Das Sprechen der Wände. Dankmar H. Isleib
Hitlers Autobahn. Gebaut für Panzer. Heute befahren von zwei Deutschen unterschiedlicher Gesellschaftssysteme, die, beschaut man die beiden Fahrzeuge genauer, auch eine unterschiedliche Auffassung von Luxus haben. Faschistischer Beton. Bindeglied zwischen Ost und West. Trennung zwischen Ost und West. Demarkationslinien. Keiner darf sie überschreiten. Es wird sofort geschossen. Und nicht nur das. Unsere Hupen weinen, drücken die Wehmut aus, die uns bei der nächsten Abfahrt, die ich nehmen muss, anfällt. Jeder weiß, dass der andere an ihn denkt. Und was er denkt. Wehmut, aber auch Freude. Denn mit unserem Mut haben wir sie wieder ein kleines bisschen angeschmiert. Sie, die Machthaber der Zone, die sich DDR nennt.
Rolf brachte uns wieder einmal unschätzbare Güter: Grass, Böll, Dürrenmatt. Lenz und Solschenizyn, Andreij Sacharov. Rolf brachte mir und Freunden stets ein Stück Freiheit. Verbotene Freiheit. Lesen macht frei. Und ist gefährlich. Denn: Solschenizyns „Krebsstation“ einem Freund zu leihen, ist, nach ostzonalem Gesetz, Staatsfeindliche Hetze (§§ 104, 105, 106 DDR-StGB) und kann bis zu fünf Jahre Zuchthaus einbringen. Sacharows „Wie ich mir unsere Zukunft vorstelle“ ebenfalls. Das Verbreiten staatsfeindlicher Literatur zählt in dem Unrechtsstaat zu den größten Verbrechen. In einem Staat, der von sich stets und ständig beteuert, dass die Menschen in ihm frei seien wie nirgendwo anders auf der Welt. Mit Ausnahme der Sowjetunion, versteht sich. Frei von der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Lächerlich. Gehört die Freiheit des Geistes nicht zur Freiheit? Ist es eine Ausbeutung, wenn man sie dem Menschen zu nehmen versucht? Darf man wirklich nicht lesen, was den Herrschenden nicht genehm ist?
Danke Rolf! Du bist so mutig. Würden nur mehr deiner Mitbürger, Deutsche, dich besser verstehen, so denken und handeln wie du. Leider denken die meisten nur an Apfelsinen und Kaviar.
Mit den Büchern im Gepäck bin ich der Größte. Der King! Meine Freunde beneiden mich um meinen Freund aus dem Westen. Sie fiebern nach den Schätzen, die ich jedes Mal mitbringe. Schätze, die nicht mit Geld aufzuwiegen sind. Heute sind es mehr als vierzig wichtige, sehr wichtige, interessante, aufschlussreiche Bücher gewesen, die die Grenze nicht ganz legal passierten. Denn Wissen ist Macht. Zu den Wenigen gehören, die mitreden können. Sich aus der Masse lösen können, um der Masse zu helfen. Die Bücher machen in einem straff geplanten Zyklus eine riesige Runde. Quer durch die ganze Ostzone, von Greifswald nach Dresden, Berlin, Leipzig, Magdeburg, Jena, Halle – groß ist sie ja nicht, die „sozialistische A-und-B-Republik“, aber die Zeit rennt. Quasi von Freund zu Freund. Still und machtvoll. Dank Rolf! Wochen und Monate wird nun diskutiert, an einem eigenen Lebensbild gebastelt. An einem Lebensbild, das, mit jedem aufgesaugten Buch, immer genauere Formen annimmt. Den Horizont erweitert. Befreit aus den Klammern des Nichtwissens, des Vorenthaltens.
Gespräche.
Klammern, die unser Leid lindern.
Wenigstens einige Menschen haben, mit denen man reden kann!
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.