Effi Briest - ein Klassiker der Weltliteratur. Theodor Fontane

Effi Briest - ein Klassiker der Weltliteratur - Theodor Fontane


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war wie benommen. „Ja, du hast recht, Geert, wie schön; aber es hat zugleich so was Unheimliches. In Italien habe ich nie solchen Eindruck gehabt, auch nicht als wir von Mestre nach Venedig hinüberfuhren. Da war auch Wasser und Sumpf und Mondschein, und ich dachte, die Brücke würde brechen; aber es war nicht so gespenstig. Woran liegt es nur? Ist es doch das Nördliche?“

      Innstetten lachte. „Wir sind hier fünfzehn Meilen nördlicher als in Hohen-Cremmen, und eh der erste Eisbär kommt, musst du noch eine Weile warten. Ich glaube, du bist nervös von der langen Reise und dazu das St.-Privatpanorama und die Geschichte von dem Chinesen.“

      „Du hast mir ja gar keine erzählt.“

      „Nein, ich hab ihn nur eben genannt. Aber ein Chinese ist schon an und für sich eine Geschichte . . .“

      „Ja,“ lachte sie.

      „Und jedenfalls hast du’s bald überstanden. Siehst du da vor dir das kleine Haus mit dem Licht? Es ist eine Schmiede. Da biegt der Weg. Und wenn wir die Biegung gemacht haben, dann siehst du schon den Turm von Kessin oder richtiger beide . . “

      „Hat es denn zwei?“

      „Ja, Kessin nimmt sich auf. Es hat jetzt auch eine katholische Kirche.“

      Eine halbe Stunde später hielt der Wagen an der ganz am entgegengesetzten Ende der Stadt gelegenen landrätlichen Wohnung, einem einfachen, etwas altmodischen Fachwerkhause, das mit seiner Front auf die nach den Seebädern hinausführende Hauptstrasse, mit seinem Giebel aber auf ein zwischen der Stadt und den Dünen liegendes Wäldchen, das die „Plantage“ hiess, herniederblickte. Dies altmodische Fachwerkhaus war übrigens nur Innstettens Privatwohnung, nicht das eigentliche Landratsamt, welches letztere, schräg gegenüber, an der anderen Seite der Strasse lag.

      Kruse hatte nicht nötig, durch einen dreimaligen Peitschenknips die Ankunft zu vermelden; längst hatte man von Tür und Fenstern aus nach den Herrschaften ausgeschaut, und ehe noch der Wagen heran war, waren bereits alle Hausinsassen auf dem die ganze Breite des Bürgersteiges einnehmenden Schwellstein versammelt, vorauf Rollo, der im selben Augenblicke, wo der Wagen hielt, diesen zu umkreisen begann. Innstetten war zunächst seiner jungen Frau beim Aussteigen behilflich und ging dann, dieser den Arm reichend, unter freundlichem Gruss an der Dienerschaft vorüber, die nun dem jungen Paare in den mit prächtigen alten Wandschranken umstandenen Hausflur folgte. Das Hausmädchen, eine hübsche, nicht mehr ganz jugendliche Person, der ihre stattliche Fülle fast ebenso gut kleidete wie das zierliche Mützchen auf dem blonden Haar, war der gnädigen Frau beim Ablegen von Muff und Mantel behilflich und bückte sich eben, um ihr auch die mit Pelz gefütterten Gummistiefel auszuziehen. Aber ehe sie noch dazu kommen konnte, sagte Innstetten: „Es wird das Beste sein, ich stelle dir gleich hier unsere gesamte Bausgenossenschaft vor, mit Ausnahme der Frau Kruse, die sich — ich vermute sie wieder bei ihrem unvermeidlichen schwarzen Huhn — nicht gerne sehen lässt.“ Alles lächelte. „Aber lassen wir Frau Kruse . . . Dies hier ist mein alter Friedrich, der schon mit mir auf der Universität war . . . Nicht wahr, Friedrich, gute Zeiten damals . . . und dies hier ist Johanna, märkische Landsmännin von dir, wenn du, was aus Pasewalker Gegend stammt, noch für voll gelten lassen willst, und dies ist Christel, der wir mittags und abends unser leibliches Wohl anvertrauen, und die zu kochen versteht, das kann ich dir versichern. Und dies hier ist Rollo. Nun, Rollo, wie geht’s?“

      Rollo schien nur auf diese spezielle Ansprache gewartet zu aben, denn im selben Augenblicke, wo er seinen Namen hörte, gab er einen Freudenblaff, richtete sich auf und legte die Pfoten auf seines Herrn Schulter.

      „Schon gut, Rollo, schon gut. Aber sieh da, das ist die Frau; ich hab ihr von dir erzählt und ihr gesagt, dass du ein schönes Tier seiest und sie schützen würdest.“ Und nun liess Rollo ab und setzte sich vor Innstetten nieder, zugleich neugierig zu der jungen Frau aufblickend. Und als diese ihm die Hand hinhielt, umschmeichelte er sie.

      Effi hatte während dieser Vorstellungsszene Zeit gefunden, sich umzuschauen. Sie war wie gebannt von allem, was sie sah, und dabei geblendet von der Fülle von Licht. In der vorderen Flurhälfte brannten vier, fünf Wandleuchter, die Leuchter selbst sehr primitiv, von blossem Weissblech, was aber den Glanz und die Helle nur noch steigerte. Zwei mit roten Schleiern bedeckte Astrallampen, Hochzeitsgeschenk von Niemeyer, standen auf einem zwischen zwei Eichenschränken angebrachten Klapptisch, in Front davon das Teezeug, dessen Lämpchen unter dem Kessel schon angezündet war. Aber noch viel, viel anderes und zum Teil sehr Sonderbares kam zu dem allen hinzu. Quer über den Flur fort liefen drei, die Flurdecke in ebenso viele Felder teilende Balken; an dem vordersten hing ein Schiff mit vollen Segeln, hohem Hinterdeck und Kanonenluken, während weiterhin ein riesiger Fisch in der Lust zu schwimmen schien. Effi nahm ihren Schirm, den sie noch in Händen hielt, und stiess leis an das Ungetüm an, so dass es sich in eine langsam schaukelnde Bewegung setzte.

      „Was ist das, Geert?“ fragte sie.

      „Das ist ein Haifisch.“

      „Und ganz dahinten das, was aussieht wie eine grosse Zigarre vor einem Tabaksladen?“

      „Das ist ein junges Krokodil. Aber das kannst du dir alles morgen viel besser und genauer ansehen; jetzt komm und lass uns eine Tasse Tee nehmen. Denn trotz aller Plaids und Decken wirst du gefroren haben. Es war zuletzt empfindlich kalt.“

      Er bot nun Effi den Arm, und während sich die beiden Mädchen zurückzogen und nur Friedrich und Rollo folgten, trat man, nach links hin, in des Hausherrn Wohn- und Arbeitszimmer ein. Effi war hier ähnlich überrascht wie draussen im Flur; aber ehe sie sich darüber äussern konnte, schlug Innstetten eine Portiere zurück, hinter der ein zweites grösseres Zimmer, mit Blick auf Hof und Garten, gelegen war. „Das, Effi, ist nun also dein. Friedrich und Johanna haben es, so gut es ging, nach meinen Anordnungen herrichten müssen. Ich finde es ganz erträglich und würde mich freuen, wenn es dir auch gefiele.“

      Sie nahm ihren Arm aus dem seinigen und hob sich auf die Fussspitzen, um ihm einen herzlichen Kuss zu geben.

      „Ich armes kleines Ding, wie du mich verwöhnst. Dieser Flügel und dieser Teppich, ich glaube gar, es ist ein türkischer, und das Bassin mit den Fischchen und dazu der Blumentisch. Verwöhnung, wohin ich sehe.“

      „Ja, meine liebe Effi, das musst du dir nun schon gefallen lassen, dafür ist man jung und hübsch und liebenswürdig, was die Kessiner wohl auch schon erfahren haben werden, Gott weiss woher. Denn an dem Blumentisch wenigstens bin ich unschuldig. Friedrich, wo kommt der Blumentisch her?“

      „Apotheker Gieshübler . . . Es liegt auch eine Karte bei.“

      „Ah, Gieshübler, Alonzo Gieshübler,“ sagte Innstetten und reichte lachend und in beinahe ausgelassener Laune die Karte mit dem etwas fremdartig klingenden Vornanen zu Effi hinüber. „Gieshübler, von dem hab ich dir zu erzählen vergessen — beiläufig, er führt auch den Doktortitel, hat’s aber nicht gern, wenn man ihn dabei nennt, das ärgere, so meint er, die richtigen Doktors bloss, und darin wird er wohl recht haben. Nun, ich denke, du wirft ihn kennen lernen, und zwar bald; er ist unsere beste Nummer hier, Schöngeist und Original und vor allem Seele von Mensch, was doch immer die Hauptsache bleibt. Aber lassen wir das alles und setzen uns und nehmen unsern Tee. Wo soll es sein? Hier bei dir oder drin bei mir? Denn eine weitere Wahl gibt es nicht. Eng und klein ist meine Hütte.“

      Sie setzte sich ohne Besinnen auf ein kleines Ecksofa. „Heute bleiben wir hier, heute bist du bei mir zu Gast. Oder lieber so: den Tee regelmässig bei mit, das Frühstück bei dir; dann kommt jeder zu seinem Recht, und ich bin neugierig, wo mir’s am besten gefallen wird.“

      „Das ist eine Morgen- und Abendfrage.“

      „Gewiss. Aber wie sie sich stellt, oder richtiger, wie wir uns dazu stellen, das ist es eben.“

      Und sie lachte und schmiegte sich an ihn und wollte ihm die Hand küssen.

      „Nein, Effi, um Himmels willen nicht, nicht so. Mir liegt nicht daran, die Respektsperson zu sein, das bin ich für die Kessiner. Für dich bin ich . . .“

      „Nun was?“

      „Ach lass. Ich


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