Der kleine Hui Buh - Verspukt und zugehext (Bd. 1). Ulrike Rogler

Der kleine Hui Buh - Verspukt und zugehext (Bd. 1) - Ulrike Rogler


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Allerdings sind es keineswegs gewöhnliche Bilder. Die Hexen und Gespenster, die hier zu sehen sind, können sich nämlich bewegen und sogar sprechen.

      Besonders zwei von ihnen, das Gespenst Hubert und die Hexe Ernestine, reden ziemlich viel, wenn die Nacht lang ist … Und die beiden lieben es, anderen Streiche zu spielen. Sie tragen sogar einen kleinen Wettstreit aus. Wem gelingt es häufiger, jemand reinzulegen?

      Im Augenblick steht es 912 zu 912, also unentschieden. Als Hui Buh und Hedda Hex nun durch den Flur zur magischen Wendelrutsche laufen, wittert Hubert seine Chance:

      „Hui Buh, dein Schuh ist offen!“, ruft er dem Gespenst hinterher. Voller Vorfreude zupft er an seinem roten Schal.

      „Oh, danke, Hubert.“ Hui Buh bückt sich, um seinen Schnürsenkel zuzubinden, und schaut verdattert. „Huch! Das geht doch gar nicht. Ich trage Stiefel!“

      „Reingefallen, hahaha!“, feixt das Gespenst. „Ernestine, hast du das gesehen?!“, lachend tippt Hubert gegen Ernestines Bilderrahmen. „Jetzt steht es 913 zu 912.“

      Ernestine lehnt sich weit aus dem Bild, um alles besser beobachten zu können. Dabei stößt ihr großer Hexenhut oben an den Rahmen. „Nicht lange, Hubert!“, verspricht sie und ihre Augen funkeln vergnügt.

      Hui Buh runzelt entrüstet die Stirn. „Bei allen verspukten Geistern, macht ihr euch lustig über mich?“ Er blickt zwischen Hubert und Ernestine hin und her.

      Hedda Hex zupft das Nachwuchsgespenst besänftigend am Ärmel und zieht es mit sich. „Lass dich von denen doch nicht ärgern!“

      „Pah“, schnaubt Hui Buh, „ärgern? Ich? Doch nicht von dieser Möchtegern-Mona-Lisa und dem hupfenden Hubert!“

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      „Na dann, komm. Draußen warten bestimmt große Spuk- und Hexenaufgaben auf uns!“

      Hedda Hex klemmt sich ihren Besen unter den Arm, setzt sich auf die magische Wendelrutsche und saust mit einem Wuuuuuuusch nach unten.

      Hui Buh muss nicht lange nachdenken. Natürlich hat Hedda Hex recht. Mit einer Hand am Helm und einem lautstarken Huuui Buuuh! rutscht das Gespenst hinter Hedda Hex her.

      Schwungvoll werden die beiden aus der Rutsche katapultiert, schlagen ein paar lustige Purzelbäume in der Luft und landen lachend hinter einem großen Busch.

      Vor der Grundschule ist einiges los. Es ist Morgen und der Unterricht beginnt bald. Hui Buh und Hedda beobachten das Geschehen. Sie sehen fröhliche Kinder, die mit ihren bunten Schulranzen in das Gebäude stürmen. Einige von ihnen werden von ihren Eltern begleitet. Am Eingang zur Schule verabschieden sie sich voneinander. Aber nicht alle sehen dabei auch glücklich aus. Zwischen den Kindern fällt Hui Buh und Hedda Hex vor allem ein Mädchen auf, das unglücklich neben seinem Papa herläuft. Das sind Herr Schiller und seine Tochter Emma. Emma lässt den Kopf hängen und nickt, während ihr Papa etwas erklärt.

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      „Ich habe so ein Gespenstergefühl, dass die beiden vielleicht die Hilfe eines echten Spukmeisters brauchen“, murmelt Hui Buh. „Komm, wir schleichen uns näher heran. Ich will wissen, warum das Mädchen so traurig ist.“

      Schließlich sind sie nah genug, um zu verstehen, worüber sich Emma und ihr Vater unterhalten.

      „Kannst du wirklich nicht zu unserer Theateraufführung kommen, Papa?“ Emma sieht zu ihrem Papa hoch.

      Herr Schiller nimmt die Hände aus den Taschen seiner Anzughose und streichelt seiner Tochter über ihre dunklen Locken. „Ich würde so gerne. Aber ihr fangt eine Stunde zu früh an.“

      „Darfst du denn nicht ausnahmsweise eher gehen?“

      Herr Schiller schüttelt betrübt den Kopf. „Ich habe Herrn Dünnebier schon gefragt. Nicht mal eine Minute früher.“

      Wütend stampft Emma mit dem Fuß auf. „So ein gemeiner Chef!“

      Herr Schiller seufzt, dann geht er in die Hocke und nimmt seine Tochter ganz fest in den Arm. „Ach, Emmchen, Kopf hoch! Und jetzt sag noch einmal den Satz auf, den wir gestern geübt haben.“

      Hui Buh und Hedda Hex sehen, wie Emma sich eine Träne wegwischt. Dann schluckt sie tapfer und spricht ihren Theatertext: „Nur weil Sie keine Gespenster sehen können, mein lieber Anton Kummersdorf, heißt das noch lange nicht, dass es keine Gespenster gibt!“

      Ihr Papa nickt. „Sehr gut! Und nun los, Emma. Du machst das sicher ganz toll! Toi, toi, toi!“

      „Tschüss, Papa.“ Emma wendet sich von ihrem Papa ab und geht mit gesenktem Kopf in die Schule.

      Hedda Hex seufzt: „Ich kann gar nicht mit ansehen, wie traurig Emma ist!“ Dann breitet sich plötzlich ein Strahlen auf ihrem Gesicht aus. „Hui Buh, ich hab’s! Ich bringe Emma zum Lachen!“

      Auch Hui Buh weiß jetzt, was er tun wird. Entschlossen rückt er seinen Ritterhelm zurecht und erklärt: „Und ich knöpfe mir mal diesen … diesen, äh, Dünnedings, den Chef von Emmas Papa vor. Der hat ein verriebenes Gespenst … vertückt, ich meine: eine gespenstische Abreibung verdient. Womöglich in Form eines Schwebespuks.“ Hui Buhs Augen leuchten. „Ein Schwebespuk der Extraklasse! Das ist es! Ich bin schon da … äh, ich meine natürlich: Ich bin schon weg! Huuui Buuuh!“

      Sogleich macht sich das kleine Gespenst unsichtbar und folgt Herrn Schiller unbemerkt bis ins Rathaus. Denn dort arbeitet Emmas Papa.

       Kokosnüsse, marsch!

      Ich werde alle meine magischen Hexenkünste einsetzen, um Emma zum Lachen zu bringen, so wahr ich Hedda Hex bin! Mit diesem Entschluss schnappt sich die kleine Hexe ihren Hexenbesen und flitzt hinter Emma her in die Schule.

      Sie durchqueren einen langen Gang. Durch eine offene Flügeltür sieht Hedda Hex einen großen Raum mit einer Bühne. Das ist die Aula der Schule. Hier soll heute Nachmittag das Theaterstück aufgeführt werden. Schüler und Lehrer laufen aufgeregt hin und her. Zwei Erwachsene bauen die Kulisse für das Stück auf.

      Ohne den Blick zu heben, geht Emma an der Bühne vorbei geradewegs in die Umkleide. Weil sie so traurig ist, merkt sie nicht einmal, dass ihr jemand folgt. Als Emma sich auf eine Bank setzt, fasst sich die kleine Hexe ein Herz. Höchste Zeit, dass sie Emma zum Lachen bringt.

      „Hallo“, stellt sie sich fröhlich vor, „ich bin Hedda Hex.“

      Emma schaut auf und mustert das rothaarige Mädchen mit der geringelten Strumpfhose überrascht. Warum hat sie denn einen Besen bei sich? „Hallo. Ich heiße Emma. Bist du eine neue Schülerin?“

      „So in etwa“, antwortet die kleine Hexe. „Ich bin eine Hexenschülerin. Darf ich mich vorstellen: Hedda Hex, Hexe in Ausbildung. Mein Motto: Hast du einmal Kummer, ruf laut, ich mach die Hexennummer!“ Sogleich will sie Emma eine Kostprobe ihres Könnens geben. Sie schließt einen Moment die Augen, um sich zu konzentrieren. Dann holt sie tief Luft und reimt:

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       „Hexenspruch ganz leicht, dass es für den Anfang reicht: Achtung, die Ohren werden groß, schau, jetzt geht’s schon los! Magie, mach mit!“

      Kaum hat Hedda Hex den Spruch zu Ende aufgesagt, erklingt ein feines Summen, und ihre Ohren beginnen zu wachsen und zu wachsen, bis sie beinahe so groß wie Teller sind.

      Emma reißt die Augen auf. So etwas ganz und gar Verrücktes hat sie noch nie gesehen!

      Das ermutigt die kleine Hexe weiterzumachen:

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