Was uns geblieben ist. Georg Markus

Was uns geblieben ist - Georg Markus


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Sein Enkel Eduard Strauss II. war ein weltweit anerkannter Dirigent, dessen Sohn Eduard Strauss ist Senatspräsident am Wiener Oberlandesgericht und Präsident des Wiener Instituts für Strauss-Forschung (und legt Wert darauf, dass der Name seiner Familie nicht »Strauß«, sondern »Strauss« geschrieben wird).

       Stammbaum der Familie Strauß (Auszug)

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      Um die Enteignung ihres Vermögens und persönlicher Gegenstände aus dem Nachlass von Johann Strauß zu »legalisieren«, startete das Kampfblatt Der Stürmer im Juni 1939 eine Hetzkampagne gegen die Stieftochter des Walzerkönigs: »Die Jüdin Meyszner ist in ihrem Äußeren, in ihrem Charakter und in ihrem Wesen geradezu der Typ der jüdischen Rasse. Sie ist von einer abstoßenden Hässlichkeit … Sie besitzt heute noch in ihrer Wohnung Gußhausstraße 12 eine Unmenge kostbarer Erinnerungswerte an die Künstlerfamilie Johann Strauß. Dem raschen Eingreifen der Behörden gelang es, diese großen Werte bei der Jüdin Meyszner zu beschlagnahmen. Es war auch höchste Zeit. Man war im Begriffe, diese Dinge in die Schweiz zu verschieben. Die Jüdin Meyszner aber hat damit bewiesen, dass diese Erinnerungsstücke für sie nicht etwa ›unantastbare Reliquien‹ sind, sondern lediglich eine Kapitalanlage, die man nach Bedarf veräußert. Sie hat damit auch jede Berechtigung über diesen erschwindelten Besitz verloren …«

      Die »Sammlung Strauß-Meyszner« wurde »sichergestellt« und als »Geschenk« in das Eigentum der Stadt Wien übertragen. In der Zweiten Republik vergingen fast sechzig Jahre, bis alle Gegenstände an die Erben von Alice Strauss restituiert waren. Im Jahre 2002 wurden sie von der Stadt Wien gekauft.

      ZWEI PORTIONEN TAFELSPITZ

       Die Stürgkhs und die Adlers

      Zwei österreichische Familien, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

      Die Stürgkhs wurden als kaisertreue Aristokraten 1638 in den Freiherren- und 1715 in den Grafenstand erhoben und trugen im 18. Jahrhundert dazu bei, die Thronansprüche des Hauses Habsburg zu sichern.

      Die Adlers sind sozialistischer Uradel, deren prominentestem Mitglied Victor Adler es gelang, die zersplitterte österreichische Arbeiterbewegung zu einen und 1889 die sozialdemokratische Partei zu gründen.

      Seit dem 21. Oktober 1916 sind die Namen der beiden Familien schicksalhaft miteinander verbunden. Der österreichisch-ungarische Ministerpräsident Karl Graf Stürgkh betritt an diesem Samstag – wie fast jeden Tag zu Mittag – den im ersten Stock gelegenen Speisesaal des noblen Hotels Meißl und Schadn auf dem Neuen Markt in der Wiener Innenstadt. Der 56-jährige Regierungschef setzt sich und bestellt Tafelspitz.

      Am Nebentisch sitzt Victor Adlers Sohn, der 37-jährige Friedrich Adler. Er hat sich für dieselbe Speise entschieden und nimmt danach noch eine Portion Zwetschkenkuchen. »Ich habe mir gesagt, wer weiß, wann ich wieder zum Essen komme«, wird er später bei der Gerichtsverhandlung erklären. Als Adler mit dem Nachtisch fertig ist, ruft er den Ober, begleicht seine Rechnung und erhebt sich. Er geht auf den Grafen Stürgkh zu und feuert aus einem Revolver drei Schüsse ab. Der Ministerpräsident ist auf der Stelle tot.

      Ein knappes Jahrhundert danach kennt man den Namen Stürgkh nicht so sehr durch den auf dramatische Weise ums Leben gekommenen Politiker als durch die Organisatorin des Wiener Opernballs. Ihr Urgroßvater war der Bruder des ermordeten Ministerpräsidenten. Desirée Treichl-Stürgkh selbst hat aus einem anderen tragischen Grund innerhalb ihrer Familie nur wenig von diesem Ereignis erfahren: »Als ich fünfzehn war, starben meine Eltern knapp hintereinander. Zuerst mein Vater an einem Herzinfarkt, ein halbes Jahr später meine Mutter an Krebs. Ich hatte also niemanden, der mir die Familiengeschichte nahe bringen konnte.«

      Der Oberkellner, Herr Grumbach, und mehrere zufällig anwesende Offiziere halten Friedrich Adler, als die Schüsse gefallen sind, bis zum Eintreffen der Polizei fest. Danach lässt sich der Attentäter widerstandslos festnehmen und legt ein Geständnis ab.

      •Der Täter. Friedrich Adler kam 1879 in Wien als Sohn des Arztes und Politikers Victor Adler zur Welt, studierte in Zürich Physik und lehrte dort nach seiner Promotion als Privatdozent. Er heiratete die Russin Katarina Germanisskaja, mit der er zwei Töchter und einen Sohn hatte, die zum Zeitpunkt der Tat noch im schulpflichtigen Alter waren. 1909 bewarb sich Friedrich Adler gleichzeitig mit Albert Einstein, dem er seit der gemeinsamen Studienzeit freundschaftlich verbunden war, an der Universität Zürich um die Stelle eines außerordentlichen Professors für theoretische Physik, verzichtete dann jedoch zugunsten Einsteins. Als dieser zwei Jahre später an die Universität Prag wechselte, schlug er Adler als seinen Nachfolger vor, der zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits politische Ambitionen zeigte. Er kehrte nach Wien zurück und wurde Parteisekretär der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, als der er sich stets vehement gegen den Eintritt Österreichs in einen Krieg aussprach.

      •Der Vater des Täters. Victor Adler bricht, als er von der Tat seines Sohnes erfährt, zusammen. Er ist 64 Jahre alt und schwer herzkrank. Als Spross einer wohlhabenden Prager Kaufmannsfamilie 1852 in Prag geboren, studierte er in Wien Medizin, wo er sich zunächst den Deutschnationalen um Georg von Schönerer anschloss, die er jedoch wegen deren wachsendem Antisemitismus verließ und dem Arbeiterbildungsverein beitrat. 1878 lernte er im Café Griensteidl seine Frau Emma Braun kennen, die ein Jahr später den gemeinsamen Sohn Friedrich zur Welt brachte. 1883 eröffnete Victor Adler in der Berggasse 19 eine Arztpraxis, in der er acht Jahre lang als »Armeleutedoktor« ordinierte, ehe er sie an Sigmund Freud weitergab. Da er nie Honorare verlangte, verlor er dadurch sein Vermögen und musste das vom Vater geerbte Haus verkaufen. Obwohl er zum Zeitpunkt des Attentats ein schwer kranker Mann ist, entschließt sich Victor Adler, für seinen Sohn zu kämpfen, indem er – auch als Zeuge vor Gericht – behauptet, dieser hätte in plötzlicher Geistesverwirrung gehandelt. Das schien ihm die einzige Chance, sein Leben zu retten, andernfalls hätte ihn die sichere Todesstrafe erwartet.

      •Das Opfer. Karl Graf Stürgkh, 1859 in Graz zur Welt gekommen, gehörte der Gruppierung der Großgrundbesitzer im Reichsrat an. Der studierte Jurist wurde zunächst als Unterrichtsminister ins Kabinett geholt und 1911 zum Ministerpräsidenten ernannt. Stürgkh regierte ab 1914 unter Ausschaltung des Reichsrats autoritär und ignorierte jegliche Forderung der Opposition nach Wiedereinberufung des Parlaments. Nach Stürgkhs Tod ernannte Kaiser Franz Joseph den bisherigen Finanzminister Ernest von Koerber zu seinem Nachfolger. Es war dies eine seiner letzten Amtshandlungen – der Kaiser starb vier Wochen nach dem Attentat, am 21. November 1916, im Alter von 86 Jahren.

      Karl Stürgkh hinterließ keine Kinder. Er war nie verheiratet – laut Familienüberlieferung deshalb, weil er ein derart treuer Diener seines Herrn gewesen sei,


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