Die chinesische Messaging-App WeChat als virtuelle Sprachinsel. Michael Szurawitzki

Die chinesische Messaging-App WeChat als virtuelle Sprachinsel - Michael Szurawitzki


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      Michael Szurawitzki

      Die chinesische Messaging-App WeChat als virtuelle Sprachinsel

      Studien zur WeChat-Nutzung deutschsprachiger Expatriates in China

      Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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      Umschlagabbildung: Political map of China in Asia. Autor: Robcastorres. www.shutterstock.com, 1435327082. Bearbeitung: Verlag.

      Die Drucklegung wurde großzügig unterstützt von der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen.

      Die frei zugängliche digitale Publikation wurde ermöglicht mit Mitteln des Open-Access-Publikationsfonds der Universität Duisburg-Essen.

      ORCID: https://orcid.org/0000-0002-7356-1410

      DOI: https://doi.org/10.2357/978-3-8233-9312-2

      © 2020 · Michael Szurawitzki

      Das Werk ist eine Open Access-Publikation. Es wird unter der Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen | CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, solange Sie die/den ursprünglichen Autor/innen und die Quelle ordentlich nennen, einen Link zur Creative Commons-Lizenz anfügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Werk enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der am Material vermerkten Legende nichts anderes ergibt. In diesen Fällen ist für die oben genannten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.

      Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

      Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

      Internet: www.narr.de

      eMail: [email protected]

      ISBN 978-3-8233-8312-3 (Print)

      ISBN 978-3-8233-0238-4 (ePub)

      Vorwort

      Ich hätte mir vor meinem Engagement in China und auch nach einiger Zeit dort nicht vorstellen können, tief in die Forschung zu einem Messenger wie WeChat einzutauchen. Dieses Projekt hat mir sehr viel Freude bereitet und meine linguistische Perspektive erweitern können.

      Ich danke allen, die mich beim Verfassen dieses Buches unterstützt haben. Speziell möchte ich allen in China ansässigen Deutschsprachigen bzw. China-Alumni danken, die zwischen November 2018 und April 2019 an der Online-Erhebung zur Nutzung von WeChat teilgenommen haben. Ohne ihre Bereitschaft, Auskunft zu erteilen, hätte der vorliegende Band nicht entstehen können. Ebenso danke ich denjenigen, die den Link zur Online-Erhebung geeignet weitergeleitet und so einer größeren Anzahl potenzieller InformantInnen zur Kenntnis gebracht haben.

      Aus dem Bereich der KollegInnen möchte ich speziell Christa Dürscheid und Thomas Zimmer erwähnen, die mir teils sehr wichtige Hinweise gegeben haben. Christian Moskob hat eine erste Version der Online-Umfrage hilfreich kommentiert, dafür habe ich zu danken. Der Universitätsbibliothek der Universität Duisburg-Essen danke ich für eine Förderung der Open Access-Publikation durch einen großzügigen finanziellen Zuschuss. Die Drucklegung des Bandes wurde durch einen Zuschuss der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen gefördert, auch dafür möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen.

      Der größte Dank jedoch gilt meiner Frau, die mich so unterstützt wie niemand sonst. Ihr ist der vorliegende Band gewidmet.

      Essen, im August 2020

      Michael Szurawitzki

      1. Einführung und Forschungsfragen

      Plewnia/Riehl (2018) leiten das Handbuch der deutschen Sprachminderheiten in Übersee wie folgt ein:

      Minderheitengruppen, die die deutschen Dialekte oder regionale Varietäten des Deutschen sprechen, sind ein weltweites Phänomen. Tatsächlich finden sich sogenannte „Sprachinseln“, d.h. Minderheiten, die in Isolation vom geschlossenen deutschen Sprachraum leben, auf allen Kontinenten. Sie unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht voneinander, u. a. durch ihre Siedlungsgeschichte, ihr Alter, die Kontaktsituation, zugrundeliegende Varietäten und Typus der Kontaktsprachen. In diesem Sinne ist die Erforschung und Dokumentation sowie der Vergleich unterschiedlicher Konstellationen und unterschiedlicher Stadien des Kontakts ein zentrales Thema der Kontaktlinguistik, der Soziolinguistik, der Dialektologie und vieler weiterer Disziplinen. (Plewnia/Riehl 2018: 7)

      Im genannten Handbuch ist ein Land ausgespart, das mindestens historisch gesehen auch hätte betrachtet werden können, nämlich China. In der Zeit des Kolonialismus sowie während der Verfolgung jüdischer Minderheiten durch die Nationalsozialisten gab es Hotspots wie Qingdao (Tsingtau) oder Shanghai (vgl. u. a. Szurawitzki 2017a), wo das Deutsche zeitweise eine sehr wichtige Rolle spielte und „Sprachinseln“ im o.g. Sinne existierten. Die historischen Entwicklungen haben dazu geführt, dass diese Zentren der Verwendung des Deutschen nicht mehr in der ursprünglichen Form existieren, da es keine deutsche Kolonie an Chinas Nordostküste und auch keine Ansiedlung deutschsprachiger, v. a. jüdischer Flüchtlinge in Shanghai mehr gibt. Obwohl wir also an der Oberfläche kaum noch etwas vorfinden, das wir aktuell im Sinne von Plewnia/Riehl als „Sprachinsel“ beschreiben könnten (zum historischen Shanghai vgl. Szurawitzki i.V.), so finden wir uns mit Blick auf Zehntausende Deutschsprachige in China heute, die v. a. für deutsche Firmen arbeiten, mit einer Situation bzw. einem Ort konfrontiert, den wir hier in Teilen analog zu einer Sprachinsel auffassen: Dieser Ort ist nicht physisch, sondern virtuell vorhanden. Es handelt sich um eine Smartphone-Applikation, die nahezu jedem Menschen in China geläufig ist und fast nur dort benutzt wird (die Metapher der „Insel“ passt zu dem von außen und innen abgeschirmten Internet in China) – sie trägt den Namen WeChat. Im Kontext deutschsprachiger Expatriates fasse ich sie hier als ,virtuelle Sprachinsel‘ auf, als Blase, Sammelbecken und Scharnier für in China befindliche oder gewesene Deutschsprachige, die sich spezifisch auf das Reich der Mitte hin perspektiviert vernetzen bzw. kommunizieren wollen. Einerseits bietet die Applikation die Möglichkeit, in der einschlägigen Community unter sich zu kommunizieren, andererseits fungiert sie auch als zentrale Schnittstelle zum chinesischsprachigen und chinesischen Alltag in Beruf und Freizeit. Für alle denkbaren kommunikativen Konstellationen und noch viel mehr kommt WeChat zum Einsatz, unter Chinesen wie unter in China ansässigen AusländerInnen. Unabhängig vom physischen Aufenthaltsort in China bildet die Applikation gewissermaßen den kommunikativen Kitt der Expatriate-Community. Wie genau diese App aber diese Funktion erfüllt, ist bisher noch nicht Gegenstand medienlinguistischer Forschung gewesen.

      Im vorliegenden Band wird daher die Nutzung der Messaging-App WeChat durch deutschsprachige, in China gegenwärtig oder in jüngster Vergangenheit ansässige Expatriates untersucht. Die chinesische Messaging-Applikation WeChat (chin. 微信, Pinyin-Umschrift Wēixìn, ,winzige Nachricht‘) der Firma Tencent (chin. 腾讯, Pinyin Téngxùn), eingeführt 2011 (Zhou/Hentschel/Kumar 2017: 3), eine „all-in-one mobile application“ (Zhou/Hentschel/Kumar 2017: 3), beherrscht im Reich der Mitte unangefochten den Markt. In Europa ist sie weder einer breiteren Bevölkerung noch den meisten LinguistInnen bekannt bzw. vertraut. Für über eine Milliarde NutzerInnen bietet die Applikation komplexe Anwendungsmöglichkeiten: Sie vereint die Funktionalitäten von WhatsApp, Facebook, Twitter und vielen weiteren Applikationen unter einem Dach und kann fast schon als das chinesische mobile Internet angesehen werden, da über integrierte sog. Mikro-Apps, von denen es Hunderttausende gibt, praktisch alle Dinge des virtuellen Lebens innerhalb von WeChat erledigt werden können (Garton Ash 2016: 64, 72). So viele Dienste, die in einer einzigen


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