Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman. Viola Maybach

Der kleine Fürst Jubiläumsbox 6 – Adelsroman - Viola Maybach


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einander abwechselten bei der Pflege – aber es kam immer öfter vor, dass Charlotta sagte: »Lassen Sie mich das machen, ich weiß, wie meine Großmutter es am liebsten hat.«

      Tatsächlich erwies sich Charlotta als durchaus begabte Pflegerin. Zu ihrem Vater hatte sie am Telefon gesagt: »Ich gehe mit ihr um wie mit Eduard, wenn er bockig ist, Papa, das klappt wunderbar.« Ludwig hatte sich am anderen Ende der Leitung beinahe verschluckt vor Lachen, aber seine Tochter hatte es ganz ernst gemeint.

      »Aber ich hasse es, Klamotten einzukaufen«, sagte sie. »Ich mag diese Läden nicht, und…«

      »Keine Läden«, lächelte Helena. »Nachher kommt eine reizende junge Dame mit einem Auto voller Kleidung, und das wirst du hier unter meinen und ihren Augen anprobieren, Schätzchen.«

      »Omi!« Charlotta hätte nicht entsetzter aussehen können, aber Helena ließ sich nicht erweichen.

      »Reg dich gar nicht erst auf, denn es nützt dir sowieso nichts, Charly! Außerdem darfst du, wenn wir beide allein sind, weiterhin so herumlaufen, wie es dir beliebt, das verspreche ich dir.«

      »Du legst mich herein«, beklagte Charlotta sich. »Du bist krank und schonungsbedürftig, und das nutzt du aus, um mich unter Druck zu setzen. Findest du das nett von dir?«

      »Nicht besonders«, gab Helena zu, »aber ich habe keine Wahl, denn ohne Druck wirst du dich niemals anders kleiden als jetzt, habe ich Recht?«

      Widerwillig nickte Charlotta.

      Und dann kam die angekündigte junge Dame mit dem Auto voller Kleider. Robert half ihr, sie ins Haus zu tragen, in Helenas Zimmer. Die junge Dame hieß Esther Waldorf und erwies sich als völlig normale junge Frau, die zu Charlottas Freude sogar Jeans und T-Shirt trug, worin sie allerdings, anders als Charlotta, elegant aussah.

      »Hallo, ich bin Esther«, sagte sie zur Begrüßung und drückte Charlotta kräftig die Hand. »Wollen wir gleich loslegen? Ihr Großmutter sagte mir, Sie brauchen eine völlig neue Garderobe.«

      »Omi!«, rief Charlotta anklagend. »Ich BRAUCHE überhaupt nichts! Du willst, dass ich Kleidung kaufe, das ist etwas völlig Anderes.«

      »Wir fangen mit den sportlich-eleganten Sachen an«, befahl Helena, ohne auf den Einwurf ihrer Enkelin zu achten. Und so begann »die Modenschau«. Wann es anfing, hätte Charlotta hinterher nicht mehr zu sagen gewusst, aber nach einer bestimmten Zeit merkte sie, dass sie Spaß an der Sache bekam. Ob es daran lag, dass Esther keinerlei Sachen mitgebracht hatte, die ihr nicht gefielen? Jedes einzelne Stück war von schlichter, klassischer Eleganz, es gab nichts Verspieltes oder Niedliches – was Charlotta sofort rundheraus abgelehnt hätte. Aber nein, alles, was Esther ihr präsentierte, war einfach zeitlos schön und dabei doch modisch. Auch an Schuhe hatte sie gedacht – und obwohl sie zierlich wirkten, waren sie keineswegs unbequem.

      Schließlich wurde noch Robert dazugerufen, damit auch er seine Meinung kundtat, und sein Gesichtsausdruck machte Charlotta vielleicht am deutlichsten, wie sehr sie sich unter Esthers kundigen Händen verändert hatte. Die junge Frau hatte ihr nämlich kurzerhand die wilde Lockenpracht locker aufgesteckt, was zusammen mit den neuen Kleidern ein völlig neues Erscheinungsbild ergab, und so rief Robert bei Charlottas Anblick aus: »Das glaube ich nicht! Sind Sie das wirklich, Charly?«

      Charlotta nickte. Wenn sie ehrlich war, fand sie ihr Spiegelbild selbst ziemlich beeindruckend. Blitzartig schoss ihr der Gedanke an Armin von Thaden durch den Kopf. Was hätte er wohl gesagt, wenn er sie so hätte sehen können? Schade, dachte sie, dass es dazu nicht kommen wird.

      »Fein!«, sagte Helena und klatschte in die Hände. Sie sah so gesund aus wie seit langer Zeit nicht mehr, mit ihren rosig angehauchten Wangen und den glänzenden Augen. »Jetzt braucht sie noch einen anständigen Haarschnitt, was meinen Sie, Esther?«

      Aber nun legte sich Charlotta quer. »Nein!«, rief sie leidenschaftlich. »Ich ziehe vielleicht mal einen von diesen Röcken oder sogar ein Kleid an, wenn du es unbedingt willst, Omi – aber an meine Haare lasse ich niemanden. Die bleiben, wie sie sind!«

      Unerwartet kam ihr Esther Waldorf zu Hilfe. »Sie sind wunderschön – und wenn es etwas gebändigter aussehen soll, Frau von Isebing«, sagte sie zu Helena, »dann kann man sie zum Pferdeschwanz binden oder aufstecken. Auch ein lockerer Knoten sähe sicherlich sehr hübsch aus.«

      »Aber sie wirken so wild«, murrte Helena. »Können wir sie nicht wenigstens ein bisschen kürzen, Charly?«

      Charlotta blieb jedoch hart, und in diesem Punkt setzte sie sich durch.

      Als Esther Waldorf sich verabschiedet hatte, lächelte Helena und fragte: »War es nun so schlimm, wie du befürchtet hast?«

      »Nein«, gab Charlotta zu. »Aber das kostet doch furchtbar viel Geld, Omi! Und zu Hause ziehe ich die Sachen garantiert nicht an. Du hättest das nicht tun sollen.«

      »Doch!«, entgegnete Helena. »Auch wenn du einiges davon vielleicht nie anziehst: Allein dein Anblick war mir die Sache wert, Charly. Ich habe immer gewusst, dass du eine schöne junge Frau bist – aber jetzt habe ich es wenigstens einmal GESEHEN!«

      »Du übertreibst«, erwiderte Charlotta verlegen. »Schön bin ich bestimmt nicht.«

      »Wenn du das nicht siehst, hast du keine Augen im Kopf, Kind! Geh noch einmal zum Spiegel und sag mir, was du dort siehst. Na? Da steht Charlotta von Isebing, Schätzchen, eine außerordentlich attraktive junge Frau, die sich bisher durch ihr ungehobeltes Verhalten viele Chancen verbaut hat.«

      Charlotta fuhr wie der Blitz herum. »Was für Chancen denn? Fängst du jetzt auch auf einmal an, mir zu sagen, dass ich Eindruck auf Männer machen soll?«

      »Ach, sagt das jemand?«, wunderte sich Helena.

      Aber Charlotta ärgerte sich bereits, dass ihr diese Bemerkung herausgerutscht war. So war sie froh, dass das Telefon ihr Gespräch unterbrach. Rasch nahm sie ihre alten Sachen und verließ das Zimmer ihrer Großmutter, um sich umzuziehen. Als sie in ihre alten Jeans und das ausgewaschene und ausgeleierte T-Shirt schlüpfte, seufzte sie vor Wohlbehagen.

      Anders sah sie vielleicht besser aus, aber sie würde bald wieder auf Gut Isebing sein, da war elegante Kleidung vollkommen überflüssig!

      *

      »Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen, Rosalie«, sagte Peter nach seiner Rückkehr in die Stadt. »Ihr Bruder ist ein sehr sympathischer Mann.«

      »Seltsam«, lachte Rosalie, »Armin hat das Gleiche von Ihnen gesagt.«

      »Das freut mich«, erklärte Peter. »Was hat er denn sonst noch gesagt?«

      »Dass Ihre Schwester seinetwegen zu Ihrer Großmutter geflohen ist. Könnten Sie mir das mal ein

      bisschen genauer erzählen? Er will nicht so richtig heraus mit der Sprache.«

      »Nicht seinetwegen, eher wegen einer dummen Bemerkung meiner zweitjüngsten Schwester. Sie hat Charlotta vor Ihrem Bruder bloßgestellt, das war nicht nett von ihr.« Er beschrieb die Szene, die zu Charlottas Abreise geführt hatte.

      »Das war wirklich nicht nett«, fand Rosalie. »Weshalb hat Ihre Schwester Sara sich so verhalten? Mag sie Charlotta nicht?«

      »Manchmal denke ich, es ist Eifersucht, weil Charlotta das Küken ist und noch bei unseren Eltern wohnt. Außerdem ist sie diejenige, die am engsten mit dem Gut verwachsen ist. Vielleicht wollte sich Sara aber auch nur wichtig machen – sie hat einen Hang dazu. Und ich glaube, dass Ihr Bruder ihr gefällt.«

      »Und er? Wie reagiert er auf sie?«, fragte Rosalie neugierig. »Davon hat er nämlich nichts erzählt.«

      Peter dachte nach. »Also, mir ist nichts aufgefallen«, gestand er endlich. »Ich glaube, er hat überhaupt nicht auf sie reagiert.«

      »Überhaupt nicht?«, fragte Rosalie ungläubig. »Ist sie hübsch? Sara, meine ich?«

      »Sehr hübsch, ja. Und sie weiß, wie sie das zur Geltung bringen muss, sie arbeitet in einem exklusiven Modeladen.«

      »Interessant.


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