FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns

FREMDE HEIMAT - Petra E. Jörns


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bis diese erschöpft abwinkte. Die einzige Abwechslung war Hayes, die um die Mittagszeit seine Werte überprüfte und Kuosmanen daraufhin die Nasensonde entfernen ließ und Alan die erste feste Nahrungsaufnahme erlaubte. Er wünschte sich Marmeladentoast, den Kuosmanen ihm brachte, obwohl er nicht unbedingt Hayes’ Vorstellungen von Alans Speiseplan entsprach. Aber Kuosmanen schien es zu mögen, Alan einen Gefallen zu tun. Sie rang ihm sogar ein Lächeln ab, als sie am Nachmittag wieder zusammen trainierten. Als Dean ihn abends besuchte, war Alan wesentlich besser gelaunt als am Tag zuvor.

      Am nächsten Morgen hetzte ihn Hayes durch eine Reihe von Untersuchungen, deren Ergebnisse sie anscheinend nicht beanstanden konnte.

      »Kann ich gehen?«, fragte er, nachdem sie die CT- und Blutgaswerte ein zweites Mal kontrolliert hatte.

      »Sie wollen es ja nicht anders.«

      »Sie kennen meine Antwort.«

      »Dadurch wird sie nicht vernünftiger.«

      Alan schluckte eine Erwiderung hinunter und ließ die Beine über den Rand der Liege baumeln. »Also, was ist? Kann ich gehen?«

      Mit frostiger Miene stopfte Hayes die Hände in die Taschen ihres Kittels. »Ihre Werte sind einwandfrei. Aber eine Psycho- oder Verhaltenstherapie brauchen Sie trotzdem.«

      »Ich glaube, das erübrigt sich.«

      »Wie Sie meinen.« Hayes zuckte mit den Schultern.

      Aber als Alan von der Liege rutschen wollte, hielt sie ihn fest.

      »Nicht so eilig. Ich möchte Ihre Blutwerte überwachen können, wenn Sie die Krankenstation verlassen haben.«

      Nur mit Mühe schaffte Alan es, nicht zu explodieren. »Ich nehme nicht an, dass ich das verhindern kann«, knirschte er.

      »Nein, das können Sie nicht.«

      »Worauf warten Sie dann noch?«

      »Legen Sie sich wieder hin«, sagte Hayes und zog einen der Rolltische zu sich heran.

      Wortlos gehorchte Alan und studierte die Stahldecke der Krankenstation. Kälte breitete sich an der Stelle auf seinem Bauch aus, an der Hayes ein Desinfektionsmittel aufsprühte. Dann spürte er einen Stich. Als er an sich hinabblickte, entdeckte er, dass ein dünner Schlauch aus seiner Bauchdecke ragte. Bevor er sich wundern konnte, was die Ärztin vorhaben könnte, führte sie das Ende des Schlauchs in eine kleine Schachtel mit einer Leuchtdiode ein, die sie mit einem Streifen Klebefolie auf seiner Haut befestigte.

      »Der Sender wird mir stündlich ihre Kalium-, Harnstoff und Cystatin-C-Werte übermitteln.«

      Automatisch wanderte Alans Hand zu dem Fremdkörper, doch Hayes schob sie beiseite. Argwöhnisch setzte er sich auf und begutachtete den Sender.

      »Wozu?«

      »Um mich rechtzeitig zu warnen, falls Ihre Nieren geschädigt wurden.«

      »Und wenn es so wäre?«

      »Dann werden wir uns wieder auf der Krankenstation sehen, bis ich die Gefahr eines Nierenversagens ausschließen kann.«

      Dann werden Sie hierbleiben, hörte er aus ihren Worten. Mehr wollte er nicht wissen. Ohne ihr noch einen Blick zu gönnen, sprang er vom Bett.

      »Wo sind meine Sachen?«

      »Mister Benton wird sie Ihnen bringen.«

      »Ich warte.«

      Einen Herzschlag herrschte Schweigen.

      »Alles Gute«, sagte Hayes.

      Aber Alan kehrte ihr den Rücken zu und wartete, bis er hörte, dass sie den Raum verlassen hatte.

      Als Alan endlich die Tür zu seiner Kabine hinter sich schloss, war er am Ende seiner Kräfte. Seine Beine fühlten sich an, als seien sie aus Pudding. Mit einem Stöhnen ließ er sich aufs Bett fallen und starrte ins Dunkel. Seine Hand fand den Silikonball, den Hayes ihm geschenkt hatte und den er zwischen seinen Kleidern entdeckt hatte, die Benton ihm gebracht hatte.

      Mit einem Fluch warf er den Ball an die Wand und legte die Unterarme auf sein Gesicht. Zwar hatte er es geschafft, die Krankenstation zu verlassen, aber Hayes ließ ihn immer noch nicht von der Angel. Und der Krail-on-Frau war er damit keinen Millimeter nähergekommen.

      Nachdem auf Syrakuse die fünfte Missernte in Folge verzeichnet wurde, steht die irdische Wirtschaft vor dem Bankrott. Eine Kolonisierung weiterer Planeten scheint unumgänglich, nachdem die unabhängigen Kolonien auf dem Mars und auf Paradise ihre Tore für die Auswanderungswilligen geschlossen haben. Die irdische Agrarwirtschaft ist dem massiven Bevölkerungsdruck nicht mehr gewachsen.

      Dennoch können wir die Entscheidung des Marssenats und des Rats auf Paradise nicht als feindlichen Akt einstufen. Bei klarer Beurteilung der Situation muss jedem klar werden, dass die mäßig ausgebildete Infrastruktur auf Paradise durch eine Vergrößerung der Bevölkerung mit neuen Kolonisten zusammenbrechen muss. Ein Kollaps wie auf Syrakuse stünde zu befürchten, der weder der Erde noch den Kolonisten auf Paradise von Nutzen wäre. Und auch die Marskolonie steht am Rande des Ruins, in den sie durch die jahrzehntelange Ausbeutung durch irdische Erzkonzerne getrieben wurde.

      Kolumne im Wirtschaftsteil der Washington Post

      5.

      

      

      

      Mit einem Stöhnen stemmte sich Alan in die Höhe, schleppte sich ins Offiziersgemeinschaftsbad und stützte sich auf einem der Waschbecken ab. Es dauerte eine Weile, bis er es wagte, den Kopf zu heben, um einen Blick in den Spiegel zu riskieren. Der Mann, der ihn daraus anstarrte, war ihm fremd. War der Preis, den er zahlen musste, wirklich das Ergebnis wert? Benommen lauschte er auf seinen Herzschlag, bis er die Kraft fand, sich wieder zu regen.

      Seine Finger bebten so sehr, dass er es kaum schaffte, das Wasser anzustellen. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht, ließ es über seinen Oberkörper laufen. Es nutzte nichts, sich etwas vorzumachen. Er vertrödelte Zeit. Er zwang sich, nach dem Rasierapparat zu greifen, und widmete sich gründlich den Stoppeln in seinem Gesicht. Danach zog er sich aus, warf die Kleider in den Schacht für die Schmutzwäsche und stieg unter die Dusche, darum bemüht, seinen Handlungen den Anschein von Normalität zu verleihen. Das warme Wasser auf seiner Haut schaffte es, die Erinnerung an die Krankenstation zu vertreiben.

      Als er sich abtrocknete, blieb er am Datensender hängen. Mit einem Fluch feuerte das Handtuch in die Ecke und schlug gegen die Wand, dass es schmerzte. Wieder und wieder. Er wollte nicht sterben. Der Gedanke würgte ihn. Nach Atem ringend hielt er inne und legte die Stirn an die Wand. Eine Weile stand er so, bis ihm klar wurde, dass er vor Kälte zitterte. Mit einem Stöhnen stemmte er sich von der Wand ab, wandte sich wieder dem Waschbecken zu und putzte sich die Zähne.

      Gott, was machte er hier eigentlich?

      Der Knoten in seinen Eingeweiden wollte sich nicht lösen. Nur mit einem Handtuch bekleidet schlurfte er zurück in sein Quartier, suchte sich im Dunkeln frische Kleider heraus und zog sie an. Als er die Hand nach dem Öffnungsmechanismus des Schotts ausstreckte, zitterte sie so sehr, dass er innehielt. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.

      Er hatte Angst. Angst davor, die Brücke zu betreten. Angst davor, in die Augen der anderen zu blicken. Er wollte kein Mitleid.

      Sie wussten es nicht. Niemand wusste es, außer Mabuto und Hayes. Und die würden es für sich behalten.

      Er holte tief Luft und drückte auf das Panel. Es war Zeit, sich der Angst zu stellen.

      Vor dem Schott zur Brücke zögerte er erneut. Es zu öffnen, kostete ihn all seinen Mut.

      »Alan!«

      Dean entdeckte ihn als Erster, als er eintrat. Er packte Alan an der Schulter,


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