Die bekanntesten Werke von Robert Louis Stevenson. Robert Louis Stevenson
nichts zuleide tun!«
Durch diese Worte ermutigt trat der Pirat mit schnelleren Schritten näher, drückte Silver irgend etwas in die Hand und eilte dann noch hurtiger wieder hinaus und zu seinen Kameraden zurück.
Der Schiffskoch sah sich das Ding an, das ihm überreicht worden war, und bemerkte dann:
»Der schwarze Fleck! Ich dachte es mir. Wo habt ihr denn wohl das Papier hergekriegt? Ach so! Aber hört mal, das bringt kein Glück: ihr seid beigegangen und habt es aus einer Bibel rausgeschnitten. Wer ist denn so ein Narr und zerschneidet eine Bibel?«
»Na, seht ihr?« rief Morgan. »Da haben wir’s! Was sagte ich? Nix Gutes nicht wird danach kommen, sagte ich!«
»Na, das habt ihr nun untereinander abzumachen,« begann Silver wieder. »Ihr werdet nun wohl alle baumeln, rechne ich. Was für ein Schafskopf hatte denn eine Bibel?«
»Das war Dick« sagte einer von ihnen.
»So, so? Dick war das? Dann soll Dick sich man aufs Beten legen. Glück wird er nicht mehr haben, der Dick, darauf könnt ihr Gift nehmen!«
Aber jetzt mischte der lange Mann mit den gelben Augen sich ein und sagte:
»Laß das Geschwätz, John Silver. Diese Mannschaft hat dir den schwarzen Fleck geschickt, wie in voller Versammlung nach Recht und Billigkeit beschlossen war. Drehe es um, wie es recht und billig ist, und sieh dir an, was da geschrieben steht. Dann kannst du sprechen.«
»Dank schön, George,« antwortete Silver! »Du warst immer fix in Geschäften und weißt die Regeln auswendig, George, wie ich mit Vergnügen bemerke. Na, was ist es denn? Aha! ›Abbgesetzt!‹ – also das ist es? Sehr hübsch geschrieben, keine Frage! Gewiß und wahrhaftig wie gedruckt! Deine Handschrift, George? Sieh mal an! Du wirst ja richtig der erste Mann bei der Mannschaft hier. Sollte mich gar nicht wundern, wenn du nächstens Käpp’n würdest. Ach, sei doch so gut und gib mir nochmal die Fackel! Meine Pfeife hat keine Luft.«
»Hör’ mal!« rief George. »Halte lieber die Mannschaft hier nicht zum besten! Du bist ja ein großer Spaßvogel, wie du selber glaubst; aber mit dir ist es jetzt aus, und du wirst vielleicht so gut sein und von deinem Faß herunterkommen und mit abstimmen!«
»Ich glaubte, du sagtest, daß du die Regeln kenntest,« antwortete Silver verächtlich. »Jedenfalls, wenn du die Regeln nicht kennst, so kenne ich sie; und ich bleibe hier sitzen – und ich bin immer noch euer Käpp’n, merkt euch das! – und warte, bis ihr mit euren Beschwerden herauskommt, und in der Zwischenzeit antworte ich euch, daß euer schwarzer Fleck keinen Zwieback wert ist. Was dann weiter kommt, werden wir sehen.«
»Oh!« antwortete George, »mache dir nur keine Sorgen – wir sind alle einig! Erstens hast du diese Kreuzfahrt verpfuscht – du wirst nicht den Mut haben, das zu leugnen. Zweitens ließest du den Feind für nichts und wieder nichts aus dieser Falle heraus, in der er saß. Warum wollten sie heraus? Das weiß ich nicht; aber es ist ziemlich klar, daß sie heraus wollten. Drittens hast du uns versprochen, sie auf dem Marsch zu überfallen. Oh, wir sehen dich durch und durch, John Silver: du möchtest mit ihnen unter einer Decke spielen – das ist es! Und dann, viertens, mit diesem Jungen hier.«
»Ist das alles?« fragt Silver ruhig.
»Jawoll, und wohl auch genug. Wir werden deinetwegen alle an den Galgen kommen und an der Sonne trocknen.«
»Nun, hört mich an! Ich will auf diese vier Punkte antworten – auf einen nach dem andern. Ich habe die Kreuzfahrt verpfuscht? So? Nun, ihr alle wußtet, was ich verlangte; und ihr alle wißt, daß wir noch heute an Bord der Hispaniola wären, wenn es so gemacht worden wäre, wie ich es haben wollte, und daß alle am Leben gewesen wären, fidel und munter und mit gutem Plumpudding im Leibe, und im Schiffsraum hätten wir den Schatz gehabt, beim Donner! Nun, wer war mir in meinem Wege? Wer zwang mich, der ich euer rechtmäßiger Käpp’n war, das zu tun, was ich nicht wollte? Wer schickte mir den schwarzen Fleck an dem Tage, als wir landeten, und begann diesen Tanz? Ah, ein schöner Tanz ist es! Da geb’ ich dir recht! Es sieht verdammt danach aus, daß es einen Hornpipe an einem Seilende im Execution Dock zu London der Stadt geben wird. Aber wer hat das gemacht? Das waren Anderson und Hands und du, George Merry! Und du, der du der letzte bist von diesem Kleeblatt, du hast die Deukers-Unverschämtheit, hier aufzutreten und den Käpp’n spielen zu wollen – du, durch den die meisten von uns kaputt gegangen sind! Beim Donner nochmal! Das geht aber übers Bohnenlied!«
Silver machte eine Pause, und ich konnte seinen früheren Kameraden und auch George am Gesicht ansehen, daß seine Worte nicht vergeblich gesprochen waren.
»Soviel für Nummer eins!« rief der Angeklagte und wischte sich den Schweiß von der Stirn; denn er hatte mit einer Heftigkeit gesprochen, daß das ganze Blockhaus dröhnte. »Oh, ich geb euch mein Wort, es ist mir zum Ekel, zu euch zu sprechen! Ihr habt keinen Verstand und kein Gedächtnis, und ich möchte wissen, was ihr für Mittel gehabt habt, daß sie euch zu See gehen ließen! Zu See! Glücksgentlemen! Schneider seid ihr, glaub’ ich!«
»Man weiter, John,« sagte Morgan, »sage den anderen deine Meinung!«
»Oh, den anderen! Eine schöne Gesellschaft! Ihr sagt, diese Kreuzfahrt ist verpfuscht; oh! wenn ihr begreifen könntet, wie sie verpfuscht ist, ihr würdet Augen machen! Wir sind dem Galgen so nahe, daß mir der Hals weh tut, wenn ich bloß daran denke. Ihr habt sie vielleicht gesehen, in Ketten hängend, Vögel um sie rumfliegend, und die Schiffer zeigen mit den Fingern nach ihnen, wenn sie mit der Ebbe auslaufen. ›Wer ist das?‹ sagt einer. ›Das? Ei, das ist John Silver, ich hab’ ihn gut gekannt!‹ sagt ein anderer. Und ihr könnt die Ketten rasseln hören, wenn ihr vorbeifahrt, bis ihr zur nächsten Bake kommt. Ja, so steht’s mit uns, mit jedem Muttersohn von uns – dank ihm und Hands und Anderson und anderen von euch, die uns kaputt gemacht haben; und wenn ihr wissen wollt, was ich euch zu Nummer vier zu sagen habe und über den Jungen da – herrje, Gott verdamm mich – ist er nicht eine Geisel? Sollen wir vielleicht eine Geisel totschlagen? So dumm sind wir doch nicht! Er kann vielleicht für uns das letzte Mittel zur Rettung sein – sollte mich gar nicht wundern! Den Jungen totschlagen? Ich tu’s gewiß nicht, Kameraden! Und Nummer drei? Oh – da ist eine Masse zu sagen, zu Nummer drei! Vielleicht rechnet ihr das für nichts, daß ein richtiger Doktor, der auf Universitäten gelernt hat, jeden Tag herkommt und nach euch sieht – nach dir, John, mit deinem Loch im Kopf – oder nach dir, George Merry, den das Fieber geschüttelt hat, noch keine sechs Stunden ist es her, und dessen Augen noch in dieser Minute so gelb sind wie Zitronenschale! Und vielleicht habt ihr auch nicht gewußt, daß ein zweites Schiff kommt? Aber so ist es, und gar nicht so lange wird’s dauern, und dann werden wir sehen, wer froh sein wird, daß wir eine Geisel haben, wenn’s so weit ist. Und Nummer zwei, und warum ich mit ihnen einen Tausch gemacht habe – na, ihr lagt ja vor mir auf den Knien, daß ich ihn machen sollte – auf euren Knien kamt ihr zu mir herangerutscht, solche Angst hattet ihr – und verhungert wärt ihr außerdem, wenn ich den Vergleich nicht gemacht hätte. Aber das sind bloß Nebensachen – warum ich ihn machte? Darum!«
Und er warf ein Papier auf den Fußboden, ein Papier, das ich augenblicklich erkannte – denn es war nichts Geringeres als die Karte mit dem gelben Papier, mit den drei roten Kreuzen –, die Karte, die ich in dem Wachstuchpaket ganz unten in des Kapteins Schifferkiste gefunden hatte. Warum der Doktor sie ihm gegeben hatte, das war mehr, als ich erraten konnte.
Aber wenn es mir unerklärlich war, auf die Meuterer hatte der Anblick dieser Karte eine ganz unglaubliche Wirkung. Sie sprangen auf sie zu wie Katzen auf eine Maus, sie ging von Hand zu Hand, und einer riß sie dem andern weg. Nach den Flüchen und dem Geschrei und dem kindischen Gelächter, womit sie die Untersuchung der Karte begleiteten, hätte man glauben sollen, sie hätten nicht nur den Goldschatz schon in ihren Fingern, sondern wären sogar sicher damit auf See.
»Ja,« sagte einer, »die ist von Flint, das ist sicher. F. F. und ein Schnörkel drunter mit einem Schwanz dran – so machte er’s immer!«
»Wunderschön!« sagte George. »Aber wie sollen wir den Schatz nach Hause bringen? Wir haben ja kein Schiff?«
Plötzlich