Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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kam es mehrstimmig zurück.

      Der Notarzt war gleichermaßen bekannt und beliebt. Die Tatsache, dass er wieder Single war, steigerte seinen Beliebtheitsgrad enorm.

      Eine Stimme übertönte die der Kollegen.

      »Gut, dass Sie hier sind!« Schwester Astrid winkte ihn zu sich. »Gerade sind die Blutplasmaergebnisse von Nina Schön aus dem Labor gekommen.« Sie drückte ihm ein Tablet in die Hand und lächelte aufreizend.

      Deshalb also das Getuschel! Er hätte es sich gleich denken können, dass eine der Lästerschwestern dahinter steckte. Besser, nicht darauf einzugehen und sich stattdessen auf die Arbeit zu konzentrieren. Noch so ein Fehler wie bei Frau Pastor durfte ihm nicht passieren.

      »Und?«, fragte er und sah hinunter auf den Bildschirm.

      »Ihre Insulinwerte sind zwar erhöht, aber nach Diabetes sieht das nicht aus.«

      Matthias vertiefte sich in die Auswertung.

      »Da haben Sie recht«, murmelte er.

      »Was ist es dann?«

      Dr. Weigand wiegte den Kopf.

      »Ich tippe auf ein Insulinom. Hoffentlich fällt Ihnen dazu genauso viel ein wie zu meiner Person.« Die roten Flecken auf Astrids Wangen bewiesen, dass er richtig lag mit seiner Vermutung. »Also? Ich höre!«

      »Wenn bei ansonsten gesunden Menschen Unterzuckerungen auftreten, kann ein gutartiger Tumor der Bauchspeicheldrüse vorliegen, der Insulin produziert.«

      Matthias zog einen Mundwinkel hoch.

      »Wenigstens haben Sie in der Schule aufgepasst.« Wieder sah er auf das Tablet in seinen Händen hinab. »Allerdings ist das bis jetzt nur eine Vermutung. Bevor wir etwas unternehmen können, müssen wir herausfinden, ob wir mit unserem Verdacht richtig liegen.« Er legte das Tablet weg und krümmte den Zeigefinger der rechten Hand wie eine Hexe. »Mitkommen!«

      Ehe Schwester Astrid jedoch Gelegenheit hatte, um den Tresen herumzugehen, klingelte Dr. Weigands Handy. Die Assistentin des Chefs! Da war er also, der Anruf, vor dem Benjamin Gruber ihn schon in der Nacht gewarnt hatte. Matthias überlegte nur kurz.

      »Also gut. Wir verschieben Frau Schön auf später. Halten Sie sich bereit.«

      *

      »Was haben Sie sich nur dabei gedacht?« Die Hände in die Hüften gestützt, wanderte Dr. Norden in seinem Zimmer auf und ab. Wie zwei Schuljungen standen die beiden Ärzte vor ihm. »Ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie das Leben der Patientin leichtfertig aufs Spiel gesetzt haben? Bei einer akuten Entzündung der Gallenblase entwickeln zehn Prozent der Patienten ohne Behandlung eine gedeckte Perforation. Was das heißt, muss ich Ihnen nicht erläutern, oder?«

      Benjamin Gruber wurde heiß und kalt. Er musste noch nicht einmal die Augen schließen, um den Text des Lehrbuchs vor sich zu sehen.

      »Der Druck auf die Gallenblasenwand kann dazu führen, dass die entzündete Gallenblase aufbricht. Diese sogenannte Perforation ist deshalb gefürchtet, weil sich die infizierte Gallenflüssigkeit im Bauchfell ausbreiten und eine Bauchfellentzündung mit lebensbedrohlichen Folgen hervorrufen kann«, zitierte er den Text Wort für Wort so, wie er ihn seinerzeit auswendig gelernt hatte. »Ebenso können Bakterien aus der Gallenblase ins Blut übertreten und eine Entzündung auslösen, die auf den gesamten Organismus übergreift und zu einer Blutvergiftung führen kann.«

      Um ein Haar entkam Daniel ein Lächeln. Die Beflissenheit des Assistenzarztes war beispielhaft.

      »Unter anderen Umständen wäre Ihnen ein Lob sicher. So aber muss ich darüber nachdenken, Sie beide abzumahnen.«

      Bis jetzt hatte Matthias kein Wort gesagt. Mit von der Nachtschicht gezeichnetem Gesicht hatte er nur dagestanden und die Standpauke mit gesenktem Blick über sich ergehen lassen. Doch plötzlich erwachte er zum Leben.

      »Es war mein Fehler.« Er hob den Kopf und sah Daniel fest in die Augen. »Dr. Gruber wollte die bildgebenden Verfahren in die Diagnostik mit einbeziehen. Nachdem für mich die Sache klar war, habe ich ihn dazu überredet, darauf zu verzichten.«

      Dr. Norden betrachtete seine Mitarbeiter mit gerunzelter Stirn.

      »Das klang heute Nacht aber anders, Dr. Gruber.«

      Benjamins Gesicht leuchtete wie eine Signalboje inmitten des blauen Meeres.

      »Ich … na ja … Dr. Weigand …« Er hüstelte und räusperte sich. Wusste nicht, wie er weitermachen sollte.

      Dr. Norden befreite ihn.

      »Schon gut. Wir unterhalten uns später noch einmal darüber. Für den Moment können Sie gehen, Herr Gruber.«

      Benjamin atmete auf. Er sah hinüber zu Matthias.

      »Danke. Ja … hmmm … Ich geh’ dann mal.« Seine Sorgen standen ihm förmlich ins Gesicht geschrieben.

      Diesmal lächelte Daniel wirklich.

      »Keine Angst. Ich reiße ihm schon nicht den Kopf ab.«

      »Ja, dann … gut … sehr gut.« Die Tür fiel hinter Benjamin ins Schloss.

      Dr. Norden umrundete den Schreibtisch und ließ sich auf den Stuhl fallen. Allmählich forderte die fast durchwachte Nacht ihren Tribut. Doch noch musste er durchhalten. Er nahm seinen Freund und Mitarbeiter ins Visier.

      Beiden war von vornherein klar gewesen, dass ihre Freundschaft auf schwierigem Fundament gebaut war. Wenn Ärger in der Freundschaft das professionelle Verhältnis belastete, wurde es kompliziert. Wenn sich Probleme in der Arbeit ins Private zogen. Und auch der Neid mancher Kollegen war nicht zu unterschätzen. Auf der anderen Seite war es nicht einfach, loyale Freunde zu finden, auf die man sich bedingungslos verlassen konnte. Ein solcher Freund war Matthias Weigand. Deshalb nahm Daniel Norden diese Schwierigkeiten billigend in Kauf. Selbst wenn sie ihn in solche Situationen führten.

      »Also, ich höre! Wie konnte das passieren?«

      Matthias spielte mit dem Kugelschreiber in seinen Händen.

      »Ursprünglich wurde die Patientin mit einer Fischvergiftung eingeliefert. Ich will ja nicht angeben, aber Anette Pastor hat es unserer Arbeit zu verdanken, dass sie überhaupt noch am Leben ist«, versuchte er, sich herauszureden.

      »Diese Mühe wäre um ein Haar umsonst gewesen.«

      Matthias kannte Daniel gut und lange genug, um zu wissen, dass dieser leise Ton Gefahr bedeutete. Quasi Alarmstufe rot. Deshalb verstand er ihm Nachhinein auch nicht mehr, welcher Teufel ihn ritt, als er sagte:

      »Ist dir noch nie ein Fehler passiert?«

      Die Antwort ließ nicht auf sich warten.

      »Oh doch! Und nicht nur einer.« Daniel lehnte sich vor. Sein Blick war eisig. »Aber nicht, weil ich unkonzentriert war. Die Notoperation heute Nacht hättest du verhindern können. Aber offenbar war die Patientin nicht interessant genug, um dich von deinen privaten Problemen abzulenken. Das hätte ins Auge gehen können.«

      Zu gern hätte Matthias geleugnet. Alles abgestritten. Doch die Hitze auf seinen Wangen verriet ihn.

      »Du hast ja recht«, gab er sich endlich seufzend geschlagen. Machte ein paar Schritte nach rechts und wieder zurück. Blieb wieder neben dem Stuhl vor dem Schreibtisch stehen. »Es kommt nicht wieder vor.«

      Dr. Norden schüttelte den Kopf.

      »Und du denkst, das genügt?«

      »Was erwartest du von mir? Soll ich auf Knien um die Klinik rutschen? Mir die rechte Hand abhacken?«

      Jedem anderen hätte Daniel Hochmut unterstellt. Oder Zynismus. Nicht so Matthias. Dazu kannte er ihn gut genug.

      »Ich habe eine bessere Idee«, erwiderte er langsam. »Du wirst so lange nicht operieren, bis du dein Privatleben in Ordnung gebracht und wieder einen klaren Kopf hast. Alles andere ist mir zu gefährlich.« Er erhob sich und ging vor zur Tür. »Ich kann nicht immer


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