Überfall der Bären. Kayla Gabriel
mit ihrer Mutter zu streiten.
„Meine Aufgabe, der Mann der mein schicksalhafter Partner sein soll …”
„Ja, ja“, sagte ihre Mutter und wedelte mit der Hand. „So finden alle Erinyes ihre Männer, so treffen sie die Entscheidung ganz an ihre Macht zu kommen.“
„Naja, die Anbeterin, die uns um Rache gegen ihn gebeten hat, ist eine ehemalige Liebhaberin.“
„Als sie zu uns gebetet hat, habe ich ihre Stimme so klar wie eine Glocke gehört, ihre Geschichte ist mir direkt ins Herz gegangen. Sie sagte, dass er ihr Herz gebrochen hat, dass er ein gefühlsloser Bastard ist, all diese Sachen. Aber …“
Tisiphone schnaubte lachend.
„Du bist neugierig geworden“, argwöhnte ihre Mutter. „Du wolltest etwas über diesen Mann wissen, diesen Menschen.“
Allise spürte, wie ihre Wangen rot wurden.
„Ich wollte wissen, ob er so schrecklich ist, wie sie es dargestellt hat. Wie kann das Schicksal mich mit so einem Monster verkuppeln?“
„Und was hast du gefunden, meine Tochter?“ Tisiphone neigte ihren Kopf, ein böser Hinweis an Belustigung lag in ihrer Stimme.
„Das Mädchen hat gelogen. Sie hat versucht ihn auszutricksen, mit ihm zu schlafen und ihm zu sagen, dass sie schwanger sei, obwohl es nicht stimmte. Er hatte sie abgewiesen und sie hat uns diese falsche Geschichte mitgeteilt. Wie kann das sein, Mutter?“
Tisiphone presste ihre Lippen aufeinander und ging durchs Zimmer, ihre Verlässlichkeit auf ihren Stock schien sie teilweise vergessen zu haben. Die alte Frau war genau das, ein Schauspiel; Tisiphone war weitaus stärker, als sie vorgab.
„Die Gerechtigkeit in unserer Welt fließt nur in eine Richtung. Allisandre. Unsere Anbeter rufen uns und wir rächen sie. Weiter gibt es nichts, kein Ausgleich von Waagen oder Verurteilungen darüber, wer recht hat und wer nicht. Wie oft muss ich das noch erklären?“ Ihre Mutter hielt inne. „Du hast den Mann gesehen, dein Schicksal. Du findest ihn hübsch oder?“
Allise wurde noch röter. Sie war ihm gefolgt, das stimmte. Sie hatte sich in den Bäumen versteckt und beobachtet, wie er im Fluss badete, hatte die nackte Pracht des fremden Wikingers gesehen. Er war groß und muskulös und hatte einen intelligenten Blick und etwas an ihm zog sie an.
„Ja“, gab sie zu.
„Schäm dich nicht, Allisandre. Er soll dich verführen. Das ist Teil des Rituals, das Opfern von etwas, was du wirklich willst. Du bist noch unschuldig, getäuscht von einem gutaussehenden Sterblichen. Das ist der Anfang deiner Erschaffung, dein Aufstieg zur Gottheit.“
Allise öffnete ihren Mund, aber ihre Mutter hielt sie mit einer Geste auf.
„Du hast hier keine Wahl, Allisandre. Töte ihn und erhebe dich zu deinem vollen Potenzial oder du lässt Erebus für immer hinter dir. Du wirst keine ganze Erinye sein, solange der Mann lebt, du wirst immer schwach und mit Fehlern behaftet sein.“ Sie machte eine Pause. „Komm mit mir.“
Ehe Allise noch zwinkern konnte, schnappte ihre Mutter ihre Hand und transportierte sie von ihrem Zuhause an den Toren der Unterwelt in die echte menschliche Welt, an einen Ort für den Allise sich schämte, ihn so gut zu kennen.
Sein Zuhause. Es war ein schlichtes Ein-Zimmer-Cottage, mit hellgrünem Moos auf dem Dach und einem fackelnden Feuer auf dem Herd. Er stand vor dem Feuer, ihr Wikinger, und starrte in die Flammen, als wenn sie die Geheimnisse der Welt preisgeben würden. Zeus Atem, aber er war wirklich schön; sein robuster Körperbau und seine gemeißelten Züge raubten ihr den Atem, obwohl sie kein einziges Wort miteinander gesprochen hatten.
Wenn sie ihn nur ansah, klopfte ihr Herz bereits. Allise bekam Panik, war unvorbereitet ihn zum ersten Mal in solchen Umständen zu treffen. Aber er schien es nicht zu merken, er nahm einen Schluck von einem Becher mit Honigwein und grübelte vor sich hin, während er auf das Feuer starrte.
„Ich habe es ganz einfach gemacht, meine Tochter. Er kann uns nicht sehen, er kann uns nicht hören. Nimm das“, sagte ihre Mutter und hielt ein grausam aussehendes Messer aus Eisen hoch. „Beende die Aufgabe jetzt, genau jetzt. Er wird nicht klüger werden. Er ist sterblich, eine Handvoll Jahre werden für ihn keinen Unterschied machen.“
„Nein”, sagte Allise und ihr Magen brannte. Sie warf einen Blick auf ihn, ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals. „Ich kann das nicht.“
„Du musst. Wenn du schon keine Göttin werden willst, dann rette dein eigenes Leben. Du kennst die Regel. Wenn du ihn nicht tötest, dann wird er dich töten. Es ist unvermeidbar. Töte ihn jetzt“, befahl ihre Mutter und überreichte Allise das Messer. „Nutze das Messer, nutze einen Fluch, was immer du willst. Sing für ihn, wenn du musst.“
Sie bezog sich auf Allises besonderes Talent, eine Stimme in ihr, die auf die menschliche Welt losgelassen wurde, brachte Freude oder Tod oder alles andere, was sie sich wünschte. Sie hatte als Kind eine Stadt niedergerissen, als sie das erste Mal ihr tödliches Lied gesungen hatte. Allise biss die Zähne zusammen und versuchte das zu tun, was von ihr verlangt wurde. Sie hob ihre linke Hand und zog eine dunkelblaue Kugel aus Macht hervor und zog den Willen hervor, ihn zu töten. Im letzten Moment, gerade als sie die Kugel auf ihn zuwarf, gab sie nach. Die Kugel flog und verwandelte sich in ein blendendes goldenes Licht, das alles in der dunklen Hütte beleuchtete. Als die Kugel ihn traf, konsumierte sie ihn wie Flammen, die auf einen trockenen Strohhalm trafen. Er schrie, seine Haut veränderte sich, aber er verbrannte nicht …
Er verwandelte sich.
„Idiotin!“, zischte Tisiphone und griff Allises Arm und zog sie weg. Sie flohen durch die Tür und konnten nichts anderes tun, außer zuzusehen.
Der Mann fiel auf seine Knie, krümmte sich, während sein Körper sich streckte und veränderte und sich verdoppelte, verdreifachte und vervierfachte an Größe. Während er schrie, platzten goldglitzernde Schuppen überall auf und bedeckten seine Haut, sein Gesicht veränderte sich in etwas Kaltes und Tierisches, seine Arme verlängerten sich, bis sie große Flügel wurden. Allise und Tisiphone wichen zurück, als sie größer und größer wurden und die Mauern des Hauses zerbrachen.
Allise zuckte zusammen, als sein Körper sich noch einmal veränderte und an seiner Stelle einen riesigen Drachen hinterließ, der aus heißer geschmolzener Goldfarbe war.
Ihr Fluch war angekommen, aber ihre Unsicherheit hatte ihn verändert. Ihn verwandelt. Sie hatte ihm eine ganz neue Form gegeben.
Der Drachen stieß ein Brüllen aus, Feuer spie aus seinem Mund, er war auf jeden Fall böse. Als die Bewohner des kleinen Dorfes auf die Straße zu strömen begannen, hob Allises Mutter ihre Hand und ließ einen Zauber los, sie machte das Dach weg und ließ den Drachen mit einem Flackern von blauem Licht entkommen. Als er weg war, lag der Mann auf dem Boden, auf einer Seite gekrümmt, nackt und zitternd.
„Schau ihn dir an, Tochter. Für das hast du dein Leben weggegeben. Das ist das letzte Mal, das ich fragen werde. Töte ihn jetzt, ehe er seine Stärke wiedergewinnt.“ Bei Allises verzweifeltem Ausdruck griff ihre Mutter ihren Arm und gab ihr einen harten Schubs. „Rette dich selbst! Diese Art mit dem du ihn verflucht hast, ist ein echter Fluch. Seine Art wird bis zum Ende der Welt gejagt, sie können nicht unter den Sterblichen leben. Und du kannst nicht riskieren, den Fluch zu beseitigen, oder dich selbst zu verlieren. Jede Erinnerung an alles was du liebst, wird aus deinen Gedanken entfernt.“
Allise schüttelte ihren Kopf, ihre Gedanken wirbelten. Sie entzog sich dem Griff ihrer Mutter und wusste nicht, wo sie hin sollte, was sie tun sollte.
„Er wird dich nie wollen, Allisandre. Beende deine Aufgabe und komm nach Erebus zurück. Wähle den richtigen Ort“, presste ihre Mutter zwischen den Zähnen hervor.
„Kann ich nicht“, Allises Wörter fühlten sich wie Steine an, und verbrannten die zarten Bande zwischen ihnen. „Du musst ohne mich gehen. Ich werde einen anderen Weg finden.“
„Du bist nicht meine Tochter”, schwor ihre Mutter und verschwand mit einem Wirbeln