die Taille. Als Nächstes packte sie den Rest ihrer Kleidung ein, ohne sich Gedanken übers Zusammenlegen zu machen, und warf Shampoo und Sonnencreme in ihren Koffer.

      Es dauerte nicht lange, denn sie und Benji hatten nur drei Wochen im Land bleiben sollen, um eine Bilanzprüfung abzuschließen, die sie im relativen Luxus ihrer Rotterdamer Büros begonnen hatten.

      Ihr Blick schweifte nun zum Laptop-Bildschirm. Als der Download fertig war, schloss sie den Computer, zog den USB-Stick heraus und steckte den Laptop wieder in ihre Tasche zurück. Dann legte sie den Stick auf den Boden und zermalmte ihn unter ihrem Schuhabsatz.

      Sie sammelte die Einzelteile sorgfältig ein, ging dann schnell zum Badezimmer, wickelte sie in Toilettenpapier und spülte sie hinunter.

      Anna dachte an das Telefonat zurück, das sie vor zwei Stunden mit ihrem Vater geführt hatte. Als Benji an die Tür ihres zeitweiligen Büros geklopft und ihr die Daten auf seinem Laptop-Bildschirm gezeigt hatte, war sie von tiefer Panik erfasst worden, denn sie hatte sofort erkannt, dass sie viel mehr als nur einen einfachen Hackerdiebstahl aufgedeckt hatten.

      Sie war von ihrem Schreibtisch aufgesprungen und hatte die Tür zugeworfen, bevor sie und Benji eine hitzige Diskussion darüber geführt hatten, was sie als Nächstes tun sollten. Sie wusste, dass wer auch immer den Diebstahl durchgeführt hatte, wahrscheinlich auch einen Alarm ins System eingebaut hatte, der denjenigen bei unerwünschter Aufmerksamkeit warnen würde, und der angesichts der Komplexität des Datendiebstahls bestimmt auch in der Lage sein würde, ihren genauen Standort herausfinden zu können.

      Nach zehn Minuten hatte Benji ihrem Plan zugestimmt.

      Die Telefonverbindungen in der Westsahara waren leider notorisch schlecht, doch nachdem sie ihr Büro nicht hatten erreichen können, war es Anna wenigstens gelungen, ihren Vater in Arizona anzurufen. Als sie seine Stimme gehört hatte, waren ihr vor lauter Erleichterung die Tränen gekommen.

      Er hatte ihren Vermutungen zugestimmt und ihnen befohlen, so schnell wie möglich zu packen und zu verschwinden. Annas Vater hatte Verbindungen, und er würde alles in seiner Macht Stehende tun, damit sie jemand am Flughafen abholen und in Sicherheit bringen würde.

      Alles, was sie jetzt tun mussten, war, den Flughafen von Laâyoune zu erreichen.

      Seitdem hatte Anna versucht, ihn noch einmal anzurufen, um ihn auf den aktuellen Stand zu bringen, doch ihre Anrufe landeten immer direkt auf der Mailbox.

      Anna kehrte ins Schlafzimmer zurück, packte ihren Koffer zu Ende und schloss den Reißverschluss. Anschließend zog sie die Bettwäsche glatt und überprüfte das Zimmer noch einmal gründlich.

      Nichts wies mehr auf ihre Anwesenheit hin.

      Sie warf erneut einen Blick auf ihre Armbanduhr. Noch fünf Minuten, bis sie Benji treffen sollte.

      Nachdem sie vor drei Wochen auf dem einzigen internationalen Flughafen des besetzten Landes angekommen waren, hatten sie eine kleine Limousine gemietet, die seit ihrer Ankunft auf dem Parkplatz des Minenlagers stand. Anna wurde vor Angst schlecht, als sie daran dachte, dass der Motor eventuell


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