Die Nackten und die Schönen. Will Berthold

Die Nackten und die Schönen - Will Berthold


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      »Schon gut«, entgegnet Gärig entgegenkommend. »Ich hab’ doch Verständnis für Ihre Nöte.«

      Seine gute Laune kippt, als er sieht, wer der neue Gast ist: ausgerechnet Dr. Fred Schusser. Einen Moment lang sind beide zu perplex, um aufeinander loszugehen.

      Gärig nickt seinem Verfolger grimmig zu, als er Platz nimmt. »Ich bin überrascht, Schusser, daß Sie sich ein so teures Restaurant leisten können«, stellt er dann fest.

      »Nur heute«, antwortet der Kritiker. »Sie wissen doch, ich bin freier FAZ-Mitarbeiter, und dieses führende Blatt hat heute meinen langen Artikel über Ihr neuestes Meisterwerk gebracht. Schon gelesen?«

      »Allerdings, Sie Zeilenschinder.«

      »Hoffentlich habe ich Ihnen nicht den Appetit verdorben.«

      Gärig gelingt es, seinen Zorn zu unterdrücken. Auf einmal weiß er, wie er den Kritikaster gründlich hereinlegen kann. »Sie sind ein ziemlich fleißiger Bursche, Schusser«, lobt er scheinheilig. »Ich schätze, daß Sie auf mindestens fünfzehnhundert Mark im Monat kommen.«

      »Das geht Sie nichts an – außerdem ist Geld nicht alles.«

      »Die typische Antwort eines Unterbezahlten«, erwidert der Produzent. »Was würden Sie denn kosten, Schusser?«

      »Halten Sie mich für bestechlich?«

      »Nicht mehr als jeden anderen«, versetzt Gärig. »Was ich Ihnen jetzt sage, wird Sie überraschen: Sie werfen mir ständig vor, Schmachtfetzen zu drehen –«

      »Allerdings.«

      »Und Sie möchten dadurch erreichen, daß künftig bessere Filme entstehen?«

      »Dafür einzutreten sehe ich als meine Aufgabe an.«

      »Prima«, kontert der Produzent. »Treten Sie dafür ein – in meiner Firma. Ich gebe Ihnen Gelegenheit zu beweisen, daß Sie von diesem Fach wirklich etwas verstehen.«

      »Sie sind ja verrückt, Gärig –«

      »Ich biete Ihnen das Vierfache Ihrer bisherigen Einnahmen. Bringen Sie mir Ihre letzte Umsatzsteuererklärung mit, und ich unterschreibe unverzüglich den Vertrag. Wenn Sie zum Beispiel zweitausend Mark verdient haben, erhalten Sie von mir monatlich achttausend – plus Vertrauensspesen und weitgehend freie Hand bei der Produktion. Wenn Sie wollen, title ich Ihre Herstellungsgruppe sogar in neue auwag oder so ähnlich um und lasse über die Presse ausstreuen, daß diese Produktionsabteilung unter Ihrer Leitung grundsätzlich nur künstlerisch wertvolle Filme machen wird.«

      »Sie nehmen mich doch auf den Arm?«

      »Nein, ich führe Sie in Versuchung«, entgegnet Gärig. »Und ich lasse mir meinen Vorschlag etwas kosten. Sie haben drei Tage Zeit, sich mein Angebot zu überlegen. Wenn Sie sich bis dahin nicht entschieden haben, muß ich mir einen anderen Mann als Schluckesafts Nachfolger suchen. Tag, Schusser.« Gärig steht auf, verzichtet auf den Hauptgang, entlohnt aber den Ober mit einem fürstlichen Trinkgeld; schließlich hat ihn die Schadenfreude gesättigt.

      Der Produzent genießt bis Frankfurt seinen spontanen Einfall: Der Verhaßte kann sich entscheiden, wie er will, er greift daneben. Bleibt er standhaft, wird er künftig von der Vorstellung verfolgt, jeden Monat schätzungsweise sechstausend Mark verschenkt zu haben. Fällt er um, wird ihn die ganze Branche als charakterlos einstufen und verachten. Wenn aber der erste von ihm gedrehte Streifen tatsächlich herauskommt, muß er sich bis auf die Knochen blamieren, weil er – dessen ist sich Gärig sicher – nach bewährter Strickvorlage arbeiten und Filme herstellen wird, die er bislang als Muster ohne Wert verurteilt hat. Gelingt Schusser tatsächlich ein Kunstwerk, soll es ihm, Gärig, nur recht sein und wird dem AUWAG-Image enorm zugute kommen.

      Als Gärig im »Frankfurter Hof« seinen Zimmerschlüssel in Empfang nimmt, sagt der Rezeptionist: »Herr Gremlitzka erwartet Sie dringend in seinem Apartment. Er hat schon dreimal nach Ihnen gefragt.«

      Der Hotelgast fährt direkt zu dem Verleihchef hoch. Schon auf den ersten Blick erkennt er, daß sein Partner verdammt tief in einer Klemme sitzen muß.

      7

      Der Benjamin der Mordkommission macht zuerst einen Umweg, um zu Hause in seinen Sonntagsanzug zu schlüpfen; er will in dem feinen »Frankfurter Hof« nicht gleich als Polizist erkannt werden. Dann kratzt er sein Bargeld zusammen und überlegt, wieviel ihn der Ausflug kosten kann; in gewisser Weise hat er Vertrauensspesen, doch wenn sie über zehn Mark hinausgehen, wird er jeweils zu einem verknöcherten Verwaltungsamtmann gerufen und in ein Kreuzverhör genommen, ob denn eine so hohe Ausgabe wirklich nötig gewesen sei.

      Füllgrabe betritt die Halle, einen Moment lang verwirrt von den schicken Roben der Damen und der Eleganz ihrer Begleiter. Sie stehen wohl vor einem Theaterbesuch, die Juwelen blinzeln einander ihre Karate zu. Er geht an die Bar, die noch leer ist, nimmt an der Theke Platz, bestellt einen Whisky sauer und verteidigt sich in Gedanken bereits damit, daß in diesem vornehmen Lokal kein Bier ausgeschenkt wird.

      Der Barkeeper will aus Höflichkeit seine Zigarette ausdrükken.

      »Lassen Sie nur, mich stört das nicht – und Ihr Dienst dauert noch lang«, sagt der Nachwuchskriminalist. Das Verhörtalent weiß, daß sich Barmixer ohne Gäste langweilen und froh sind, einen Gesprächspartner zu haben.

      »Bitte, der Herr«, serviert der Keeper das Getränk. »Kann ich sonst noch was für Sie tun?«

      »Allerdings«, erwidert der Beamte und holt das Foto der Ermordeten aus seiner Brieftasche. »Kennen Sie vielleicht diese Dame?«

      »Allerdings«, entgegnet der Meister des Cocktail-Shakers auf den ersten Blick.

      »Sie kommt also häufig hierher?«

      »Nicht sehr oft, aber wenn, dann fast immer mit einem anderen Begleiter.« Durch einen Seitenblick überzeugt er sich, daß er nur einen Zuhörer hat. »Und jeder von ihnen riecht nach Geld«, fährt er dann fort. »Allein käme diese Zuckerpuppe hier gar nicht herein.« Da noch immer keine weiteren Gäste in der Lipizzaner-Bar aufgetaucht sind, genehmigt sich der Mann hinter der Theke ein schnelles Bier. »Sind Sie Journalist«, fragt er, »oder privat an der Dame interessiert?«

      »Riech’ ich denn so nach Geld?« erwidert Pallaufs Benjamin lachend.

      »Eigentlich nicht«, versetzt der Mann, der seine Gäste kennt. »Außerdem sind Sie für einen Liebhaber dieses Prominentenliebchens doch wohl noch zu jung.« Er trinkt sein Glas aus.

      »Und zu arm«, entgegnet Füllgrabe.

      »Also doch Reporter –«

      »So etwas Ähnliches«, murmelt der Fünfundzwanzigjährige. »Können Sie mir über die Dame sonst noch etwas erzählen?«

      »Sie muß es erfunden haben, oder vielleicht ist bei ihr ein geheimes Glockenspiel eingebaut – jedenfalls sind ihre Galane regelrecht verrückt nach ihr.«

      »War sie gestern hier?« fragt der Ermittler.

      »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich hatte dienstfrei. Mein Kollege Krieder weiß es sicher, aber der hat heute seinen freien Tag.«

      »Gut für ihn, schlecht für mich – haben Sie seine Privatadresse?«

      »Wielandstraße zweiundzwanzig. Aber Martin ist Junggeselle, immer auf Aufriß und bestimmt nicht mehr zu Hause.«

      »Ich versuch’s trotzdem«, erwidert Füllgrabe und legt tapfer fünfzehn Mark auf die Theke.

      »Besten Dank«, quittiert der Informant. »Vielleicht versuchen Sie Ihr Glück in Sachsenhausen, dort treibt sich Martin mit Vorliebe in den Äppelwoi-Kneipen herum. Die Wirte und das Personal kennen ihn sicher alle mit Namen.«

      »Vielen Dank«, verabschiedet sich der Fahnder und fährt zuerst in die Wielandstraße, um Krieder vielleicht doch noch abzufangen.

      Er klingelt wild an der Tür, vergeblich.

      Er


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