Lautstark verliebt. Regina Mars

Lautstark verliebt - Regina Mars


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nickten. Nathan drehte sich um und sah Kor fragend an.

      »Kommst du mit?«

      Er hatte sich geirrt. Nathan war in Ordnung.

      »Ja«, sagte Kor.

      1.8 Kor

      Eine Stunde später saß er in einem halbdunklen Raum, lehnte den Rücken an die Wand und hörte Nathan und Marcel beim Spielen zu.

      Die Bierflasche in seinen Händen war schon warm. Sein zweites Bier. Mehr traute er sich nicht zu. Er fühlte sich seltsam. Zerbrochen. Blöd und dumm. Er wünschte, Mina wäre hier und würde ihm erklären, was er tun sollte. Er musste sie morgen anrufen. Vielleicht wusste sie, was gegen dieses Gefühl half. Aber Minas Herz war nie gebrochen worden, oder?

      Trotz allem fühlte er sich stärker. Dankbar. Er hatte einen Ort, an dem er die Nacht überstehen konnte. Eine überhitzte Zweizimmerwohnung, in der Leute herumstanden und soviel rauchten, dass die Decke aussah, als wäre dort eine Schäfchenwolke festgeklebt.

      Aber er mochte es hier. Sehr. Da waren Musik und andere Leute, mit denen er über Musik reden konnte, beziehungsweise solche, die ihm etwas über Musik erzählen konnten.

      Von der Decke tröpfelte es. Ab und zu erwischte ein Tropfen Kondenswasser seinen Nacken und rollte unter sein Shirt. Marcels Wohnung hatte bekritzelte Wände und eine Toilette, in die er sich nie wieder trauen würde. Nein, er sollte wirklich bei einem Bier bleiben.

      Dane und Sheron dachten anders darüber. Die waren Bier holen gegangen und hatten sich in der Küche verquatscht, soweit er das sehen konnte, aber das war ihm auch recht. So konnte er hier sitzen und in Selbstmitleid baden. Und Nathan und Marcel zuhören. Soweit er das beurteilen konnte, waren sie gut.

      Es war faszinierend, wie Nathans Bass und Marcels Gitarre zusammen klangen. Wild und rau und doch melodiös. Nathan gab den Takt vor und Marcel spielte darum herum. Er erinnerte sich, dass Charles ihm angeboten hatte, ihm das beizubringen und sein Kopf sank auf seine Knie. Hatte Charles schon das Interesse an ihm verloren? Er hatte ihm eben nicht mal zugenickt.

      Halb wünschte er sich, Charles würde plötzlich zur Tür hereinkommen. Wieder wie vorher sein, ihn umarmen und ihm irgendetwas ins Ohr flüstern, erklären, was die beiden da spielten und worauf er achten sollte, um es besser zu verstehen und … Er schluckte den Kloß hinunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte.

      Die Musik hörte abrupt auf.

      »Ich geh pissen. Bis gleich.« Marcel stand auf und legte seine Gitarre vorsichtig auf die Holzdielen.

      »Brauchst du Hilfe?« Nathan grinste und Marcel lachte laut auf.

      »Keine Chance, Kleiner. Wenn ich auf Männer stehen würde, dann nur auf welche mit fetten Eutern.«

      »Ich kann zunehmen«, schlug Nathan vor.

      Marcel lachte nur noch lauter und verließ das Zimmer. Nathans Blick streifte durch den Raum und blieb an Kor hängen. Der zuckte unwillkürlich zusammen, als die hellen Augen ihn fixierten.

      »Kor.« Nathan lächelte träge und er hatte das Gefühl, dass er besser einen Keuschheitsgürtel mitgenommen hätte. Charles hatte ihn vor Nathan gewarnt, oder? Er wollte nicht … Also Nathan war attraktiv, aber er wollte nur mit Charles … Äh, hatte der gerade was gesagt?

      »Äh, was?«, fragte Kor.

      »Komm her«, wiederholte Nathan und deutete mit dem Kinn auf Marcels Gitarre. »Spiel was.«

      »Ich?!« Kor schlang die Arme um seine Knie. »Nein! Nein, das … Ich spiel nie vor Leuten. Ich kann das nicht. Echt nicht. Nie.«

      Nathan legte den Kopf schief und musterte ihn.

      »Charles hat dich spielen gehört. Er meinte, du wärst gut. War völlig hin und weg von dir.«

      Trotz allem, was passiert war, breitete sich ein warmes Gefühl in Kors Magen aus.

      »Hat er das?« Er lächelte wässrig.

      Nathan wirkte wie eine Katze, die überlegt, ob ihre Beute eine Maus oder ein Vogel ist. Als könnte er sich nicht entscheiden, was er von Kor halten sollte.

      Schließlich streifte er den Bass ab, stand auf und setzte sich neben Kor. Er kramte eine Zigarette aus seiner Hosentasche und zündete sie an. Kor beobachtete ihn misstrauisch. Eben war Charles noch da gewesen, um ihn zu schützen, aber nun … Er würde auf sich selbst aufpassen müssen. Entschlossen straffte er sich.

      »Charles meint, ihr hättet euch auf seiner Arbeit kennengelernt«, sagte Nathan. »Stimmt das?«

      »Ich habe Cher… meine Gitarre zur Reparatur gebracht.«

      »Aha. Und dann habt ihr euch total gut verstanden und er hat dich ins Smokes mitgeschleppt?«

      »Ja, so in etwa.« Kor nickte. Was sollte er sonst sagen?

      Nathan schien zu überlegen.

      »Magst du ihn?«, fragte er schließlich. Kors Fingernägel gruben sich in die Handflächen.

      Ruhig bleiben, dachte er. Ganz ruhig.

      »Ja, ich meine … Er ist in Ordnung.« Fast glaubte er, dass es klappte. Seine Stimme war gelassen und frei von jeglichem Zittern. »Es war nett, dass er mich mitgenommen hat. Auch wenn er jetzt weg ist.«

      »Ja, der Idiot.« Irgendwie wirkte Nathan verstimmt.

      Er nahm einen tiefen Zug und stieß einen Rauchring aus. Einen großen, der durch die Luft waberte wie ein betrunkener Hula-Hoop-Reifen. Dann schoss er einen kleinen hindurch.

      »Das war super!« Kor war begeistert, trotz allem. »Wie machst du das? Schaffst du auch drei?«

      Nathan warf ihm einen Blick zu, der selbst für Kor unmissverständlich war. Oh nein. Das war eindeutig ein Schlafzimmerblick.

      »Wenn ich's schaffe«, schnurrte er, »darf ich dir dann zeigen, was ich mit meinem Mund noch alles anstellen kann?«

      Was?

      »Nein!« Kor rückte von ihm ab. »Nein, ich … Nein danke. Das ist sehr freundlich von dir, aber … Bitte nicht.«

      »Schade.« Nathan schüttelte bedauernd den Kopf.

      Aber er bedrängte Kor nicht, sondern stand auf und schlenderte in die Küche. Als Kor ihn das nächste Mal sah, lehnte er engumschlungen mit einer fülligen Blonden an der Flurwand und küsste sie. Kurz darauf waren sie verschwunden.

      Kor blieb. Irgendwann fand er, dass er sich genug bemitleidet hatte und ging in die Küche. Marcel und Sheron erzählten ihm von einem legendären Konzert, bei dem sie sich versehentlich gegenseitig die Nasen gebrochen hatten.

      Dann leerte es sich auch hier. Sie setzten sich an den Tisch und Sheron schlief an seine Schulter gelehnt ein. Kor traute sich nicht, sich zu bewegen, bis sie eine Stunde später wieder aufwachte.

      Und schließlich war der Morgen da und mit ihm der erste Bus und er konnte endlich nach Hause fahren.

      1.9 Kor

      Gähnend schloss er die Haustür auf. Der vertraute Geruch der Wohnung schlug ihm entgegen. Eine Mischung aus Parkettpolitur und Frühlingstraum-Weichspüler. Die Luft hier war stickig, aber angenehm warm.

      Endlich ausruhen, dachte er. Endlich verkriechen und sich ausheulen, weil er so blöd gewesen war, zu denken, dass …

      »Korbinian!« Seine Mutter stand im Flur. »Wo warst … Was hast du da an?«

      »Äh.« Schreckstarr sah er sie an. Was machte sie hier? Sie hatten doch bis nachmittags wegbleiben wollen. »Papas Jacke?«

      »Das sehe ich.« Ihre perfekt gezupften Augenbrauen hoben sich. »Und der Rest?«

      »Gekauft«, murmelte er. Trotzig. »Ich …«

      »Schatz,


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