Und alles nur, weil ich anders bin .... Martina Meier
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Weil ich anders bin
In der Pause stehe ich allein,
keiner will dann bei mir sein.
Ich bin neu in dieser Stadt,
habe das Alleinsein satt.
Ich sehe etwas anders aus,
bin ’ne ziemlich graue Maus.
Bin kein Supermodel,
bin nicht schlank,
war im Halbjahr niemals krank.
Bin im Strom nicht mitgeschwommen,
hab gewagt und nicht gewonnen.
Hab’ kein Smartphone, darf nicht chatten
und mein Taschengeld verwetten.
Und doch gehöre ich dazu,
denn ich bin doch so wie du.
Ich hoff, du siehst das irgendwann,
denn dann fängt unsre Freundschaft an.
Dörte Müller lebt und arbeitet zurzeit in den Niederlanden. Sie hat bereits in mehreren Anthologien veröffentlicht.
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Ich bin ich
Manchmal wünsche ich mir, ich wäre an einem anderen Ort in der Welt, wo es keinen Schmerz und kein Leid gibt. Wo ich der Mensch sein kann, der ich bin, ohne auf Widerstände oder Grenzen zu stoßen.
Ich stehe am Bahnhof und starre auf die leeren Gleise, in meinen Augen stehen Tränen.
Warum hat ER mich verlassen? Liegt es an mir?
ER sagt, ER möchte lieber eine Freundin, deren Probleme ER begreift und die ER tragen kann. Eine normale Freundin.
Als ich klein war, trug ich meine Haare kurz. Das tue ich immer noch, doch heute kann man mir ansehen, dass ich eine junge Frau bin. Damals war ich ein Junge.
Ich war nicht nur äußerlich ein Junge, vermutlich war ich auch vollkommen anders geprägt, als ein normales Mädchen.
Ich sang keine Kinderlieder, ich sang in selbst erdachten Sprachen und Melodien. Ich sah überall meine Fantasiewesen. Ich schnitt meinen Puppen die langen Zöpfe ab. Ich war anders und alle Kinder bestraften mich dafür. Doch sobald jemand über mich lachte, wurde ich wütend und versuchte, mich vergebens zu wehren, was die Sache nur noch schlimmer machte. Ich war und bin noch heute nicht fähig, mich gegen böse Worte zur Wehr zu setzen.
Als ich älter wurde, begann ich damit, mich abzukapseln. Ich ging nicht, wie der Rest meiner Klasse, an den Wochenenden in die Disco, ich trank keinen Alkohol, um cool zu sein. Ich verbrachte die Abende ruhig, mit einem Glas Orangensaft und Klaviermusik oder einem guten Wälzer.
Aber durch die Selbstisolierung wurde ich zu einem Menschen, der nur schwer Vertrauen aufbauen kann und nicht an sich selbst glaubt.
Ich zog mich in meine eigene Welt zurück. In meiner Welt gab es Liebe, Vertrauen, Trost, eine Schulter zum Anlehnen, aufbauende Worte und Freunde, die meine Tränen trocknen konnten.
Erst durch IHN habe ich gelernt, meine schützende Welt Schritt für Schritt zu verlassen und wieder auf die Realität zu bauen. All das habe ich getan, nur um jetzt aus der Gesellschaft erneut schmerzhaft verstoßen zu werden.
Man erzählte mir, ich kann mit meinem Leben anfangen, was ich will. Ich denke nicht, dass sie die Wahrheit gesagt haben. Sie haben keine Ahnung, dass ich in keines der Bilder, das die Gesellschaft von den verschiedensten Menschen hat, hineinpasse. Ich werde in den Augen der Gesellschaft nie gut genug sein für das, was ich in dieser Welt zu tun versuche.
Noch heute lege ich keinen Wert auf die Dinge, die eine normale Frau als wichtig ansieht. Ich lege keinen Wert auf Kleidung oder Schminke. Ich besitze keine 20 Paar Schuhe. Ich lese anstelle der Schönheitsmagazine historische Romane. Ich kaufe mir keinen Diätjoghurt, verzichte nicht auf Schokolade, nur weil sie dick macht. Ich lackiere mir nicht die Nägel und ich werde weiterhin demonstrativ kein Rosa an mir tragen. Ich stricke Socken, spiele Klavier, Gitarre und Blockflöte, singe und träume durch den Tag.
Ich mache mir über alles und jeden Sorgen. Mich plagen sofort Existenzängste und mein mangelndes Selbstvertrauen lässt mich einsinken, sobald mir jemand das Gefühl gibt, nicht das Geringste wert zu sein. Aber das bin ich. Ich bin eigenartig, eigensinnig. Ich bin autonom und introvertiert. Ich bin anders, weil ich das, was andere vergöttern, abschätzig mustere. Ich habe meine Macken und Eigenheiten. Doch ich bin anders, weil in meinem Herzen andere Dinge regieren als Geld, Macht, Ruhm oder herausragende Leistungen. Und ich bin vor allem deshalb anders, weil mich die Masse zu etwas hat werden lassen, das nicht dazugehört und vielleicht auch nicht dazugehören will. Was will ich in einer Gesellschaft, in der mich keiner versteht?
Die Masse versteht mich nicht, aber ich verstehe die Masse auch nicht. Und so gehe ich eben meinen eigenen, steinigen, schmalen Weg und hoffe, irgendwann an mein Ziel zu kommen.
Und wenn ER all das, alles was mich ausmacht, nicht tragen kann, dann ist ER wohl genau wie jeder andere in dieser Welt. Ich bin anders, aber wenigstens bin ich ein Original unter Millionen von Kopien.
Ein Zug hält vor mir auf den Gleisen. Ich steige ein. Ich weiß nicht, wohin er fährt, doch womöglich bringt er mich an einen Ort, an dem ich ICH sein kann.
Felicitas Koch 1997 in Oettersdorf, Thüringen, ihrem heutigen Wohnort, geboren. Momentan besucht sie das Dr. Konrad Duden-Gymnasium in Schleiz. In ihrer Freizeit spielt sie Klavier und Gitarre, liest gerne und liebt es, die Natur immer wieder neu zu entdecken oder im Licht der Sonne zu träumen.
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In der Fremde
Enge Gassen, schmale Stufen,
Säulen, die einst Meister schufen.
Relikte längst vergang’ner Zeit.
Geschaffen für die Ewigkeit,
nun dem Verfall anheim gegeben,
wie alle Dinge, alles Leben.
Mokkatassen auf den Tischen,
Schwarzer Tee, sich zu erfrischen.
Wasserpfeifen gurgelnd fauchen,
Männer ihren Tabak rauchen.
Nur die Schuhe sind zu seh’n,
von Frauen, die vorübergeh’n.
Braune Augen, dunkle Haut.
Menschen anders, doch vertraut.
Essen, trinken so wie ich,
weinen, lachen, lieben sich,
haben Wünsche, brauchen Räume
zur Erfüllung ihrer Träume.
Fremde Düfte, die sich paaren
mit fremden Lauten in Basaren.
Golden glitzerndes Geschmeide,
dunkle Hölzer, feine Seide.
Farbenfroh in vielen Ecken
Gewürze steh’n in großen Säcken.
Der Muezzin ruft zum Gebet,
zu Allah und zu Mohammed.
Die blaue Kuppel der Moschee
spiegelt sich im klaren See.
Am Horizont das letzte Licht
funkelnd