Darf ich dir das Sie anbieten?. Katharina Hacker
rel="nofollow" href="#u5ca0cad7-ae50-5702-b102-f4e02d652791">Last und Beweis
Allzu nahe ist kaum etwas schön
Ziehen Sie sich zum Abendessen um?
Das ist ein Notizbuch. Es ist etwas darin gedruckt, sehr kurze Essays, die man zwischen zwei Haltestellen lesen kann oder im Stau. Genauso ist Platz für Ihre Notizen.
Das Buch passt in eine Jackentasche.
Man kann es biegen.
Sie können es weiter verschenken, mit Ihren Notizen zu Freundschaft, Nähe, Hunden, Kindern. Für Liebe ist Platz und für den Tod. Katzen kommen erst im nächsten Band vor.
Vieles ist ausgelassen.
Es sind Essays, das heißt: der Anfang von etwas. So ist das gedacht.
Sentiment und Gefühl
Sentimente haben viele Leute, einige haben dabei wenig Gefühl. Gefühle hat man für andere oder für sich selbst, ein Sentiment ist selbstgenügsam, mehrere sind es auch. Sie können heftig sein, für sich bleiben sie trotzdem, deswegen ist das so anstrengend. Die Anteilnahme der anderen wollen sie, ansonsten sind die anderen nicht wirklich vorgesehen. Manchmal habe ich auch Sentimente, man könnte das alles anders definieren, meine Sentimente gehen mir auf die Nerven, ich habe oft wenig Gutes an ihnen entdecken können.
Begleiten
Bücher können die Leere in einem ausfüllen.
Manchmal tun sie das auf hochherzige Weise, manchmal durch Schrecken, zuweilen ersetzen sie, was dem eigenen Leben fehlt.
Die Leere nehmen sie ein, die wir mit unserem Leben einnehmen könnten, mit einer Liebesgeschichte, einer Lebensveränderung.
Darin sind sie auf unserer Seite.
Ich bin trotzdem parteiisch für die anderen Bücher, die keine Leere füllen, statt dessen uns Gesellschaft leisten, am Rande begleiten und hin und wieder einen Boten zu uns schicken.
Schicksal
Das ist aber schade, daß man nicht mehr von Schicksal redet.
Da gibt es nichts, worein man sich mit etwas Groß- und Hochmut und anderem Pomp schicken könnte, und tun muß man es doch, oft ins Unwesentliche, mit Geduld, in Langmut. Es geht nicht aus wie geplant. Es geht, streng genommen, gar nicht.
Ein chassidischer Rabbi sagt: Kann man nicht obendrüber, muß man eben untendurch.
Ein anderer sagt: Kann man nicht drüber weg, muß man eben doch drüber weg.
Wetter
Man redet über das Wetter, es geht den Bach runter, sagt man, der Winter kein Winter mehr, die Sommer zu heiß und zu trocken, die Nächte zu kalt, der Globus dreht sich, das ist auch alles, und der Philosoph Bertrand Russell bemerkte schon zum Huhn, das jeden Morgen sein Futter erwartet, jedoch eines Tages geköpft wird, es hätte sich besser einen genaueren Begriff von Induktion gemacht.
Das Wetter ist zum Fürchten, oder anders herum, wenn man sich eh fürchtet, warum nicht auch vor dem Wetter. Harmlos ist das Thema nicht, seit wir denken, das Wetter sei weder launisch noch gottgegeben. Wir haben es gemacht, und was wir angerichtet haben, ist schlimmer als ein Gottesgericht. Wir sind uns selbst ausgeliefert, in uns sind wir das schon immer, jetzt sind wir es auch in der Welt. Das Werk unserer Phantasie quält unsere Phantasie.
Wolke
Manchmal fehlen die Vögel: ihre Stimmen. Manchmal fehlt der einzig sanfte Moment am Tag, eine bekömmliche Wolke, ein kurzes Innehalten des Windes.