Nächte zwischen der Zeit. Christoph Frühwirth

Nächte zwischen der Zeit - Christoph Frühwirth


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       Christoph Frühwirth

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       Raunachtgeschichten und Räucherrituale

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       INHALT

       Vorwort

       Raue Nächte, lichte Tage

       Räucher-Einmaleins von Doris Kern

       Räuchern in der Thomasnacht

       I. Peter Roseggers Christnacht

       Räuchern an Heiligabend

       Raunachttagebuch

       II. Niederwildjagd am Stefanitag

       III. Sagen aus Sandl

       IV. Wunsch- und Sorgenfeuer

       V. Brauchtumsbrote

       VI. Rückzug in den Wald

       VII. Räuchern in Haus und Hof

       Räuchern an Silvester

       VIII. Jahreswechsel mit der Pummerin

       IX. Wilde Jagd am Untersberg

       X. Märchen erzählen im Almtal

       XI. Kärntens Pehtra Baba

       XII. Drei Könige am Traunsee

       Räuchern in der Dreikönigsnacht

       Nachschlag, Das Teeglas

       VORWORT

      Jedes Buch beginnt mit einem Vorgespräch. Das Vorgespräch ist so wichtig wie der erste Satz. Verleger und Autor treffen einander und legen sich auf Form und Umfang des Buches fest. Auch dieses Buch begann mit einem Vorgespräch. An einem Freitag, dem 13., trafen wir uns: Lektorin, Verleger und Autor. Freitag, der 13., im Aberglauben ist er als Tag des Unglücks verankert. Wir verabredeten uns am frühen Vormittag in einem beinahe leeren Kaffeehaus. Allein ein Nebentisch war besetzt: mit fünf Rauchfangkehrern, fünf Glücksbringern also.

      Das Bild von den Rauchfangkehrern am Unglückstag brachte ein altes Sprichwort auf den Punkt. »Glück hinein, Unglück hinaus«, lautet es. Und es ist der Sinnspruch für die Raunächte. Das Treffen und seine Begleitumstände leiten passgenau auf den Inhalt dieses Buches über: die zwölf Raunächte zwischen der Christnacht und dem Dreikönigstag.

      Sie stehen für eine Auszeit vom Alltag, für die »stade Zeit«, für die Zeitenwende. Der Tag wird zur Nacht und umgekehrt. Die »Zwölften« beruhen auf einer kalendarischen Lücke zwischen Sonne und Mond. Mondphasen dauern 28 Tage pro Monat. Die Sonne scheint 30, respektive 31 Tage. Am Ende des Jahres fehlen uns zwölf Tage. Wir machen uns also zwölf geschenkte Tage zunutze, indem wir sie der Muße widmen. Traditionell sind die Raunächte eine Zeit, in der die Natur stillsteht. Und auch das Rad der Zeit steht still. Symbolisiert durch das Spinnrad, das in dieser Zeit nicht bewegt werden darf. Dafür wird umso mehr Erzählgarn gesponnen.

      Ich habe an zwölf verschiedenen Orten in Österreich Gesprächspartner aufgesucht, die nicht die Asche bewahren, sondern die Glut weitergeben, die altes Brauchtum in sich birgt. Ihre Erzählungen, ob in Märchenform oder in der Form eines handgeschriebenen Briefes, tragen dieses Buch. Sie haben mich zu eigenen Überlegungen zu dieser »heiligen Zeit« angeregt. Statt Brauchtum abzuarbeiten, konnte ich es neu denken. Durfte, ja musste es sogar neu denken! Ich beschloss, im Althergebrachten das Zukünftige zu suchen. Und entdeckte die visionäre Kraft, die in den alten Raunachtregeln steckt.

      Ich möchte mit den zwölf Geschichten, die ich der Zeit zwischen der Zeit zuordne, einen Leitfaden für den Alltag spinnen. Wohlgemerkt, einen Leitfaden. Denn dieses Buch will kein Ratgeber sein. Es soll der Anregung dienen. Ganz im Sinne des Spruches: »Glück hinein, Unglück hinaus«.

       Christoph Frühwirth

»RAUNÅCHT SAN VIER, ZWOA FOAST UND ZWOA DÜRR.«

       RAUE NÄCHTE, LICHTE TAGE

      Viel ist die Rede vom Stillstand. Wir sind es nicht mehr gewohnt, innezuhalten. Und doch ist dieses Innehalten, der – wohlgemerkt, freiwillige – Stillstand, ebenso wichtig wie die Betriebsamkeit. Wir laufen im Hamsterrad der Erwerbstätigkeit. Und müssen immer wieder feststellen: Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit. Wir fühlen uns eingeengt, isoliert. Wie oft hört man den Stehsatz: »Ich krieg die Krise!«

      Die Bauernhöfe anno dazumal waren oftmals Einschichthöfe. In strengen Wintern, wenn diese Höfe eingeschneit waren, befanden sich die Bauernfamilie und ihr Gesinde in einem ähnlichen Zustand. Nämlich einer mehr oder weniger unfreiwilligen, naturgegebenen Isolation. Krise schafft Gemeinschaft. Bauern und Bedienstete verband spätestens mit dem Aufkommen der Industrialisierung das gemeinsame Schicksal der Krisenbewältigung. In der »staden Zeit« rückte man zusammen und sprach sich in unsicheren Phasen Mut zu. Wir leben in einer unbeschwerten Zeit. Müßiggang scheint die Mühsal verdrängt zu haben. Was einst hart erkämpft werden musste – von Arbeit freie Zeit – ist heute Normalität. Doch diese Normalität ist ein Privileg. Auf einem Bauernhof fiel die arbeitslose Zeit in die Zeit der Raunächte. Draußen stand die Natur still, drinnen erholte man sich vom Arbeitsjahr.

      Doch woher kommt dieser Begriff? »Rau« steht für das Räuchern, das Reinigen der Atmosphäre. Tagsüber wurde zum Schutz vor Unheil geräuchert. Abends schaute man durch den Rauch in die Zukunft. Das Raue meint aber auch das Haarige: »rûch« im Mittelhochdeutschen. Also die mit Fell bekleideten Gesellen der Wilden Jagd, die Perchten. Die Nacht wiederum steht für die Jahresnacht. Dem keltischen Jahreskreis nach befinden wir uns zwischen Wintersonnenwende und Dreikönig in der dunklen Zeit des Jahres.


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