Love Crash - Der Traum vom Neubeginn. Andreas Suchanek

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nicht eingehalten worden war. Diese Wohnung repräsentierte Chaos und Ordnung, Liebe und Geborgenheit.

      »Jetzt musst du ein paar Schritte gehen, damit ich auch durch die Tür passe«, erklang eine Stimme direkt neben Julies linkem Ohr.

      »Hetz ein armes Unfallopfer nicht«, gab sie zurück.

      »Oh, schau. Dort vorne ist eine Fliege. Jetzt nicht noch mal stolpern.«

      Melissa prustete los und Cullen handelte sich den nächsten Ellbogenstoß ein. Keuchend wich er einen Schritt zurück. »Warte nur ab, auf der Pizza beim morgigen Filmabend liegen Sardellen.«

      Julie hasste Sardellen.

      Leise kichernd schob er sich an ihr vorbei in Richtung Küche.

      Beinahe wäre sie erneut in Tränen ausgebrochen, als sie die Muffins entdeckte, die dort ein kleines Plakat auf dem Tisch umrahmten. »Willkommen daheim« stand darauf. Sie ignorierte die Tatsache, dass ›jemand‹ eine winzige Fliege daneben gemalt hatte. Gemessen an den überragenden Zeichen- und Schreibkünsten war das Mister Football gewesen.

      »Ihr seid so süß.«

      Prompt folgte eine Gruppenumarmung, bei der sie beide Freunde behandelten, wie das rohe Ei, das sie war.

      »Okay, setzen, ich mache Tee und Kaffee.« Melissa übernahm das Kommando.

      Cullen sank auf einen der Stühle und schnappte sich einen Muffin. »Lecker«, mampfte er zwischen Krümeln hervor.

      Und das waren sie wirklich. Blaubeer-Kirsch gebacken von ihm selbst.

      »Was hat der Arzt gesagt?«, fragte Melissa, während sie den Wasserkocher anschaltete und die Kaffeetiera auf die Herdplatte stellte.

      Da war er wieder, der Stich schlechten Gewissens. »Die Hämatome heilen in den nächsten Wochen ab, bis dahin soll ich aufpassen. Aber es spricht nichts dagegen, ab morgen die Vorlesungen zu besuchen.«

      »Was natürlich auch total wichtig ist«, kommentierte Melissa.

      Dass die Klinik alle Daten zu ihrer Ärztin schickte, damit Julie dort kommende Woche ein weiteres Blutbild machen lassen konnte, erwähnte sie nicht. Bisher handelte es sich letztlich nur um ›asymptomatische Entzündungswerte im Blut‹, hatte Doktor Zimmerman gesagt.

      Er wollte sie nicht beunruhigen, aber sie sollte das erneut überprüfen lassen. Nein, mögliche Gründe wolle er jetzt nicht aufzählen.

      »Julie muss dringend zurück in die Vorlesung«, erklärte Cullen nachdrücklich, wobei die Krümel seines Muffins durch die Luft flogen. »Wie soll sie sich denn sonst bei Luca bedanken? Wo er doch so nett war.«

      Das Muffinpapier traf Cullen an der Stirn, was er mit einem frechen Lachen quittierte. Julie fragte sich immer wieder, wieso er noch single war. Sein lausbubenhaftes Grinsen, der athletische Körper … Aber auf Nachfragen erklärte er stets, dass er nach wie vor auf der Suche wäre und Sport aktuell vorging.

      Melissa verteilte die Tassen auf dem Tisch und schenkte ein. Seufzend sank sie auf einen Stuhl, schnappte sich einen Muffin und begann ebenfalls zu futtern. »Ich soll dir viele Grüße von deiner Mum ausrichten. Sobald du wieder daheim bist, kannst du sie anrufen.«

      »Meine Mum?« Ganz langsam ließ Julie den Muffin sinken.

      Es war völlig klar, weshalb ihre beste Freundin das Wort ›kannst‹ extra betont hatte. Der Anruf war keinesfalls optional.

      Schuldbewusst sah Cullen zu ihr herüber. »Richtig, das wollten wir dir noch sagen. Wir haben sie angerufen.«

      »Ihr habt was?!« Julie fuhr kerzengerade auf, nur um vor Schmerz aufzustöhnen. »Das habt ihr nicht!«

      »Ein bisschen«, gab Cullen kleinlaut zu.

      »Mach doch kein Drama daraus, Jules.« Melissa winkte ab. »Ich weiß gar nicht, was du hast. Sie klang nett. Du rufst sie zurück und erklärst, dass alles wunderbar ist. Ein Lächeln von dir durch die Leitung und sie storniert das gebuchte Zugticket.«

      »Sie hat eines gekauft?!«

      »Möglicherweise hat sie so etwas angedeutet«, erwiderte Melissa unschuldig. »Aber wir kriegen das hin. Überhaupt kein Problem.«

      »Das sagt ihr nur, weil ihr sie nicht kennt. Sobald sie eine Woche Cullens Zimmer okkupiert, seht ihr das anders! Habe ich euch nicht genug Geschichten erzählt?!«

      »Mein Zimmer?«

      »Willst du sie auf der Couch schlafen lassen?«, hakte Julie diabolisch nach.

      »Nein, das wäre wohl unhöflich.«

      »In mein Bett kann sie leider nicht, weil ich ja Hämatome habe. Und du als Gentleman …«

      Cullen schluckte den letzten Rest seines Muffins hinunter. »Ruf sie an. Sofort! Die Couch ist ungemütlich, sie kann ruhig zu Hause bleiben. Wir kümmern uns um dich.«

      Wäre die Situation nicht so gefährlich, hätte Julie gelacht. Doch mit ihrer Mum war nicht zu spaßen. Die Frau war eine Urgewalt, die wie ein Tornado durch das Leben anderer fegte und es dabei völlig umgestaltete. Wenn sie dann mit einem Lächeln in den Zug stieg, mussten die Betroffenen sich von dem Schleudertrauma erholen.

      »Du gehst jetzt in dein Zimmer«, befahl Melissa. »Entspann dich, ruf deine Mum an und dann willst du doch bestimmt die Vorlesungsunterlagen durchsehen. Ich habe dir Kopien auf den Schreibtisch gelegt.«

      Und schwups, war der Kaffee vor ihr verschwunden.

      Sie hatte wohl einen guten Job gemacht, als sie den beiden Angst vor ihrer Mum gemacht hatte. Zu gut. Cullen nickte auffordernd.

      »Ihr seid schreckliche Freunde.«

      Mit einem bösen Blick verschwand Julie in ihrem Zimmer.

      Ihr Zimmer!

      Sonnenlicht fiel durch das Fenster in den Raum, das fast die gesamte Front einnahm. Das Bett war zwei Meter breit. Sie hatte es vom Sperrmüll. Cullen hatte ihr dabei geholfen, das Holz abzuschleifen. Nur deshalb stand es hier, weil es nichts gekostet hatte. Gegenüber an der Wand stand der Schreibtisch, der bereits Teil des Zimmers gewesen war, als sie es bezog. Vierundzwanzig Quadratmeter, auf denen sie im hektischen Großstadtdschungel Ruhe fand.

      »Also schön, du kannst das. Du bist erwachsen und lebst dein eigenes Leben.« Das Smartphone wog schwer in ihrer Hand. Ein Riss durchzog das Saphirglas, ein Andenken an den Unfall.

      Sie wählte die Nummer.

      »Julie!«, brüllte es ihr aus dem Hörer entgegen. »Wieso rufst du mich erst jetzt an? Wie geht es dir? Bist du noch im Krankenhaus? Deine Freundin ist ganz schön … direkt, wie ist das Zusammenleben mit ihr? Nun sag doch was, Kind.«

      »Hallo Mum. Ich bin jetzt erst wieder daheim. Ich …«

      »Sie haben dich über Nacht dabehalten? Das ist kein gutes Zeichen! Gib mir mal den Namen deines Arztes, ich rufe ihn an. Wieso fährst du in New York überhaupt mit dem Fahrrad? Wozu habt ihr eine U-Bahn?«

      »Hast du nicht gesagt, dass man dort ständig ausgeraubt wird?« Julie versuchte gar nicht erst, alle Fragen zu beantworten. In der Regel musste sie sich nur eine aussuchen und mit der Antwort kamen fünf weitere.

      Sie ging vorsichtig zum Fenster, neben dem ein großer Ohrensessel stand. Ebenfalls eine Sperrmüllrettung. Stöhnend sank sie hinein.

      »Was ist los? Geht es dir nicht gut?« Die Tonlage ging wieder in die Höhe. »Walther Warren, unserer Tochter geht es nicht gut.«

      »Was ist los?«, erklang die Stimme ihres Dads. »Ist sie schon wieder daheim? Auf YouTube sah das so aus, als müsste sie länger im Krankenhaus bleiben.«

      »Da hat er recht«, bestätigte ihre Mum. »Kind, das war ganz fürchterlich. Aber wenigstens gab es da diesen stattlichen jungen Mann, der dir geholfen hat. Luca Jackson heißt er.«

      Julie fuhr kerzengerade in die Höhe. »Woher weißt du das?!« Aua, das hatte


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