Dramen. Friedrich Maximilian Klinger

Dramen - Friedrich Maximilian Klinger


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      JULIE. Tust du das?

      FRANZ. Die Gemeinschaft, die darinnen liegt –

      JULIE. Lieber Franz, alle Abend tu ich das, und ich denk immer, vielleicht sieht dein Franz jetzt hin. Da kann ich weinen, ich weiß nicht, wie's kommt, aber ich kann weinen!

      FRANZ. Sanfte Liebe, kannst du das? Willst du diesen Abend nach dem Mond sehen? Gegen elfe geht er auf. Willst du hinsehen? Der heutige Tag verspricht Mondhelle und Sternenhimmel.

      JULIE. Ich will. Ich werde dich dort sehen, meine Harfe nehmen, und dir ein feierliches Lied singen. Gegen elfe such ich dich dort.

      FRANZ. Sobald er dasteht, und alles heilig – ich schau nach dir.

      JULIE. Adieu, Lieber! sei gut, Lieber!

      FRANZ. Ich müßte dich nicht gesehen haben.

      JULIE. Nimm leichtes Blut; laß dich alles nicht so stark angehen! du machst dir und allen Verdruß, die dich lieben.

      FRANZ. Lebe wohl! Küßt sie.

      JULIE. Gegen elfe such ich dich.

      Zweite Szene

      Louis. Hofmeister.

      HOFMEISTER. Herr Graf; gewiß Sie ruinieren sich. Wollen Sie denn diese Nacht schon wieder schwärmen? Ihre Leidenschaften sind so heftig –

      LOUIS. Schweigen Sie still! Nehmen Sie mein Blut, das flammende Feuer, das alles, was in mir braust! Können Sie das ungestüme Meer aufhalten, Herr Hofmeister? Halten Sie mir nur ein rasches Pferd auf, und Sie sollen ein Mann sein! Was kann Ihr Predigen helfen? Wenn Sie zu den Leidenschaften sagen: »Tobt nicht«; ist's eben, als sagten Sie zum Wind, »stürme nicht!«

      HOFMEISTER. Aber bedenken Sie nur, Sie schwächen sich den Körper, ruinieren Ihre Gesundheit.

      LOUIS. So?

      HOFMEISTER. Können sich böse Krankheiten an Hals ziehen.

      LOUIS. Was schwatzen Sie? Meinen Sie, ich werfe mich so weg? Und schlimm genug, daß man keine bessere Einrichtungen macht. Was, man sollte einem von Jugend auf lehren, das Vergnügen mit Moderation zu genießen, und nicht durch unaufhörliches Verbot die Nerven reizen. Hättet Ihr mir nicht immer vorgepredigt, hättet mich lieber zu einem Mädchen laufen lassen, wenn ich den Ruf fühlte; würde ich jetzt Maß und Ziel brauchen? Und wenn soll ich die Welt genießen; jetzt, oder nach den Jugendjahren?

      HOFMEISTER. Ich muß es dem Herrn Graf berichten.

      LOUIS. Das können Sie. Ich seh überhaupt nicht, wozu wir einander mehr nützen. Die Universitätsjahre sind doch vorbei. Sie können meine Leidenschaften nicht vertragen, wie Sie's nennen, wofür ich dem Himmel dank, daß ich sie hab; was nutzt, sagen Sie mir nur! was nutzt mir Ihre Metaphysik, Ihre Geisterlehre und alles? Meinen Sie denn, ich wollte mir den Kopf vollpfropfen mit dem Zeugs? Was hier liegt, seh ich: was gehen mich Ihre Philosophen und Monaden alle an? Kurzum, ein Mädel ist mir lieber, als das all.

      HOFMEISTER. Graf Louis, Sie sind auf dem Weg ein Bösewicht zu werden von der schlimmsten Sorte. Leider sah ich das gleich ein; mußte mich der Mangel zu so was treiben?

      LOUIS. Ich hätt Sie nimmer gebraucht, und Sie hätten was anders tun können. Lesen Sie den »Hofmeister«, wie ich schon hundertmal sagte.

      HOFMEISTER. Ich hab's getan. Man kann den würdigsten Stand beschimpfen.

      LOUIS. Nein, Herr! es ist heilige Wahrheit. Ein Mensch kann immer Brot finden auf eine andre Art. Es soll mir keiner vor die Augen kommen, der jahrelang Hofmeister war, oder wohl gar zweimal. Er ist kein Mensch mehr.

      HOFMEISTER. Wenn mir's nicht am Herzen läge, Ihnen edle Gesinnungen beizubringen – Hören Sie mich doch! Genießen Sie; aber nur mäßig!

      LOUIS. Ich sag noch einmal, hättet Ihr mir eine Mätresse gehalten, da es in mir anfing aufzuwachen, wär's gutgegangen. Und sollt ich einen Buben haben, soll er in seinem sechzehenden Jahr eine haben, und sich nicht peinigen oder gar verderben.

      HOFMEISTER. Abscheuliche Lehren! ich muß es dem Grafen sagen.

      LOUIS. Tun Sie's doch nur, und gehn Sie! Sie sehen, wir können uns nicht vertragen. Sagen Sie nur, wie kann man gelassen bleiben? Von den frühsten Jahren ist man ums Frauenzimmer, sieht die schönsten Gestalten immer vor sich, wächst dabei auf, und die hervordringende Begierde – ihr kommt denn, wollt sie zurückhalten.

      HOFMEISTER. Der Schwache nur unterliegt der Begierde.

      LOUIS. Da haben wir wieder den Hofmeister mit einem kalten Satz aus der Moral! Wie seht ihr Leute denn die Menschen an? Wie ein Junge, der auf die Reutschule kommt, wilde rasche Pferde sich bäumen sieht, die er gerne reuten möchte. Da wundert sich der Laffe, daß sie nicht stillstehn, ihn aufnehmen und fortschleppen. Geht Euren Eselsgang, wenn Ihr träges Blut habt, wundert Euch nur nicht über andere, die Feuer haben!

      HOFMEISTER. Es ist doch nicht lange, daß ich in Ihren Jahren war, und wußte mich zu halten.

      LOUIS. Sie waren auch Hofmeister, verkauften Ihre Leidenschaften und Begierden, schwuren aufs Brot, Sie wollten's vergessen, Sie wären Jüngling. Gewiß, ich hätt's nicht getan, hätt ich auf den Taglohn schreiben sollen.

      HOFMEISTER. Bedenken Sie nur Ihren Stand, und was aus Ihnen werden soll!

      LOUIS. Und was denn? Was liegt dran? Soll ich fasten bis dahin; nicht Mensch sein, Ihre jämmerliche Philosophie anhören, wovon ich nichts versteh und begreife?

      HOFMEISTER. Wir können was anders nehmen.

      LOUIS. Ich hab jetzt was – nur den Gedanken erreicht – Adieu Herr Hofmeister. Ab.

      HOFMEISTER. Was hab ich gesündigt, daß ich das all ertragen muß? Sag ich was zum Grafen? Ich sollte besser achtgeben, dafür wär ich da. Und mit seinem Erzählen überm Tisch – kein Wunder, ich schöß mir eine Kugel vorn Kopf, der Marter loszukommen. Stirbt nicht bald ein Amtmann, so ist das noch mein Ende.

      Dritte Szene

      Nacht.

      FRANZ am Fenster. Meine Julie! lieblich! – ich such dich dort; mein Herz hat dich gefunden, die Reise ist kurz dahin für die Liebe. Ich seh dich, fühl dich dort, ich hör deinen süßen Harfenklang. Diese Ruhe übers große All ausgebreitet – Liebe! Liebe! – Still, Natur, allenthalben still! strahlen deine Augen dort herab, verdunkle den hellen Schimmer. Ich werf dir Küsse zu, du gibst mir sie wieder. Heilige Nacht! – ich muß an deinem Fenster lauschen; Liebe! Liebe! lauschen.

      Vierte Szene

      JULIE am Fenster. Franz! willkommen Franz, und tausendmal! Die Glock hat elfe geschlagen, da bin ich schon. Dort steht der Mond. Franz, willkommen am hellen Mond, und dem gestirnten Himmel! Meine Seele schwebt um dich, ist nur du, alles still, nur die helle Stimme der Nachtigall meiner lieben Nachbarin. Franz, ich red mit dir, hör deine Antwort – Hin, hin, mein Herz!

      Fünfte Szene

      Straße.

      FRANZ dem Haus gegenüber. Lieblich, Nachtigall, ist dein Gesang ohne Minnas Lied. Liebe, laß dich sehen, verdunkle den Glanz des Monds! Liebe, erscheine doch! Man hört Harfe und Gesang. Schweig, Nachtigall; Harfenklang und Engelsstimm! Todesstill! – Seligkeit kommt herab, und ist in mir. Ich will mich auf diesen Stein setzen; den Tag erwarten; Paradies ganz um mich! still! Dauert fort.

      JULIE am Fenster. Meinen Lieben an den Sternen suchen! Franz, denkst du meiner? Lieber, hörtest du das Lied? Dir sang ich's, meine Augen gerichtet nach dem Mond, such ich dich.

      FRANZ. Minna, meine Liebe, rede!

      JULIE. Betrügt mich meine Phantasie; hör ich was?

      FRANZ.


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