Nächte zwischen der Zeit. Christoph Frühwirth

Nächte zwischen der Zeit - Christoph Frühwirth


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gespannt, kann nun die Bauchdecke sauber aufgeschnitten werden.

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      Für die meisten Menschen waren die Wochen nach dem Schlachttag die einzige Zeit des Jahres, in der es frisches Fleisch gab – eine Besonderheit. Das erklärt, warum der »Sautanz« als Freudenfest gefeiert wurde.

      Einst galt der Weihnachtstag als Fasttag. Erst zur Bescherung am Abend gab es das Festessen, oftmals eine Bratwurst. Josef Wein, Sohn eines Bauern, erinnert sich an seine Jugend: »Das Räuchern der Würste, das Selchen, das ist eine ganz eigene Kunst gewesen. Man durfte nur mit hartem Holz wie der Buche oder der Eiche einheizen. Wichtig sind auch die Temperatur und die Dauer des Räucherns gewesen. Bratwürste sind nur kurz in der Räucherkammer gehangen. Wenn die Farbe passte, hat mein Vater sie abgenommen und mit Braterdäpfeln und knusprigem Bauernbrot serviert.«

      Der Thomastag stand also ganz im Zeichen der Festlichkeit. Die Nachbarn kamen zusammen. Es wurde in der Gemeinschaft getrunken und gegessen. Man freute sich auf die ruhigen Tage, die man im Kreise seiner Nächsten verbrachte. Ein Sprichwort besagt: »Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben.« Daher vergaß man bei aller Geselligkeit nicht, an das Danach zu denken. Die Thomasnacht war die Nacht der Orakel und Weissagungen. Die Alten gingen mit Einbruch der Dunkelheit mit der Räucherpfanne durch die Stuben und in den Stall. Die Jungen stellten sich der Zukunft spielerisch. In geselliger Runde praktizierten sie den Brauch des »Hütlhebens«. Am Esstisch lagen diverse Hüte. Unter jedem Hut verbarg sich ein anderes Symbol: für Liebe, Reichtum, Erbe, Tod, Unglück oder Glück. So begegnete man auf unterhaltsame Art und Weise seinem Schicksal. Das Hütlheben ist nur einer von vielen Orakelbräuchen. Einer jedoch, den wir noch heute unkompliziert praktizieren können. Im damaligen Kontext zu verstehen und heutzutage nicht mehr wirklich praktikabel sind die vielen anderen Bräuche, die hauptsächlich dem stark im Volk verankerten Aberglauben geschuldet waren. Was damals mit großer Ernsthaftigkeit durchgeführt worden ist, entbehrt heute nicht einer gewissen Ironie. Zum Schmunzeln bringen mich die vielen Fragen rund um das zukünftige Liebesglück. Der heilige Thomas ist schließlich der Schutzheilige der Liebenden. Er wurde daher als Experte in Fragen des Ehestandes zu Rate gezogen. Bauerndirndln, aber auch die Burschen gingen abends zum Gartenzaun, der im Idealfall aus Haselnuss gearbeitet war, fassten einen Pfahl und sprachen die salbungsvollen Worte:

       »Gartenzaun, ich schütt’r dich, feines Lieb, ich witt’r dich.«

      Woraufhin ihnen der Wind die Namen der Liebsten ins Ohr flüsterte oder diese ihnen in einer Art Fata Morgana sogar leibhaftig erschienen. Es ging jedoch auch einfacher, konnten die Suchenden doch gleich anhand der Beschaffenheit des Pfahles das Aussehen ihrer Zukünftigen feststellen. Ein frischer Zaunstecken verhieß Jugendlichkeit, ein morscher Stecken Alter. Wer es sich, statt sich im unwirtlichen Freien herumzutreiben, im warmen Bett bequem machte, dem wurde die Zukunft um Punkt Mitternacht geweissagt. Es galt dafür nur, mit dem Glockenschlag aufzustehen, mit einem Fuß auf das Bett zu treten und, ohne sich umzudrehen, zu sprechen:

       »Bettschemel, ich tritt dich, heilger Thomas, ich bitt dich, zeig mir mein zukünftig Liab.«

      Wer nicht an Bettflucht litt, der brauchte sich in der Thomasnacht nur kopfüber ins Bett zu legen. So ließ sich die Liebe des Lebens im Schlaf erträumen. Den Zweiflern, denen gerade in dieser Nacht die Eifersucht den Schlaf raubte, gab der heilige Thomas folgenden Ratschlag mit auf den Weg der Erkenntnis: Sie sollten mit einem Spiegel in der einen und einer Kerze in der anderen Hand ins Freie treten. Zur Geisterstunde würden sie im Schein des Kerzenlichtes im Spiegel sehen, was ihre Liebsten in eben diesem Augenblick taten.

      Ich möchte den Ausflug in die vergangene Welt der Orakel nicht ohne einen Tipp beenden, der uns aller materiellen Sorgen entledigt. Wer von uns hat nicht schon einmal Lotto gespielt? Die wöchentliche Sendung der »Österreichischen Lotterien«, das elektronische Orakel von Delphi, verspricht uns eine strahlende Zukunft. Wir halten fiebrig die Lottoscheine mit den sechs Zahlen in der Hand und warten gespannt, ob wir die sechs richtigen Kästchen angekreuzt haben. Die sechsstellige Nummernfolge ist also das gewinnbringende Element in diesem Spiel. Daher: Verarbeiten Sie am Thomasabend Zettel mit Nummernkombinationen in Knödeln nach Ihrem Geschmack. Entscheidend für Ihre Zukunft ist nur, welcher Knödel zuerst an die Wasseroberfläche kommt. Dieser enthält nämlich den Sechser im Lotto. Und falls nicht: Wohl bekomm’s!

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       THOMASNACHT

       Reinigen und Orakeln

      Früher war die Thomasnacht der Tag des Orakelns. Man versuchte, mit verschiedenen, teilweise skurrilen Bräuchen die Zukunft vorauszusagen. Auch die Kraft der Kräuter spielt dabei eine Rolle. Misteln, Lorbeer und Holunder sollen den Geist öffnen und die Sichtweise erweitern. Die Thomasnacht ist eine gute Gelegenheit für eine reinigende und schützende Räucherung.

       RÄUCHERMISCHUNG FÜR DIE THOMASNACHT

      image1 Teil Beifuß

      image1 Teil Wacholderbeeren oder -nadeln

      image1 Teil Johanniskraut

      image½ Teil Salbei

      image½ Teil Engelwurzsamen oder -wurzeln

      image1 Teil Fichtenharz

      image½ Teil Weihrauch

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      Beifuß zu Räuchern hat eine lange Tradition. Kelten und Germanen nutzten ihn zum Schutz vor Bösem. Er gilt als eine der bedeutsamsten heimischen Schutz- und Heilpflanzen. Seine reinigende Wirkung lädt ein, in sich zu gehen und Altes loszulassen. Als Mutter der Kräuter, wie der Beifuß auch genannt wird, aktiviert er unsere Selbstheilungskräfte und stärkt uns.

      Der würzige Duft der Wacholderbeeren und -nadeln hat eine keimtötende Wirkung. Diese erkannte man schon früh. Zu Pestzeiten wurden in den Straßen große Wacholderfeuer entzündet, welche die Menschen vor der tödlichen Krankheit schützen sollten. Zudem sorgt Wacholder für ein angenehmes Raumklima und trägt zu einem erdverbundenen und sicheren Gefühl bei.

      Johanniskraut wird oft zur Sommersonnenwende gesammelt und trägt die geballte Kraft der Sonne in sich. Es sorgt für eine positive Stimmung und kann dunkle Wolken nach einem Streit auflösen. Sprichwörtlich lässt es die Sonne auch in unseren vier Wänden scheinen. So werden wir eingeladen, wunderbare Raunächte zu feiern.

      Salbei ist auf der ganzen Welt als Räucherpflanze bekannt. Besonders geschätzt wird seine reinigende Kraft. Er verdrängt negative Energien und Ärger – schlechte Gedanken können wir so einfacher hinter uns lassen. Beim Räuchern sollte das Fenster etwas offen gelassen werden, damit ungewollte Energien hinaus strömen können. Die befreiende Räucherung trägt zum Wohlgefühl bei und lässt uns wieder klare Gedanken fassen.

      Die Engelwurz ist eine besondere Pflanze, die das Licht der Sonne in sich aufnimmt und es von der Blüte bis zu den Wurzeln transportiert. Beim Räuchern symbolisiert sie Schutz. Der würzige Rauch der Pflanze legt sich wie ein warmer Mantel um uns und begleitet uns sicher. Auch in alten Gemäuern, die schon viel erlebt


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