Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
Hand los und erschlafft sank sie an seine Seite herab. Eine verzweiflungsvolle fruchtlose Anstrengung, den Ast wieder zu fassen, erfolgte, und man sah, wie er einen flüchtigen Augenblick in der leeren Luft umhergriff. Blitzschnell fuhr ein Schuß aus Hawk-eye’s Büchse, die Glieder des Schlachtopfers zitterten und zogen sich krampfhaft zusammen, das Haupt sank herab auf die Brust, und wie ein Bleiklumpen stürzte die Leiche in die schäumenden Wasser, das Element schloß sich über ihm mit rastlosem Ungestüm, und jede Spur des unglücklichen Huronen war auf immer verschwunden.
Kein Siegesruf folgte dem wichtigen Vortheil; selbst die Mohikaner starrten einander mit schweigendem Entsetzen an. Ein einziger Schrei erscholl aus dem Wald und Alles war wieder still. Hawk-eye, der allein noch die Besinnung behalten zu haben schien, schüttelte den Kopf über seine augenblickliche Schwäche und machte sich laute Vorwürfe darüber.
»‘s war die letzte Ladung in meinem Horn und die letzte Kugel in meiner Tasche; das hieß wie ein Knabe gehandelt! Was lag daran, ob er todt oder lebendig auf den Felsen fiel? Mit dem Fühlen wär’s bald vorbei gewesen. Uncas, Junge, geh’ hinab in das Canoe, und bring’ das große Horn: es ist alles Pulver, das wir noch haben und wir brauchen’s bis auf das letzte Korn, oder ich kenne die Mingos nicht.«
Der junge Mohikaner willfahrte und verließ den Kundschafter den unnützen Inhalt seiner Tasche durchsuchend und sein leeres Horn mit erneuter Unzufriedenheit schüttelnd. Von dieser unerfreulichen Untersuchung schreckte ihn jedoch bald ein lauter, durchdringender Schrei aus Uncas Mund auf, der selbst Duncans ungeübtem Ohr wie die Botschaft eines neuen, unerwarteten Unfalls klang. Da jeder Gedanke seiner Seele nur auf den kostbaren, ihm anvertrauten, in der Höhle verborgenen Schatz gerichtet war, so fuhr der junge Mann auf, unbekümmert um die Gefahr, der er sich aussetzte. Wie von gleichem Drange getrieben, ahmten auch seine Begleiter diese Bewegung nach und stürzten zu der freundlichen Kluft mit einem Ungestüm, welches das zerstreute Feuer ihrer Feinde vollkommen unschädlich machte. Der ungewohnte Schrei zog auch die Schwestern mit dem verwundeten David aus ihrem Zufluchtsorte herbei, und ein einziger Blick machte sie mit dem Unstern bekannt, der selbst die kalte Ruhe ihres jungen indianischen Beschützers aus dem Gleichgewichte brachte.
In geringer Entfernung von dem Felsen sah man ihre kleine Barke durch den Strudel in der schnellen Strömung des Flusses auf eine Weise dahintreiben, welche schließen ließ, daß ihr Lauf durch eine verborgene Kraft gelenkt wurde. Sobald dieser unwillkommene Anblick sich dem Auge des Kundschafters darbot, griff er instinktmäßig nach seiner Büchse, aber der Lauf entsprach den sprühenden Funken des Steines nicht.
»Es ist zu spät, ‘s ist zu spät!« rief Hawk-eye, indem er mit bitterem Unmuth die Waffe sinken ließ: »der Schurke hat die Strömung gewonnen, und hätten wir auch Pulver, so könnt’ es kaum die Kugel schneller jagen, als er jetzt forttreibt!«
Der wagehalsige Hurone hob jetzt den Kopf über die Wandung des Canue’s empor, winkte, wahrend er pfeilschnell in der Strömung dahinglitt, mit der Hand und stieß einen Schrei aus, der das wohlbekannte Zeichen eines glücklichen Erfolges war. Sein Ruf wurde durch gellendes Geheul und höhnendes Gelächter aus den Wäldern beantwortet, das so boshaft klang, als ob fünfzig böse Geister ihre Lästerungen über den Fall einer Christenseele ausstießen.
»Ihr habt gut lachen, ihr Höllenkinder!« sprach der Kundschafter, indem er sich auf den Vorsprung eines Felsens setzte, und die Büchse nachläßig zu seinen Fußen fallen ließ; »die drei schärfsten und besten Flinten in diesen Wäldern sind jetzt nicht mehr werth, als drei Wollkrautstängel, oder ein vorjähriges Rehgeweih!«
»Was ist zu thun?« fragte Duncan, bei welchem der Eindruck getäuschter Hoffnung dem männlichen Verlangen nach Anstrengung gewichen war; »was wird aus uns werden?« Hawk-eye fuhr statt der Antwort auf eine so bezeichnende Weise mit dem Finger um seinen Schädel, daß seine Herzensmeinung von Niemand bezweifelt werden konnte.
»Gewiß, gewiß steht es mit uns noch nicht so verzweifelt,« rief der junge Mann; »die Huronen sind nicht hier; wir können die Höhlen vertheidigen, uns ihrer Landung widersetzen.«
»Mit was?« fragte kaltblütig der Kundschafter. »Mit Uncas’ Pfeilen? oder mit Weiberthränen? Nein, nein: Ihr seyd jung und reich und habt Freunde: in solchem Alter ist es freilich hart zu sterben! Aber,« hier warf er einen Blick auf die Mohikaner, »laßt uns bedenken, daß wir Männer reiner Abkunft sind, und diese Eingebornen der Wälder lehren, daß weißes Blut so frei als rothes fließen kann, wenn die bestimmte Stunde gekommen ist.«
Duncan wandte sich schnell nach der Richtung, die ihm des Andern Augen gaben, und las eine Bestätigung seiner schlimmsten Besorgnisse in dem Benehmen der Indianer.
Chingachgook setzte sich mit würdevoller Haltung auf ein anderes Felsstück, hatte bereits sein Messer und seinen Tomahawk bei Seite gelegt und war im Begriff die Adlersfeder vom Haupte zu nehmen, und seinen Harschopf für den letzten, empörenden Dienst in Ordnung zu bringen. Seine Miene war ruhig, obgleich nachdenklich, während das Feuer seiner dunkeln, glühenden Augen allmählig in einen Ausdruck überging, der für das Schicksal, das er im nächsten Augenblick erwartete, mehr geeignet war.
»Unsere Lage kann noch nicht so hoffnungslos seyn!« sprach Duncan: »selbst in diesem Augenblick ist uns vielleicht Hülfe nah. Ich sehe keine Feinde: sie sind offenbar des Kampfes müde, in dem sie so viel wagen und so wenig Aussicht zum Gewinne haben.
»Es steht eine Minute, vielleicht eine Stunde an, so stehlen sich die listigen Schlangen heran, und es ist ganz in ihrer Art, daß sie in diesem Augenblicke schon innerhalb Hörweite sind,« sprach Hawk-eye, »aber kommen werden sie und in einer Weise, die uns nichts mehr hoffen läßt! – Chingachgook« – hier sprach er Delawarisch – »mein Bruder, wir haben unsern letzten Kampf zusammen gekämpft, und die Maquas werden triumphiren über den Tod des weisen Mannes der Mohikaner und des Blaßgesichtes, dessen Auge Nacht zu Tag und Wolken zu Frühlingsnebeln machen kann!«
»Laß die Mingoweiber über ihre Erschlagenen weinen!« entgegnete der Indianer mit charakteristischem Stolz und unerschütterlicher Festigkeit; »die große Schlange der Mohikaner hat sich in ihre Wigwams aufgerollt und ihren Triumph mit den Wehklagen der Kinder vergiftet, deren Väter nicht mehr zurückgekehrt sind! Elf Krieger liegen von den Gräbern ihres Stammes entfernt, seit der Schnee geschmolzen ist, und Niemand kann sagen, wo sie zu finden sind, wenn Chingachgook’s Zunge verstummt! Laß sie ihr schärfstes Messer ziehen, und ihren flinksten Tomahawk schwingen: denn ihr bitterster Feind ist unter ihren Händen. Uncas, letzter Zweig eines edeln Stammes, rufe den Memmen, daß sie sich beeilen, sonst erweichen ihre Herzen und sie werden zu Weibern!«
»Sie suchen unter den Fischen nach ihren Todten!« antwortete die leise, sanfte Stimme des jugendlichen Häuptlings; »die Huronen schwimmen mit den schleimigen Aalen. Sie fallen von den Eichen, wie die Frucht, reif zum Essen! und die Delawaren lachen!«
»Ja, ja,« murmelte der Kundschafter, welcher diesen eigenthümlichen Herzensergießungen mit größter Aufmerksamkeit zugehört hatte: »sie haben ihr indianisches Herz erwärmt und werden bald die Maquas auffordern, ein baldiges Ende mit ihnen zu machen. Was mich betrifft, der ich das reine Blut der Weißen in mir trage, ich muß sterben, wie es meiner Farbe ziemt, mit keinem Scheltwort im Munde und keiner Bitterkeit im Herzen!«
»Warum aber sterben?« fragte Cora: von der Stelle vortretend, wo sie bis auf diesen Augenblick natürlicher Schreck unter dem Schutze des Felsen gehalten hatte. »Flieht in die Wälder und ruft Gott um Beistand an! Geht, wackere Männer, wir verdanken euch bereits zu viel, und wollen euch nicht länger an unser unglückliches Schicksal fesseln.«
»Da kennt Ihr die List der Irokesen wenig, Lady! wenn Ihr glaubt, daß sie uns den Weg in die Wälder offen gelassen haben,« versetzte Hawk-eye, fügte jedoch gleich darauf in seiner schlichten Weise hinzu: »die Strömung würd’ uns freilich bald aus dem Bereiche ihrer Büchsen oder Stimmen bringen.«
»So versucht es mit dem Fluß! Warum noch säumen und die Zahl der Opfer unsrer erbarmungslosen Feinde vermehren?«
»Warum?« wiederholte der Kundschafter, stolz um sich blickend, »weil es einem Manne besser ziemt, im Frieden mit sich selbst zu sterben,