Doktor Dolittles schwimmende Insel. Hugh Lofting

Doktor Dolittles schwimmende Insel - Hugh Lofting


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Gewitter habe ich dort einmal eine Frau über den Haufen gerannt‚ die einen Krug mit Melasse auf dem Kopf trug. Ich hatte das süße Zeug noch wochenlang nachher in den Haaren‚ so daß mich die Fliegen überall verfolgten. Ich habe dir doch nicht weh getan‚ nicht wahr?“

      „Nein‚ durchaus nicht.“

      „Es war genau so meine Schuld wie deine“‚ sagte der kleine Mann‚ „auch ich bin mit gesenktem Kopf gelaufen. Aber wir dürfen hier nicht sitzenbleiben und uns unterhalten. Du mußt ja durchweicht sein‚ ich bin es auch. Wie weit hast du es bis nach Hause?“

      „Wir wohnen auf der andern Seite der Stadt“‚ antwortete ich‚ als wir uns aufrappelten.

      „Herr im Himmel‚ das Pflaster ist aber naß gewesen“‚ rief er‚ „und bestimmt kommt noch viel mehr herunter! Komm mit mir nach Haus und laß dich trocknen. Ein solches Unwetter kann nicht lange dauern.“

      Er nahm mich bei der Hand‚ und wir liefen zusammen wieder die Straße zurück. Unterwegs überlegte ich mir‚ wer dieser komische kleine Mann sein könnte und wo er wohne. Er kannte mich nicht‚ und doch nahm er mich mit nach Hause‚ damit ich meine Sachen trocknen könnte.

      Wie anders war er als der alte rotnäsige Oberst‚ der mir nicht einmal sagen wollte‚ wieviel Uhr es sei! Plötzlich blieben wir stehen. „Hier wären wir“‚ sagte er.

      Ich sah hoch und fand mich am Fuße der Stufen‚ die zu dem kleinen Haus mit dem großen Garten führten. Mein neuer Freund lief die Treppe hinauf und öffnete das Tor mit ein paar Schlüsseln‚ die er aus der Tasche zog.

      Das ist nicht der berühmte Doktor Dolittle‚ dachte ich bei mir.

      Nach dem‚ was ich von ihm gehört hatte‚ stellte ich ihn mir immer als einen großen‚ starken und prächtigen Mann vor. Dieser komische kleine Mann mit dem gutmütigen Lächeln konnte es nicht sein. Und doch war er es sogar ganz bestimmt. Er öffnete das Tor‚ vor dem ich so viele Tage gewartet hatte. Der Hund Jip kam gerannt‚ sprang mit Freudengebell an ihm hoch‚ und der Regen strömte stärker hernieder denn je.

      „Sind Sie Doktor Dolittle?“ rief ich‚ als wir den kurzen Gartenweg hinauf liefen.

      „Ja‚ ich bin Doktor Dolittle“‚ sagte er und öffnete die Haustür mit dem gleichen Schlüsselbund.

      „Herein mit dir! Du brauchst nicht die Füße abzuwischen. Kümmre dich nicht um den Schmutz. Nimm ihn nur mit herein. Mach‚ daß du aus dem Regen kommst.“

      Ich huschte hinein‚ beide folgten mir‚ und der Doktor warf die Tür hinter uns zu. Das Gewitter hatte draußen schon alles verdunkelt‚ aber im Haus bei geschlossener Tür war es schwarz wie in der Nacht. Und der merkwürdigste Lärm‚ den ich je gehört hatte‚ begann. Es klang‚ als ob alle Arten und Gattungen von Tieren und Vögeln zur selben Zeit riefen‚ quakten und kreischten. Ich hörte sie die Treppe hinuntertrudeln und Gänge entlang eilen. Irgendwo im Dunkeln schnatterte eine Ente‚ krähte ein Hahn‚ gurrte eine Taube‚ schrie eine Eule‚ blökte ein Schaf‚ und Jip bellte. Ich fühlte Vogelschwingen flattern und um mein Gesicht streichen. Andere Tiere liefen mir zwischen den Beinen durch und brachten mich beinahe zu Fall. Die ganze Halle schien sich mit Tieren zu füllen. Der Lärm‚ vermischt mit dem strömenden Regen‚ war ungeheuer‚ und ich fing an‚ mich etwas zu fürchten‚ als der Doktor meinen Arm nahm und mir ins Ohr schrie:

      „Fürchte dich nicht‚ hab’ keine Angst. Es sind nur einige meiner Lieblingstiere. Ich War drei Monate fort‚ und sie freuen sich‚ daß ich wieder nach Haus gekommen bin. Bleib’ stehen‚ wo du bist‚ bis ich Licht mache. Herrgott‚ was für ein Unwetter! Hör nur den Donner!“

      Da stand ich in tiefster Finsternis‚ während alle Arten Tiere‚ die ich nicht sehen konnte‚ sich um mich drängten und lärmten. Es war ein seltsames und komisches Gefühl. Wenn ich bisher durch das Gitter sah‚ hatte ich mir überlegt‚ was für ein Mensch der Doktor wohl sein möge‚ und wie das kleine Haus innen aussähe. Aber so hatte ich’s mir nie vorgestellt. Nachdem ich des Doktors Hand auf meinem Arm spürte‚ ängstigte ich mich nicht mehr‚ sondern war nur noch etwas verstört. Es schien alles wie ein seltsamer Traum‚ und ich begann gerade zu zweifeln‚ ob ich wach sei‚ als der Doktor wieder zu sprechen anfing. „Meine verflixten Streichhölzer sind alle naß‚ sie wollen nicht brennen. Hast du welche bei dir?“

      „Nein‚ leider nicht“‚ rief ich zurück.

      »Schadet nichts“‚ sagte er‚ „vielleicht kann uns Dab-Dab Licht machen.“

      Der Doktor schnalzte einige Male komisch mit der Zunge‚ und ich hörte jemand die Treppe hinaufrollen und in den oberen Räumen umhergehen. Dann warteten wir eine ganze Weile‚ ohne daß irgend etwas geschah.

      „Kommt bald Licht?“ fragte ich. „Ein Tier sitzt auf meinem Fuß‚ und meine Zehen fangen an einzuschlafen.“

      „Nur eine Minute“‚ sagte der Doktor‚ „sie wird gleich zurück sein.“

      Da sah ich grade den Schein eines Lichtes an der oberen Brüstung‚ und plötzlich schwiegen alle Tiere.

      „Ich dachte‚ Sie wohnten allein“‚ sagte ich zum Doktor.

      „Das tue ich auch“‚ erwiderte er‚ „Dab-Dab bringt das Licht.“

      Ich sah die Treppe hinauf. Über das Geländer konnte ich nicht sehen‚ aber ich hörte wunderliche Tritte auf dem oberen Absatz. Es hörte sich an‚ als hopste jemand eine Stufe nach der andern herunter und gebrauchte dabei nur ein Bein.

      „Ach endlich!“ rief der Doktor. „Die gute alte Dab-Dab!“

      Und dann glaubte ich‚ daß ich wirklich träumte. Denn den Hals über die Windung des Geländers gestreckt‚ kam auf einem Fuß eine fleckenlos weiße Ente die Stufen heruntergehüpft. Und in ihrem rechten Fuß trug sie eine brennende Kerze!

      4. Kapitel

      DAS WIFF-WAFF

      Endlich konnte ich mich umsehen. Die Diele war mit Tieren vollgestopft. Alle Arten schienen hier versammelt. Eine Taube‚ eine weiße Maus‚ eine Eule‚ eine Fledermaus‚ ein Maulwurf‚ sogar ein kleines Schwein kam vom verregneten Garten herein und wischte sich sorgfältig die Füße an einer Matte ab‚ während das Licht der Kerze auf seinem nassen rosa Rücken glänzte.

      Der Doktor nahm der Ente den Leuchter ab und wandte sich zu mir: „Du mußt die nassen Kleider ausziehen. Übrigens: wie heißt du?“

      „Thomas Stubbins“‚ sagte ich.

      „Ach‚ bist du der Sohn des Schuhmachers Stubbins?“

      „Ja“‚ antwortete ich.

      „Dein Vater ist ein ausgezeichneter Schuhmacher“‚ sagte der Doktor. „Sieh dir mal die an.“ Er hielt mir seinen rechten Fuß hin‚ um mir die riesigen Stiefel zu zeigen‚ die er trug. „Die hat mir dein Vater vor vier Jahren gemacht‚ und seitdem habe ich sie immer getragen‚ wirklich herrliche Stiefel. Nun mußt du dir schnell die nassen Kleider ausziehen‚ Stubbins‚ wart’ einen Augenblick‚ bis ich noch ein paar Kerzen angezündet habe‚ dann werden wir hinaufgehen und uns trockene Kleider suchen. Du bekommst einen alten Anzug von mir‚ bis wir deine Kleider am Küchenfeuer getrocknet haben.“ Wir gingen nach oben‚ und der Rock des Doktors‚ den er mir gab‚ war so groß‚ daß ich in einem fort auf meine eignen Rockschöße trat‚ als ich Holz vom Keller hinauftragen half. Aber bald flackerte ein riesiges Feuer im Kamin‚ und wir hingen unsere nassen Kleider zum Trocknen auf.

      „Nun wollen wir uns Abendbrot machen“‚ sagte der Doktor. „Du bleibst doch hier und ißt mit mir‚ Stubbins?“

      Ich begann diesen komischen kleinen Mann bereits lieb zu haben, der zu mir ‚Stubbins‘ statt ‚Kleiner‘ oder ‚Tommy‘ sagte. (Ich haßte es so‚ ‚Kleiner‘ genannt zu werden.) Dieser Mann behandelte mich genau wie einen erwachsenen Freund. Und als


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