Verdammt magisch. Regina Mars

Verdammt magisch - Regina Mars


Скачать книгу

      »Ein bisschen. Vor allem haben wir die Theorie gelernt. Das durfte ich.«

      »Das hat deine Mami erlaubt, ja?« Norman schüttelte ungläubig den Kopf. »Nicht nur adlig, sondern auch noch aus dem Nördlichen Flussland. Toll. Da kommen die größten Weicheier her, und weißt du, warum? Weil da fast nie Monster angreifen.«

      Etwas Seltsames geschah mit Lauchi. Er straffte sich. Da war keine Wut in seinen Zügen, doch zumindest … milde Verärgerung.

      »Mein Vater wurde von einem Eismonster gefressen«, sagte er und sah Norman direkt in die Augen. Der wusste nicht, was er sagen sollte.

      »Ach so«, stammelte er schließlich. »Wie?«

      »Er hat unsere Ländereien verteidigt, mit den Magiern zusammen. Meine älteste Schwester war auch dabei. Sie sagt, sie hätte nichts gesehen, aber … danach hat sie sich eine Woche lang in ihrem Zimmer eingeschlossen.« Seine Stimme klang rau und krächzig.

      »Oh.« Norman rieb seinen Nacken. »Das war hart für dich, was?«

      »Ich habe ihn gar nicht richtig kennengelernt«, murmelte Lauchi. »Das hätte ich gern. Alle sprechen sehr gut von ihm, aber ich war erst zwei Jahre alt, als es geschehen ist. Ich kann mich nicht an ihn erinnern.«

      Norman, der seinen Vater ebenfalls nie kennengelernt hatte, wollte gerade etwas sagen, als die Tür aufgerissen wurde. Ein Moppel in grün schillernder Seidenmontur und mit glänzenden Locken marschierte herein. Er hielt inne, als er sah, dass im Raum kein Platz für ihn war.

      »Junger Herr!«, polterte er und Lauchi schaute plötzlich richtig glücklich. »Dieses Loch ist nicht Ihr Gemach, hoffe ich?«

      »Doch, ist es, Nørdington.« Lauchi sprang auf und nahm dem Kerl die große Kiste ab, die er in den Händen hielt. »Sind das meine Habseligkeiten? Vielen Dank, dass Sie sie herbringen.«

      »Nun, ich hätte sie früher gebracht, aber die Institutsmitarbeiter haben es erst jetzt erlaubt.« Nørdington schaute, als hätte man ihm zwei saure Gurken in die Nasenlöcher gesteckt. »Für ihren Zimmergenossen steht ebenfalls etwas auf dem Flur.«

      Er sah Norman von oben herab an. Der setzte seine beste Türsteher-Miene auf und gewann das Blickduell. Dann sprang er auf und drängte sich an dem Diener vorbei.

      All seine Besitztümer lagen in der großen Obstkiste im Flur. Die Zivilklamotten, für die er schon fast zu breit war, eine Zahnbürste, Schuhcreme, drei zusammengerollte Poster und ein Stapel Groschenromane. Er klemmte die Kiste unter einen Arm und zwängte sich wieder in das Zimmer hinein. Es war eindeutig zu winzig für drei Personen. Selbst wenn einer davon so schmächtig wie Lauchi war.

      »Wo werden Sie wohnen, Nørdington?«, fragte der gerade. »Haben Sie bereits ein Zimmer gefunden?«

      Nørdington zögerte.

      Schlechte Nachrichten im Anflug, dachte Norman und hatte, wie immer, recht.

      »Ich werde leider nicht in Løbago bleiben können, junger Herr«, sagte der Diener. Er klang, als wollte er einen Säugling beruhigen. Tief und sanft. Lauchis Kinnlade klappte herunter.

      »Aber ich dachte … Warum? Meine Mutter hat ausdrücklich darum gebeten, dass Sie in meinen Diensten verbleiben.«

      Nørdington schüttelte den Kopf.

      »Ich fürchte, der Einfluss Ihrer Mutter endet an der Stadtmauer. Hier herrscht das Militär. Beziehungsweise das Arkane Institut. Und das wünscht nicht, dass einer der Schüler bevorzugt behandelt wird.«

      »Aber …« Lauchis Adamsapfel hüpfte. »Dann habe ich ja niemanden hier.«

      Er wollte sich straffen und scheiterte. Nørdington betrachtete ihn sichtbar mitleidig.

      »Ich werde immer für Sie da sein, junger Herr. Wenn etwas sein sollte, schreiben Sie einfach. Oder noch besser: Rufen Sie an. Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Kosten, die trägt Ihre Mutter.«

      »Danke, Nørdington.« Das war das kläglichste Lächeln, das Norman je gesehen hatte. »Ich … Ich wünsche Ihnen eine gute Heimfahrt.«

      »Vielen Dank.« Der Moppel verzog das Gesicht. »Ich fürchte, sie wird weit beschwerlicher als die Reise hierher. Ich werde mich flussaufwärts schleppen lassen und das dauert Tage.«

      »Die armen Pferde«, sagte Norman und schlug einen der Groschenromane auf. Nørdingtons Augen wurden schmal.

      »Ich verabschiede mich, junger Herr. Viel Erfolg am Institut, und … Viel Erfolg.«

      »Danke.« Lauchi schaute wie ein verlassener Welpe. »Ich tue mein Bestes.«

      Das wird nicht reichen, dachte Norman, aber da er ein sehr höflicher Mensch war, schwieg er.

      Nørdington machte eine Geste, die eindeutig »Mitkommen, Abschaum!« bedeutete. Hä? Widerwillig erhob Norman sich. Die Neugier ließ ihn dem Diener auf den Flur folgen. Nørdington schloss die Tür. Sie waren allein in dem düsteren Modergang.

      »Was willst du?«, fragte Norman und verschränkte die Arme. In Nørdingtons Blick schwamm kaum verhohlener Ekel.

      »Ich möchte, dass jemand auf den jungen Herrn aufpasst. Und da Sie sein Zimmergenosse sind …«

      »Nö.« Norman schnalzte mit der Zunge. »Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Das muss er lernen. Je früher, je besser.«

      Nørdington schaute, als wollte er ihn ohrfeigen.

      »Der junge Herr braucht ein wenig … Starthilfe«, knurrte er. »Er ist für diesen Rabaukenjob nicht so gemacht wie … andere.«

      »Wie ich.« Rabauke war nun wirklich nicht das Schlimmste, was man ihm je an den Kopf geworfen hatte. Fast bekam er Mitleid mit dem Moppel. »Warum eigentlich? Warum ist er so ein Schwächling? Konnte seine reiche Mutti ihm keinen Boxtrainer kaufen?«

      »Es war nie vorgesehen, dass der junge Herr die Mauern des Anwesens verlässt.«

      »Was?« Norman hob eine Augenbraue. »Sollte er echt nur auf seine Mutti aufpassen?«

      »Eine ehrenvolle Aufgabe für einen jüngsten Sohn.« Nørdington hob die Nasenspitze noch höher. »Ich erwarte nicht, dass ein Straßenflegel das versteht.«

      »Ein Straßenflegel, hä? Zufällig sind wir hier alle gleich. Im Institut bin ich so viel wert wie dein junger Herr.« Norman grinste höhnisch. Nørdington grinste noch höhnischer.

      »Fast so viel. Allgemein genießen Motoren das höhere Ansehen, nicht wahr?« Er lächelte süffisant. Normans Fäuste zuckten, aber die Schande wog so schwer, dass er dem Kerl keine reinhauen konnte. Sie machte ihn zu schwach.

      »Nørdi«, zischte er. »Wenn du willst, dass ich auf den Kleinen aufpasse, machst du gerade einen groben Fehler.«

      Der Diener zögerte, dann schaute er noch biestiger als zuvor. Die dünnen Fältchen um seinen Mund vertieften sich, während er eine prall gefüllte Brieftasche aus der Weste zog.

      »Wie viel?«, fragte er. »Was ist der gängige Preis auf der Straße, wenn es einen nach Schutz verlangt?«

      »Vergiss es.« Norman reckte das Kinn in die Höhe. »Mich kauft niemand. Ich hab das nicht nötig. Lieber arm als bestechlich. Du wirst das kaum glauben, Nørdi, aber ich hab auch meinen Stolz, und ich arbeite für keinen mehr. Nur für mich selbst.«

      »Und für das Institut, nicht wahr?«, sagte Nørdington. Zögernd steckte er die lederne Brieftasche wieder ein. Er war offensichtlich verunsichert. »Soweit ich weiß, werden Sie alle für zehn Jahre verpflichtet.«

      »Das mach ich gerne«, sagte Norman. »Ich wollte nie was anderes als ein Magier werden.«

      »Ah.« Nørdington schniefte leise. »Na, Ihrem Auftritt heute Mittag zufolge lief es nicht ganz so, wie Sie es sich erträumt haben.« Er hob die Hände, als er Normans Gesichtsausdruck sah. »Schon gut. Ich gehe ja. Aber ich möchte keine Beschwerden


Скачать книгу