Alle Liebe dieser Welt. Marie Louise Fischer

Alle Liebe dieser Welt - Marie Louise Fischer


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kann!«

      »Ihr Magen wies keine Spur von Schokolade auf. Es fanden sich auch in der Wohnung keinerlei Reste von Konfekt, lediglich dünne Käseplätzchen und Kümmelstangen, die zur Injizierung von Gift ganz ungeeignet waren.«

      »Haben Sie sie analysieren lassen?«

      »Nein, ich hielt das für überflüssig.«

      Rechtsanwalt Dr. Suttermann setzte sich, als wenn er einen Sieg errungen hätte. Tatsächlich aber hatte dieses Geplänkel weder auf die Richter noch auf die Geschworenen Eindruck gemacht. Es war nur zu deutlich, daß die Verteidigung kein wirkliches Argument in der Hand hatte und es nur darauf anlegte, Verwirrung zu stiften und den Zeugen unglaubwürdig zu machen.

      Landgerichtsrat Mergentheimer beugte sich vor. »Um nochmals auf die Bemerkung, als habe eine Hausfrau aufgeräumt, zurückzukommen! Mir persönlich will es so scheinen, als wenn keine besonderen Fähigkeiten dazu gehören, ein paar Gläser auszuwaschen, abzutrocknen und fortzustellen … oder sind Sie da anderer Meinung?«

      »Durchaus nicht.«

      »Die gleichen Handgriffe hätte doch auch ein zwölfjähriges Kind oder ein hauswirtschaftlich völlig unvorgebildeter Mann durchführen können?«

      »Ja, das stimmt.«

      »Dann sind wir uns wohl einig, daß diese Bemerkung irreführend war und aus dem Protokoll gestrichen werden sollte?«

      »Ja«, mußte der Kriminalrat zugeben.

      Landgerichtsrat Mergentheimer wandte sich an den Schriftführer.

      »Bitte, nehmen Sie das auf!« Dann sah er wieder den Zeugen an.

      »Wenn ich Sie recht verstanden habe, waren in der Wohnung der Ermordeten keine Spuren zu entdecken, die auf einen Kampf schließen ließen.«

      »Richtig.«

      »Aber auf diesem Foto … wenn Sie bitte näher treten wollen … ist doch die Couchdecke zerwühlt, der kleine Teppich vor der Couch verrutscht!«

      Kriminalrat Amstetter warf nur einen flüchtigen Blick auf die Fotos.

      »Das ist im Todeskampf geschehen.«

      »Möglich. Aber es ist doch wohl nicht ganz ausgeschlossen, daß die Tote das Gift nicht unwissend zu sich nahm, sondern gewaltsam dazu gezwungen wurde?«

      »Ihr Körper zeigte keinerlei Spuren irgendwelcher Gewalteinwirkungen.«

      »Danke. Das genügt mir, Herr Oberstaatsanwalt …?«

      Oberstaatsanwalt Kleiper erhob sich mit betonter Langsamkeit, die seinen Bewegungen etwas verhängnisvoll Drohendes gab. »Herr Kriminalrat«, sagte er, »hatten Sie den Eindruck, daß die Wohnung der Ermordeten nach der Tat durchsucht worden ist?«

      »Nein. Ich sagte ja schon, alles wirkte sehr aufgeräumt … keine offenen Schubladen, keinerlei Unordnung in den Schränken …«

      »Das beweist aber doch nicht, daß die Wohnung nicht durchsucht worden ist. Der Täter hatte Zeit, viel Zeit … erinnern wir uns daran, daß der Mord erst Tage später entdeckt wurde. Er wurde also auf keine Weise gestört.«

      »Das ist richtig.«

      »Fehlte in der Wohnung irgend etwas? Vielleicht Bargeld? Schmuck?«

      »In der Brieftasche der Toten fanden sich etwas über zweihundert Mark. Da sie am selben Morgen zweihundertfünfzig Mark von ihrem Bankkonto abgehoben hatte, ist es so gut wie sicher, daß sie den fehlenden Betrag selber ausgab.«

      »Schmuck?«

      »Die Tote trug eine Armbanduhr, einen Goldreif und einen Ring mit einem Rubin. Den Hauptteil ihres Schmuckes pflegte sie in einem Banksafe aufzubewahren. Er konnte sichergestellt werden. Allerdings …« Kriminalrat Amstetter zögerte.

      »Ja?« fragte der Oberstaatsanwalt.

      »Es gibt keine Aufstellung über diesen Schmuck und keinen Zeugen, der uns hätte angeben können, was die Ermordete tatsächlich an Schmuck besaß. Trotzdem ist es unwahrscheinlich, daß der Täter aus gewinnsüchtigen Motiven handelte, denn dann hätte er auch Ring, Armreif und vor allem das Bargeld an sich genommen.«

      »Aber es fehlte doch etwas in der Wohnung, nicht wahr?«

      »Ja. Ein Fotoalbum. Alle Zeugen, die die Ermordete zu Lebzeiten gekannt haben, bestätigen, daß sie ein Album besaß, in das sie nicht nur ihre sämtlichen Fotos klebte, sondern auch gewisse Eindrücke zu notieren pflegte …«

      Der Oberstaatsanwalt tat so, als komme ihm diese Tatsache jetzt zum erstenmal zu Ohren und als fände er sie ungeheuer interessant. »Aha«, sagte er, »das ist bemerkenswert! Haben Sie nach dem verschwundenen Album geforscht?«

      »Ja, das habe ich.«

      »Und haben Sie es gefunden?«

      »Ich habe die verkohlten Reste eines Fotoalbums in dem Haus der Familie Groß gefunden, und zwar im offenen Kamin!«

      Diese Tatsache war bisher in der Presse noch nicht erwähnt worden, und sie erregte im Gerichtssaal beträchtliches Aufsehen. Aber ein einziger Blick auf Carola Groß überzeugte Ellen Krone davon, daß sie und ihr Verteidiger den Schlag erwartet hatten.

      »Ich möchte einige Fragen an die Angeklagte richten«, erklärte der Oberstaatsanwalt.

      »Falls Sie keine Fragen mehr an den Zeugen haben … und auch Sie nicht, Herr Verteidiger«, sagte Landgerichtsrat Mergentheimer.

      »Doch, aber erst etwas später«, erwiderte Dr. Suttermann.

      »Setzen Sie sich einen Augenblick, Herr Zeuge! Angeklagte, bitte!«

      Carola Groß stand auf. Sie hielt ihre Arme steif nach unten. »Ich weiß, was Sie mich fragen wollen, Herr Oberstaatsanwalt«, sagte sie mit überraschend klarer und fester Stimme, »aber ich habe dieses Fotoalbum nie gesehen, auch niemals früher von seiner Existenz gewußt. Es stimmt, daß ich im Kamin unseres Hauses ein Album verbrannt habe. Es enthielt Bilder von unserer Hochzeitsreise und … ich konnte diese Bilder einfach nicht mehr ertragen, nachdem ich glauben mußte, daß unsere Ehe zerstört war.«

      »Aber Sie haben uns gestern weismachen wollen, daß Sie völlig beruhigt waren, als Sie Annabelle Müller verließen?«

      »Das habe ich niemandem weismachen wollen, sondern es war wirklich so. Das Fotoalbum … unser Fotoalbum … hatte ich schon am Morgen verbrannt. Als ich erfuhr, daß sich mein Mann trotz aller Versprechungen wieder mit seiner Geliebten getroffen hatte.«

      »Und das soll ich Ihnen glauben?« Der Oberstaatsanwalt lächelte geringschätzig und setzte sich.

      »Es ist die Wahrheit!«

      »Darf ich jetzt noch einige Fragen an den Herrn Kriminalrat richten?« sagte Dr. Suttermann.

      Kriminalrat Amstetter trat vor, noch ehe der Richter ihm einen Wink dazu gab.

      »Sie haben die Einlassung der Angeklagten gehört«, sagte der Verteidiger, »sie erklärt, ein Fotoalbum mit Bildern ihrer Hochzeitsreise verbrannt zu haben.«

      »Das überrascht mich nicht.«

      »Haben Sie dieses zweite Album ausfindig machen können?«

      »Nein.«

      »Es spricht also alles dafür, daß die Angeklagte die Wahrheit sagt.«

      »Durchaus nicht. Sie war raffiniert genug, beide Alben zusammen zu verbrennen.«

      »Haben Sie in der Asche Reste von zwei verschiedenen Alben nachweisen können?«

      »Nein, das nicht, aber …«

      »Danke, das genügt mir.« Dr. Suttermann setzte sich.

      »Vielen Dank, Herr Kriminalrat«, sagte der Vorsitzende freundlich, »wenn der Herr Oberstaatsanwalt keine weiteren Fragen an Sie hat … nein? Dann können wir jetzt die Vereidigung vornehmen.«


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