Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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Eile, obgleich mit der äußersten Pünktlichkeit, sein Gewehr wieder zu laden. Als dies geschehen war, nahm er sein Wild auf, zeigte der Gesellschaft, daß dem Vogel der Kopf abgeschossen war, und rief:

      »Das ist ein ganz leckerer Weihnachtsbraten für einen alten Mann – laßt es daher nur gut sein mit dem Wildbret, Junge, und vergeßt mir den Indianer John nicht; seine Kräuter sind besser als alles ausländische Gesalbe. – Da, Richter« – er hielt den Vogel wieder in die Höhe – »glauben Sie wohl, Ihre Schlüsselbüchse würde auch einen Vogel von seiner Stange herunterholen, ohne eine Feder zu verletzen?«

      Der alte Mann verzog wieder den Mund zu seinem eigentümlichen Lachen, das Triumph, Heiterkeit und Ironie in gleicher Weise ausdrückte, nahm seine Büchse auf die Schulter und ging raschen Schrittes in den Wald hinein. Bei jedem Tritt verkürzte sich sein Körper um einige Zoll, da die Knie des alten Mannes im Gehen einwärts knickten; als der Sleigh aber in einer Straßenbiegung wendete und der Jüngling wieder spähend nach seinem Begleiter blickte, war dieser bereits fast ganz durch die Baumstämme verborgen, während ihm die Hunde ruhig auf den Fersen folgten und nur hin und wieder nach einer Wildspur auf dem Boden hinschnupperten, als lehre sie ihr Instinkt, daß es diesmal von keinem Nutzen sei, ihr weitere Aufmerksamkeit zu erweisen. Eine abermalige Wendung des Sleigh, und Lederstrumpf war verschwunden.

       Inhaltsverzeichnis

      Ein jeder Platz, vom Himmelslicht beleuchtet,

       Verwandelt sich zum Glückesport dem Weisen.

       Denk’ ja nicht, daß der König dich verbannt,

       Nein, du den König! –

      Richard II.

      Ungefähr hundertundzwanzig Jahre vor dem Beginn unserer Erzählung ließ sich ein Vorfahr Marmaduke Temples, ein Freund und Glaubensgenosse des großen Gründers dieser Kolonie, in Pennsylvanien nieder. Der alte Marmaduke – denn dieser halsbrechende Vorname war eine Art Familienprärogativ – brachte nach diesem Asyl der Verfolgten einen schönen Anteil an Gütern dieser Welt mit, durch die er sich zum Herrn von vielen tausend Acker unbewohnten Landes und zum Versorger einer großen Anzahl mittelloser Ansiedler machte. Er wurde wegen seiner Frömmigkeit sehr geachtet und als Sektenführer ausgezeichnet, so daß ihm seine Glaubensgenossen manche wichtigen Ämter anvertrauten. Zum Glück starb er jedoch noch gerade zur rechten Zeit, um der Kunde von seiner eigenen Verarmung zu entgehen – ein Los, das er mit vielen teilte, die Reichtümer in die neuen Ansiedlungen der mittleren Kolonien gebracht hatten.

      Die Bedeutung eines Ansiedlers in diesen Provinzen ließ sich hauptsächlich aus der Zahl seiner weißen Dienstleute und Abhängigen und aus der Beschaffenheit der öffentlichen Ämter, die er verwaltete, ermessen. Wenn man diese Regel zur Leitschnur nimmt, so mußte der Vorfahr unseres Richters ein sehr angesehener Mann gewesen sein.

      Es ist indes bis auf den heutigen Tag nicht ohne Interesse, in die kurzen Berichte jener frühen Periode Einsicht zu nehmen, in denen man regelmäßig und fast ohne Ausnahme auf der einen Seite die Reichen allmählich zur Armut heruntersinken, auf der andern die Diener derselben Vermögen und Reichtümer erwerben sieht. An alle Bequemlichkeiten des Lebens gewöhnt und unfähig, die Kämpfe, welchen eine Gesellschaft in ihrer Kindheit anheimfällt, zu bestehen, blieb der reiche Einwanderer kaum imstande, seinen Rang durch das persönliche Übergewicht seiner Erziehung und Kenntnisse zu behaupten; sobald er aber die Augen schloß, sahen sich seine trägen und ungebildeten Nachkommen genötigt, der rührigen Tatkraft einer Klasse, die durch die Not arbeiten gelernt hatte, den Vorrang einzuräumen. Dies ist der gewöhnliche Gang der Dinge in den Vereinigten Staaten sogar noch in unseren Tagen; vornehmlich war es aber das Schicksal der Reichen und Armen in den friedliebenden, wenig unternehmenden Kolonien von Pennsylvanien und New Jersey.

      Marmadukes Nachkommen hatten das gleiche Los wie so viele, die sich lieber auf ihre ererbte Habe als auf ihre persönlichen Kräfte verließen, und in der dritten Generation waren sie auf einem Punkt angelangt, unter den in einem so glücklichen Lande ehrbare, verständige und nüchterne Leute kaum heruntersinken können. Aber derselbe Familienstolz, der durch seine selbstzufriedene Indolenz ihren Fall herbeigeführt hatte, wurde nun auch zu einem Hebel, ihren Wiederaufschwung zu bewerkstelligen. Das frühere kränkelnde Gefühl wandelte sich in das gesunde, tatkräftige Verlangen um, das Ansehen ihrer Vorfahren und womöglich auch ihren Reichtum wiederzugewinnen. Der Vater des Richters war der erste, der sich wieder auf der Leiter der bürgerlichen Gesellschaft zu heben begann; eine Heirat unterstützte ihn hierin wesentlich und gab ihm auch die Mittel, seinen einzigen Sohn weit besser erziehen zu lassen, als es bei dem schlechten Zustand der Schulanstalten in Pennsylvanien möglich oder in den zwei oder drei vorangehenden Generationen seiner Familie üblich war.

      Der junge Marmaduke lernte in der Schule, deren Vorteile er dem wiederauflebenden Glück seines Vaters verdankte, einen Jüngling kennen, der mit ihm in gleichem Alter stand, und schloß mit ihm eine innige Freundschaft. Dies war ein glücklicher Bund für unseren Richter, er bahnte ihm den Weg zu seinem künftigen Ansehen.

      Edward Effinghams Familie war nicht nur sehr reich, sondern hatte auch einen nicht unbedeutenden Einfluß bei Hofe. Sie gehörte unter die wenigen in den Kolonien, welche eine Erniedrigung ihrer Glieder darin erblickten, wenn sie Handelsgeschäfte betrieben, und trat deshalb nur aus der Zurückgezogenheit ihres häuslichen Lebens hervor, wenn es galt, in den Kolonialversammlungen zu präsidieren oder in Kriegszeiten die Waffen zu führen. Letzteres war von Jugend auf das Gewerbe von Edwards Vater gewesen. Unter der Krone Großbritanniens und vor sechzig Jahren mußte militärischer Rang durch einen weit längeren und beschwerlicheren Dienst erkauft werden als heutzutage. Jahre wurden ohne Murren in den niedrigeren Graden hingebracht; dagegen glaubten aber auch die in den Kolonien stationierten Soldaten, wenn sie sich einmal bis zu dem Kommando einer Kompanie emporgeschwungen hatten, von den friedlichen Bewohnern der Scholle die tiefste Verehrung fordern zu dürfen. Jeder unserer Leser, der über den Niagara kommt, wird nicht nur die Wichtigkeit, die jeder, selbst der unbedeutendste Diener der Krone seiner Stellung beilegt, sondern auch die wirkliche Achtung gewahren, deren er sich allseitig – sogar in dieser Polargegend des königlichen Sonnenscheins – erfreut. Mit solcher Achtung wurde vor nicht gar zu langer Zeit auch der Krieger in einem Staatenverband behandelt, in dem jetzt glücklicherweise keine Spur von Krieg mehr zu sehen ist, wenn nicht die freie und furchtlose Stimme des Volkes sich für einen solchen entscheidet. Als daher der Vater von Marmadukes Freund sich nach vierzigjähriger Dienstzeit mit dem Rang eines Majors in den Privatstand zurückzog und ein verhältnismäßig glänzendes Haus führte, wurde er natürlich in seiner heimatlichen Kolonie Neuyork als ein Mann von hoher Bedeutung betrachtet. Er hatte mutig und treu gedient und war daher nach allgemeinem Brauch in den Provinzen mit einer Auszeichnung behandelt und mit Aufträgen beehrt worden, die weit über seine Stellung hinausgingen. Als er der Gebrechlichkeit des Alters weichen mußte, trat er mit Würde ab und wies sogar den üblichen halben Sold wie auch jede andere Belohnung für Dienste, die er nicht länger mehr versehen konnte, zurück.

      Das Ministerium bot ihm mehrere Zivilämter an, die neben der Ehre auch materielle Vorteile eintrugen; er schlug sie jedoch mit dem ritterlichen Unabhängigkeitsgefühl, welches sein ganzes Leben hindurch seinen Charakter bezeichnet hatte, unter ehrfurchtsvollem Dank aus, und bald nach diesem Akt patriotischer Uneigennützigkeit übte er in seinem eigenen Hause eine Handlung der Großmut, welche, sowenig sie auch der Klugheit gemäß zu sein schien, doch in vollkommenem Einklang mit dem redlichen wohlwollenden Sinn des Veteranen stand.

      Marmadukes Freund war sein einziges Kind, und bei Gelegenheit der Vermählung dieses Sohnes mit einer Dame, welcher der Vater besonders wohlwollte, trat ihm der Major sein ganzes Vermögen ab, das aus bedeutenden Kapitalien, einer Wohnung in der Stadt, einem Landhaus, einigen wertvollen Gütern in den alten Teilen der Kolonie und umfangreichen Besitz unbebauten Landes in den neuen bestand, – ein Schritt, der seinen künftigen Unterhalt ausschließlich von der kindlichen Liebe seines Sohnes abhängig machte. Schon als Major Effingham die freigebigen Anerbietungen des britischen Ministeriums ablehnte, meinten die Jäger nach Hofgunst,


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