Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper


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greifen«, erwiderte die andere in leisem und ergebungsvollem Ton, »doch gibt es Entbehrungen, die das Herz schwer ankommen.«

      »Sie reden doch nicht von sich selbst?« rief Elisabeth hastig. »Nein, nein, meine Liebe, Sie können unmöglich das Elend erfahren haben, das von der Armut begleitet ist!«

      »Ach, Miss Temple! Sie kennen, wie mir scheint, die Mühseligkeiten dieses Lebens wenig. Mein Vater hat viele Jahre als Missionar in diesen neuen Landen zugebracht, wo seine Gemeinde so arm war, daß es uns oft an trockenem Brot gebrach, ohne daß wir imstande gewesen wären, welches zu kaufen; und betteln wollte er nicht, weil er seinen heiligen Beruf nicht entehren mochte. Aber wie oft habe ich ihn sein Haus verlassen sehen, während seine kranken und hungrigen Angehörigen bei seinem Fortgang fühlten, daß sie ihren einzigen Erdenfreund verloren; und doch tat er dies, weil er seine Pflicht wegen häuslichen Notstandes nicht versäumen mochte. Ach, wie schwer muß es sein, anderen Trost zu bringen, wenn das eigene Herz vor Kummer brechen will!«

      »Aber es ist jetzt doch alles vorüber! Ihres Vaters Einkommen muß nun seinen Bedürfnissen entsprechen, es muß – es soll – –«

      »Ja«, entgegnete Luise, indem sie das Haupt sinken ließ, um die Tränen zu verbergen, die trotz ihres ergebungsvollen Sinnes ihren Augen entströmten, »denn es ist niemand übriggeblieben, den er zu ernähren hätte, als ich.«

      Mit dieser Wendung des Gesprächs verdrängte eine heilige Rührung alle anderen Gedanken aus den Gemütern der jungen Mädchen, und Elisabeth schloß ihre Freundin in die Arme, als diese ihrem Schmerz durch ein hörbares Schluchzen Luft machte. Nachdem sich dieser Gefühlsausbruch gelegt hatte, erhob Luise ihr sanftes Antlitz, und sie setzten schweigend ihren Spaziergang fort.

      Sie hatten indessen die Spitze des Berges erreicht, wo sie die Straße verließen und unter dem Schatten der stattlichen Bäume weitergingen. Der Tag war warm, und die Mädchen gingen immer tiefer in den Wald, da die belebende Kühle des Dickichts in angenehmem Gegensatz zu der Hitze stand, der sie beim Bergansteigen ausgesetzt gewesen waren. Die Unterhaltung beschränkte sich, als geschehe es in wechselseitiger Übereinkunft, ganz auf das, was ihnen ihr Spaziergang bot, und jede hohe Fichte, jedes Gebüsch und jede Blume entlockte ihnen irgendeinen einfachen Ausdruck der Bewunderung.

      In dieser Weise wandelten sie am Felsenrande hin, indem sie gelegentlich Blicke nach der ruhigen Fläche des Otsego warfen oder innehielten, um auf das Rasseln der Räder und die Schläge der Hämmer zu horchen, die vom Tal herauftönten und die Anzeichen menschlichen Treibens in die Natureindrücke mischten, als Elisabeth plötzlich mit dem Aufruf zusammenfuhr:

      »Horch! Ich höre ein Kind auf diesem Berg schreien. Ist etwa eine Lichtung in der Nähe? Oder sollte vielleicht ein Kleines von seinen Eltern fortgelaufen sein und sich verirrt haben?«

      »So etwas kommt oft vor«, versetzte Luise. »Wir wollen den Tönen nachgehen. Vielleicht ist’ s ein Wanderer, der in den Bergen verschmachtet.«

      Durch diesen Gedanken angetrieben, folgten die Mädchen mit raschen und ungeduldigen Schritten den dumpfen und kläglichen Tönen, die aus dem Walde hervordrangen. Mehr als einmal stand die voraneilende Elisabeth im Begriff auszurufen, sie sehe den Notleidenden, als plötzlich Luise ihren Arm erfaßte und mit dem Ausrufe hinter sich wies: »Sehen Sie Ihren Hund an!«

      Brave war, seit ihn die Stimme seiner jungen Gebieterin aus der Hütte gelockt hatte, bis auf diesen Augenblick nicht von ihrer Seite gewichen. Sein vorgerücktes Alter hatte ihn schon längst seiner Rührigkeit beraubt, und wenn die beiden Mädchen haltmachten, um die Landschaft zu betrachten oder ihre Blumensträuße zu vergrößern, so pflegte sich der mächtige Bullenbeißer auf die Erde zu legen, indem er mit halbgeschlossenen Augen und einer Trägheit in seinem ganzen Wesen, die übel zu dem Charakter eines Beschützers paßte, ihre Bewegungen beobachtete. Als aber Miss Temple bei Luises Ausruf sich umwandte, bemerkte sie, daß der Hund seine Augen scharf auf irgendeinen fernen Gegenstand heftete, während er den Kopf zur Erde senkte und seine Haare, sei es nun aus Furcht oder Zorn, sich sträubten. Wahrscheinlich war das letztere der Fall; denn er ließ ein dumpfes Knurren vernehmen, wobei er hin und wieder in einer Weise, die seine Gebieterin erschreckt haben würde, wenn sie nicht die guten Eigenschaften des Tieres gekannt hätte, die Zähne zeigte.

      »Brave!« rief sie ihm zu. »Sei ruhig, Brave! Was siehst du, alter Bursche?«

      Bei dem Ton ihrer Stimme mehrte sich augenscheinlich die Wut des Bullenbeißers, statt sich zu mindern. Er eilte vor die Damen hin, legte sich seiner Gebieterin zu Füßen, heulte noch lauter als vorher und machte hin und wieder seinem Zorn durch ein kurzes, bissiges Bellen Luft.

      »Was mag er wohl sehen?« sagte Elisabeth. »Da muß irgendein Tier in Sicht sein.«

      Da Miss Temple keine Antwort von ihrer Gefährtin erhielt, so wandte sie den Kopf herum und erblickte Luise, die mit leichenblassem Gesicht dastand und unter krampfhaftem Zittern ihres Armes mit dem Finger in die Höhe deutete. Elisabeths rasches Auge folgte der von ihrer Freundin angedeuteten Richtung und gewahrte die stolze Stirn und die funkelnden Augen eines Pantherweibchens, welches, zum Sprung bereit, grimmige Blicke nach ihnen schoß.

      »Laß uns fliehen«, rief Elisabeth, indem sie Luises Arm ergriff, deren Körper gleich schmelzendem Schnee zusammenbrach.

      Es lag nicht der mindeste Zug in Elisabeth Temples Charakter, der sie hätte veranlassen können, eine Freundin in einer solchen Not zu verlassen. Sie fiel neben der leblosen Luise auf ihre Knie nieder und lüftete instinktiv und rasch diejenigen Teile der Bekleidung ihrer Gefährtin, die dem Atmen Eintrag tun konnten, indem sie zugleich ihre einzige Sicherheitswache, den Hund, durch die Töne ihrer Stimme zu ermutigen suchte.

      »Halte dich wacker, Brave!« rief sie in bebenden Lauten. »Mut, Mut, guter Brave!«

      Ein junger Panther, der bisher Elisabeths Blicken entgangen war, kugelte nun aus den Zweigen eines Gesträuchs herunter, das im Schatten der dem alten Tier zum Sitz dienenden Buche wuchs. Das unerfahrene Geschöpf näherte sich dem Hunde, indem es die Gebärden und Töne seiner Mutter nachahmte, aber auf eine seltsame Weise das Spielen eines Kätzchens mit der Wildheit seiner Rasse vereinigte. Es stellte sich auf seine Hinterbeine und zerkratzte mit den Vorderpfoten die Rinde eines Baumes in katzenartiger Possierlichkeit; dann peitschte es sich selber mit dem Schwanz, heulte und scharrte die Erde auf, wobei es versuchte, den gleichen Grimm an den Tag zu legen, der seine Mutter so schrecklich machte.

      Die ganze Zeit über stand Brave fest und furchtlos da, den kurzen Schwanz in die Höhe gereckt und den Körper gegen seine Hinterbeine zurückgezogen, während seine Augen unablässig die Bewegungen der beiden Bestien beobachteten. Das Junge kam spielend mit jedem Sprung dem Hunde näher, und das Heulen der drei Tiere wurde mit jedem Augenblicke schrecklicher, bis der junge Panther sich überschlug und gerade vor dem Bullenbeißer niederfiel. Es war ein Augenblick des fürchterlichsten Kampfes und Geheuls, der aber ebenso rasch endete, wie er begonnen hatte; denn unmittelbar darauf sah man das junge Tier aus Braves Rachen in die Luft wirbeln und mit solcher Gewalt gegen einen Baum fliegen, daß es völlig besinnungslos wieder zur Erde fiel.

      Elisabeth war Zeugin des kurzen Kampfes, und das Blut schoß ihr bei dem Triumph des Hundes wärmer durch die Adern, als sie auf einmal die Gestalt der alten Pantherin in die Luft schießen sah, die aus zwanzig Fuß Entfernung von dem Buchenast auf den Rücken des Bullenbeißers niederstürzte. Keine Worte vermögen den wütenden Kampf zu schildern, der jetzt folgte. Es war ein wirres Balgen auf den trockenen Blättern, begleitet von lautem und schrecklichem Geheul. Miß Temple blieb, mit dem Körper über Luise gebeugt, auf ihren Knien liegen und heftete ihre Augen mit einer entsetzensvollen, aber doch so gespannten Teilnahme auf die Tiere, daß sie fast über den Ausgang des Kampfes ihre eigene Sicherheit vergaß. Die Sprünge der Waldbewohnerin waren so rasch und lebhaft, daß ihre bewegliche Gestalt fast ohne Unterlaß in der Luft zu schweben schien, während der edle Hund bei jeder neuen Wendung seinem Feinde wacker standhielt. Wenn der Panther sein Hauptziel, die Schulter des Bullenbeißers, erreicht hatte, so schüttelte der alte Brave seinen wütenden Gegner stets wie eine Feder ab, obgleich seine Haut an vielen Stellen zerrissen war und er bereits aus einem Dutzend Wunden blutete; er richtete sich auf seine Hinterbeine


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