Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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mit einer anmutigen und doch so schnellen Bewegung, als wäre es ein lebendes Wesen, dem Land näherte. Die Wasserfläche kräuselte sich kaum vor dem dahinziehenden Kahn, und lautlos schoß das leichte Fahrzeug fast um die Hälfte seiner Länge an dem kiesigen Ufer auf, wobei Natty um einige Schritte vom Bug zurücktrat, um die Landung zu erleichtern.

      »Kommt heran!« sagte Marmaduke, »kommt heran, Lederstrumpf, und beladet Euer Boot mit Barschen. Es wäre eine Schmach, die Tiere mit der Gabel anzugreifen, während soviel Opfer hier liegen, die zugrunde gehen müssen, weil es an Menschen fehlt, sie zu verzehren.«

      »Nein, nein, Richter«, entgegnete Natty, indem er über das schmale Kiesgestade hinschritt und zu der kleinen Grasfläche hinanstieg, wo die Fische aufgehäuft lagen, »ich esse nichts von einem solchen verschwenderischen Fang. Ich brauche meine Gabel, wenn’s mich nach einem Aal oder einer Forelle gelüstet, aber ich möchte keinen Teil an einer so sündhaften Art zu fischen haben, und wenn man mir die beste Büchse, die je aus dem alten Land kam, dafür geben wollte. Wenn sie noch Pelzwerk hätten wie ein Biber, oder wenn man ihre Häute gerben könnte wie die des Hirsches, so ließe es sich noch allenfalls entschuldigen, wenn man sie zu Tausenden wegfängt; da sie aber Gott zur Speise für den Menschen und zu nichts anderem bestimmt hat, so nenne ich es eine sündhafte Verwüstung, wenn man mehr fängt, als man essen kann.«

      »Ihr sprecht mir aus dem Herzen; denn für diesmal, alter Jäger, bin ich ganz Eurer Ansicht, und es wäre mir nichts lieber, als wenn wir den Sheriff auch bekehren könnten. Ein Fang mit einem halb so großen Netz würde das ganze Dorf für eine Woche mit Fischen versehen.«

      Diese Übereinstimmung der Gesinnungen schien nicht nach Lederstrumpfs Geschmack zu sein; denn er schüttelte zweifelnd den Kopf und antwortete:

      »Nein, nein; unsere Ansichten sind nicht eins, Richter, sonst würden Sie nicht gute Jagdgründe in Weiden voll Baumstümpfe verwandeln; auch ist Ihr Fischen und Jagen durchaus nicht in der Regel. Was mich anbelangt, so schmeckt mir das Fleisch eines Tieres, das mir möglicherweise entkommen kann, viel besser, und aus diesem Grunde brauche ich immer nur eine einzige Kugel, wäre es selbst auf einen Vogel oder auf ein Eichhörnchen. Man spart zudem noch Blei; denn wenn man zu schießen versteht, so reicht ein einziges Stück hin, wenn sich’s nicht etwa um Tiere handelt, die ein besonders zähes Leben haben.«

      Der Sheriff horchte mit großer Entrüstung auf diese Worte, und nachdem er die Teilung beendigt hatte, indem er eigenhändig eine ungemein große Forelle quer über vier aufeinander folgende Haufen legte, wie es seine schwankenden Begriffe von Gerechtigkeit zu fordern schienen, machte er seinem Unmut in Worten Luft.

      »In der Tat eine saubere Verbindung, wenn sich der Richter Temple, der Herr und Besitzer des ganzen Landstrichs, mit Nathanael Bumppo, einem gesetzlosen Squatter und Jäger von Profession vereinigt, um das Jagdbare des Bezirks zu schützen! Doch gleichviel, Duke! wenn ich fischen will, so fische ich. Drum fort, Jungen, einen weiteren Zug! Wir wollen morgen unsere Wagen und Karren herausschicken, um die Beute heimzuholen.«

      Marmaduke schien einzusehen, daß alle Einrede den Willen des Sheriffs nicht zu brechen imstande war. Er verließ daher das Feuer und begab sich nach dem Ort, wo der Kahn der Jäger lag, und wohin die Damen, zusammen mit Oliver Edwards, bereits vorangegangen waren.

      Die Mädchen hatten sich durch ihre Neugierde nach der Stelle locken lassen, während sich der Jüngling aus einem ganz anderen Beweggrund dorthin verfügte. Elisabeth untersuchte die leichten Eschenbretter und die dünne Rindendecke des Kahns und bewunderte dessen zwar einfache, aber zierliche Konstruktion, obgleich sie nicht wenig erstaunt war, daß ein menschliches Wesen so waghalsig sein konnte, sein Leben einem so zerbrechlichen Fahrzeug anzuvertrauen. Der Jüngling machte sie daher auf die leichte Schwimmfähigkeit des Nachens aufmerksam, durch die er bei zweckmäßiger Leitung durchaus nicht gefährlich war, und er schilderte ihr zugleich in lebhaften Farben das Fischen mit der Gabel. Dies verscheuchte mit einem Male alle ihre Befürchtungen, und sie wünschte, nun auch einer solchen Belustigung beizuwohnen. Sie hatte es eben gewagt, ihrem Vater einen entsprechenden Vorschlag zu machen, indem sie zugleich über ihren eigenen Wunsch lachte und ihn eine Frauenzimmergrille nannte.

      »Rede nicht so, Beß«, entgegnete der Richter, »denn ich habe es gern, daß du über die eitle Furcht eines törichten Mädchens erhaben bist. Diese Kähne sind für Leute, die Kraft mit Geschicklichkeit verbinden, die sichersten Fahrzeuge. Ich bin über den Oneida an einer Stelle, wo er am breitesten ist, in einem viel kleineren Nachen als diesem hinübergefahren.«

      »Und ich über den Ontario«, fiel Lederstrumpf ein, »wobei ich noch obendrein Weiber in dem Kahn hatte. Aber die Frauen der Delawaren sind das Rudern gewöhnt und leisten gute Dienste in einem derartigen Fahrzeug. Wenn die junge Dame zusehen will, wie ein alter Mann eine Forelle für sein Frühstück spießt, so macht es mir Freude, sie in mein Schifflein aufzunehmen. John wird das auch sagen; denn er hat den Kahn neu gezimmert, und er wurde erst gestern ins Wasser gelassen. Solche Arbeit gefällt mir besser als das Korbflechten und andere ähnliche kleine Hantierungen der Indianer.«

      Natty ließ jetzt sein bezeichnendes Lachen vernehmen, indem er zugleich den Schluß seiner Einladung mit einem freundlichen Kopfnicken begleitete. Aber nun trat Mohegan mit der eigentümlichen Anmut eines Indianers heran, ergriff Elisabeths weiche, weiße Hand mit seinen dunkeln, runzligen Fingern und sagte:

      »Komm, Enkelin von Miquon, und John wird sich freuen! Vertraue dem Indianer; sein Kopf ist alt, und da seine Hand nicht mehr so sicher ist wie sonst, so wird der junge Adler gehen und achthaben, daß seine Schwester keinen Schaden nimmt.«

      »Herr Edwards«, sagte Elisabeth leicht errötend, »Ihr Freund Mohegan hat für Sie ein Versprechen gegeben. Werden Sie der Ihnen auferlegten Verpflichtung nachkommen?«

      »Mit meinem Leben, wenn es nötig wäre, Miss Temple«, rief der Jüngling. »Das Schauspiel ist wohl ein bißchen Angst wert; denn wirkliche Gefahr ist keine vorhanden. Ich werde übrigens Sie und Miss Grant begleiten, um Sie zu ermutigen.«

      »Mich?« rief Luise. »Nein, nicht mich, Herr Edwards. Aber es ist doch sicher nicht Ihr Ernst, sich einem so leichten Kahn anzuvertrauen?«

      »Nun, so steige ich allein ein; denn alle meine Besorgnisse sind verschwunden«, sagte Elisabeth, indem sie in das Boot hüpfte und den Sitz einnahm, den ihr der Indianer angewiesen hatte. »Herr Edwards, Sie können zurückbleiben, denn drei Personen scheinen mir genug für eine solche Eierschale.«

      »Sie soll auch noch den vierten tragen«, rief der junge Mann, indem er mit einem Ungestüm in das leichte Fahrzeug sprang, daß es unter ihm zusammenbrechen zu wollen schien. »Verzeihen Sie, Miss Temple, daß ich diesen achtbaren Charons nicht gestatte, sie ohne Ihren Genius in das Reich der Schatten zu fuhren.«

      »Ist dieser Genius ein guter oder ein böser Geist?« fragte Elisabeth.

      »Für Sie ein guter.«

      »Und für die Meinigen?« fügte die Jungfrau mit einer Miene bei, in welcher sich Empfindlichkeit auf eine seltsame Weise mit Zufriedenheit paarte. Aber die Bewegung des Kahns führte ihre Gedanken in eine neue Richtung und gab glücklicherweise dem jungen Mann einen Grund an die Hand, den Gegenstand des Gesprächs zu wechseln.

      Es kam Elisabeth vor, als glitte sie unter dem Einfluß einer magischen Gewalt über das Wasser hin, so leicht und anmutig lenkte Mohegan seine kleine Barke. Eine schwache Bewegung mit der Fischgabel deutete den Weg an, welchen Lederstrumpf zu gehen wünschte, und die Gesellschaft beobachtete ein tiefes Schweigen, da eine solche Vorsicht für den Erfolg ihrer Fischerei nötig war. An der Stelle, wo sie sich gegenwärtig befanden, war das Wasser ziemlich seicht, ganz im Gegensatz zu jenen Teilen, wo das Gebirge fast senkrecht von dem Ufer anstieg. Dort hätten die größten Schiffe liegen und ihre Rahen in die Fichten verwickeln können, während hier nur etliche Binsen ihre Spitzen über die sanft sich kräuselnden Wasser des Sees erhoben und in der leichten Nachtluft flüsternde Töne verbreiteten. Nur an solchen seichten Stellen war der Barsch zu finden oder konnte überhaupt das Netz mit Erfolg ausgeworfen werden.

      Elisabeth sah Tausende dieser Fische in dem warmen Wasser des Ufers schwimmen; denn das helle Licht ihrer


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