Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman. Marie Louise Fischer
Trümmersteinen ganz hinten in ihrem Garten erbaut, als ihr richtiges Haus ausgebombt war. Jetzt wohnen sie wieder vorne, und zwei junge Leute, Studenten, haben sich das kleine Haus renoviert. Die sind aber inzwischen mit ihrem Studium fertig und haben als Assistenzärzte Zimmer in ihren Krankenhäusern. Sie wollen das Häuschen loswerden.«
»Das dürfte ihnen doch nicht schwerfallen.«
»Bis jetzt – jedenfalls bis vor ein paar Tagen – hat es noch nicht geklappt.«
»Also hat die Sache einen Haken«, schloß Martina.
»Stimmt. Sie verlangen fünf Mille verlorenen Baukostenzuschuß. Sie sagen, so viel hätten sie in das Häuschen inklusive ihrer Arbeit gesteckt. Das mag sogar stimmen, bloß – es ist eben doch nur ein Provisorium. Ewig kann es da auch nicht stehenbleiben.«
»Irene«, bat Martina, »würdest du mir einen ganz großen Gefallen tun? Würdest du diese Gardeners anrufen . . . «
» . . . ob das Häuschen noch zu haben ist?« fiel Irene ihr ins Wort. »Mach’ ich sofort.«
»Halt, leg noch nicht auf! Frag sie auch, ob sie tatsächlich planen, das Häuschen abzureißen . . . und wenn, wann.«
»Dieses Jahr bestimmt noch nicht, denn sonst würden sie es ja nicht nochmals vermieten.«
»Frag trotzdem. Ich warte auf deinen Anruf.«
»Du würdest das Geld also zahlen?«
»Das wäre mir die Sache wert.«
Es dauerte eine gute Stunde, bis Irene zurückrief – eine Stunde des Bangens für Martina, in der sie sich aber doch schon wieder neuen Zukunftsträumen hingab.
»Ja?« fragte sie atemlos.
»Es steht günstig!« rief Irene. »Erst mal: das Häuschen ist noch nicht vermietet. Zweitens: die Gardeners möchten es zwar gerne niederreißen, können es sich aber vorläufig noch nicht erlauben. Sie brauchen die Miete.«
»Wie hoch ist die?«
»Zweihundertundfünfzig monatlich.«
Martina rechnete.
»Das ginge.«
»Heizung ist natürlich nicht drin. Nur Öfen.«
»Wasser und Elektrizität?«
»Ja. Aber weder Keller noch Speicher. Die Wäsche kannst du rückwärts im Garten aufhängen.«
»Du, Irene, ich komme gleich morgen raus und sehe mir die Sache an.«
»Leider werde ich nicht da sein, ich muß ja zu Heerdegen. An deiner Stelle würde ich selber mit Gardeners einen Termin ausmachen. Ich gebe dir die Nummer. Die können dann auch die jungen Ärzte, oder wenigstens einen von beiden, herbeilocken.«
»Du ahnst nicht, wie dankbar ich dir bin, Irene!«
»Unsinn. Es hätte mir schon viel eher einfallen sollen. Ich freue mich doch auch, wenn du in meine Nähe ziehst.«
Es war inzwischen zehn Uhr vorbei, und Martina scheute sich, die ihr unbekannten Gardeners jetzt noch anzurufen. Aber die in Aussicht stehende Wohnung war für sie so wichtig und die Angst, sie könnte ihr entgehen, so groß, daß sie ihre Hemmungen überwand.
Frau Gardener, die an den Apparat kam, zeigte sich nicht überrascht, aber auch nicht interessiert. Sie gab sich betont gleichgültig, so daß Martina, obwohl sie kaum über Menschenkenntnis verfügte, den Eindruck gewann, ihr liege sogar sehr viel an der Vermietung des Häuschens.
Die beiden Frauen verabredeten sich für den nächsten Vormittag um elf. Martina war überpünktlich und hatte so Gelegenheit, die Börchemerstraße einige Male auf und ab zu gehen, weil sie nicht zu früh vorsprechen wollte.
Das wiederaufgebaute Haus war ein zweistöckiger Bau, gut proportioniert, aber noch unverputzt. Es kostete Martina Überwindung, das niedere Vorgartentor zu öffnen, an dem Haus vorbei und nach hinten in den Garten zu gehen. Aber sie sagte sich, sie habe schließlich guten Grund, sich das Häuschen vorher wenigstens von außen einmal anzusehen.
Es erwies sich als ein sehr bescheidener rechteckiger Bau mit flachem Dach, sichtlich ohne Architekt und Baumeister errichtet. Dennoch gefiel es Martina auf den ersten Blick. Gerade seine Schlichtheit tat es ihr an. Zudem lag es, umgeben von grünenden Büschen und Bäumen, am Ende eines großen, reichlich verwilderten Gartens.
Es war ein sonniger Frühlingstag, der Himmel über der Stadt am Rhein spannte sich blau, und Flieder, Jasmin und der junge Kastanienbaum hatten schon dicke Knospen.
Auf der Rückseite fand Martina den Platz mit den gespannten Wäscheleinen, von dem Irene gesprochen hatte, und dahinter kam, teilweise von Sträuchern verborgen, die Mauer zum Nebengrundstück zum Vorschein. Hier würden die Kinder spielen können, ohne die Gardeners zu stören.
Martinas Entschluß stand fest: sie wollte das kleine Haus haben. Entschlossen klingelte sie an der Tür des Haupthauses.
Es stellte sich heraus, daß sie mit ihrem Wunsch sozusagen offene Türen einrannte. Die beiden Ärzte – der eine, ein Dr. Scholz, traf kurz nach Martina ein – hatten für das Haus einen siebenjährigen Mietvertrag geschlossen, es aber nur zwei Jahre benutzt. Sie wollten aus dem Vertrag aussteigen, aber nicht ohne die fünftausend Mark kassiert zu haben, die sie hineingesteckt hatten. Die Gardeners waren nicht in der Lage, ihnen das Geld zu geben, und, da sie für den Wiederaufbau des Vorderhauses eine beachtliche Hypothek hatten aufnehmen müssen, auch auf die Mieteinnahmen angewiesen. Sie befürchteten, die Ärzte würden, seit sie das Haus nicht mehr bewohnten, nur noch unwillig und unregelmäßig zahlen.
Diese Zusammenhänge erfuhr Martina teils im Gespräch, teils auch reimte sie sie sich nur zusammen. Wäre sie erfahrener gewesen und hätte selber nicht so unter Druck gestanden, hätte sie den Baukostenzuschuß hinunterfeilschen können. So aber war sie nur zu froh, daß sie ohne weiteres in den Mietvertrag der beiden Ärzte einsteigen konnte. Klugerweise hatte sie eine Kopie der finanziellen Vereinbarung mit ihrem geschiedenen Mann eingesteckt und konnte so glaubhaft machen, daß sie die verlangte Summe Anfang des nächsten Monats würde zahlen können.
Nun aber wollte Martina das Häuschen erst einmal besichtigen. Dr. Scholz und Frau Gardener begleiteten sie durch den Garten zu ihrem neuen Heim. Die Hausherrin war eine ruhige, sehr nüchterne Frau Anfang Vierzig. Ihr Mann arbeitete im nahen Reisholz bei der Böhme-Chemie. Sie hatten erwachsene Kinder; eine verheiratete Tochter wohnte mit Mann und Baby bei ihnen. Diese Informationen nahm Martina nur am Rande auf; sie brannte darauf, ihre zukünftige Bleibe von innen zu sehen. Es war für sie ein großer Moment, als sie die weiß gestrichene Holztür aufschloß. Dr. Scholz folgte ihr dicht auf dem Fuß, knipste Licht an und stieß die Fensterläden auf.
Die Zimmer waren in guter Verfassung. Tapeten, Bodenbelag und Anstrich waren in Ordnung, das gelb gekachelte Bad machte sogar einen fast luxuriösen Eindruck. Dennoch spürte man auf Schritt und Tritt, daß das Häuschen nicht für die Ewigkeit gebaut war. Martina hatte geradezu den Eindruck, daß die Wände bebten, als sie durch die Räume lief. Aber das störte sie nicht. Sie war von allem begeistert: von dem gebohnerten Holzbohlenboden und den phantasievollen Blümchentapeten. Auch daß einige Wände nicht recht-, sondern spitz- oder stumpfwinklig zueinander standen, entzückte sie.
Das Haus war nicht ganz leer. Im größten Raum, dem ehemaligen Wohnzimmer, das Martina im Geist gleich für sich selber beschlagnahmte, stand ein großes, selbstgezimmertes Regal, und in der Küche gab es ein altes, leuchtend rot gestrichenes Küchenbüfett, einen wackligen Tisch und drei Stühle.
»Im Preis inbegriffen«, erklärte Dr. Scholz mit großzügiger Geste. »Sie können das Zeug natürlich auch wegwerfen, wir haben es selber aus dem Sperrmüll gezogen.«
»Es wäre schade drum«, stellte Martina fest.
Da Dr. Scholz sah, wieviel Freude Martina an dem kleinen Haus hatte, raffte er sich zu einem weiteren Entgegenkommen auf. »Die Vorhänge und Gardinen haben wir abgenommen«, sagte er, »aber eigentlich können wir doch nichts