Spitzenteams der Zukunft. Richard de Hoop

Spitzenteams der Zukunft - Richard de Hoop


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deshalb neben der funktionalen Rolle, der hierarchischen Rolle und der Charakterrolle für Teams zunehmend relevant.

      

»Wir müssen einen Weg finden, unsere Unterschiedlichkeit zu feiern und über unsere Unterschiede zu diskutieren, ohne dass unsere Gemeinschaften in Teile zerfallen.«

      Hillary Clinton, Politikerin

      Wie schnell die interkulturelle Falle zuschnappen kann, habe ich selbst noch vor Kurzem erlebt. Da habe ich meine Instrumentenshow für den Weltkongress von Junior Chamber International (JCI) gemacht, einer globalen Organisation für junge Unternehmer. 5000 Leute aus 50 Nationen waren dazu nach Brüssel gekommen. Mit dem gerade neu gewählten Vorsitzenden war abgesprochen, dass er fünf Minuten lang etwas sagt und ich dann mit meiner Show anfange. Er meinte nämlich, dass meine Botschaft genau seine Agenda für das kommende Jahr der JCI unterstreichen würde. So haben wir es dann gemacht. Nach kurzer Zeit war die Stimmung einfach genial. Viele Teilnehmer schwenkten ihre Landesfahnen – das war fast wie Last Night of the Proms. Alle schienen begeistert. Alle? Nein, die Japaner waren sauer. Das erfuhr ich später. Und ich erfuhr auch den Grund: Für sie darf ein Vorsitzender nicht nur fünf Minuten reden. Er muss mindestens eine Stunde reden! Alles andere ist ein Skandal. Völlig unverständlich.

      Darüber hatten wir nicht nachgedacht. Wir hätten die Japaner ins Boot holen müssen. In einer solchen Situation heißt es: Erst mal allen zuhören. Dann offenlegen, was man vorhat. Und sich dann abstimmen, inwiefern es für die Teilnehmer aus allen Kulturkreisen so in Ordnung ist. Das ist so ähnlich wie Autofahren in anderen Ländern. Die Verkehrsregeln mögen praktisch gleich sein. Aber gefahren wird doch überall anders. Am besten komme ich mit dem Auto im Ausland klar, wenn ich mich einfach darauf einschwinge, wie gefahren wird.

      Der nächste Schritt ist der Schritt zu echter Inklusion. Er bedeutet, die Unterschiede in der Kultur, in Glaubenssystemen und im Lebensstil nicht nur zu respektieren und mit ihnen umzugehen, sondern sie produktiv zu machen. Auch der Klang eines vollen Orchesters entsteht ja gerade durch die Unterschiedlichkeit der Instrumente im Zusammenspiel. Bei der kulturellen Inklusion stehen die meisten Unternehmen heute erst am Anfang der Entwicklung. Zunächst werden sie erst einmal ihre Sensibilität erhöhen müssen. Gerade die viel gescholtenen Banken sind hier schon relativ weit, weil ihre Teams längst sehr international sind. In den virtuosen Teams der Zukunft werden Unterschiede nicht nur anerkannt, sondern regelrecht zelebriert werden. Es wird das Motto gelten: Vive la différence.

      Rewind

      

Teamvirtuosen besitzen eine extrem hohe Anpassungsfähigkeit. Sie finden sich schnell in jedes Team ein und sind in der Lage, mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammenzuarbeiten.

      

Es macht Teamvirtuosen aus, die eigenen Fähigkeiten und die Fähigkeiten der anderen zu kennen und beides einzusetzen. Sie kennen ihre wirklichen Talente und üben nicht nur allein, sondern auch mit anderen.

      

Strukturen und Prozesse der Zukunft werden sich um Menschen und Ziele herum bilden. Die Sensibilität für kulturelle und persönliche Unterschiede nimmt zu. Diversity und Inklusion werden zu neuen Produktivfaktoren.

      Teil II:

       Belbin Medley

      

»Wenn ich auf Tournee gehe, nehme ich meistens alle mit: meine Mutter, meinen Vater, meine beiden Schwestern, ihre Ehemänner und ihre beiden Kinder. Und bis auf die Kinder besaufen sie sich alle bis zum Anschlag.«

      Michael Bublé, Sänger

      Track 4 ·

       Das Orchestermodell: So klingt Ihr Team

      

»Was habe ich für ein Glück gehabt, dass mein erstes eigenes Orchester gleich ein Spitzenensemble war!«

      Riccardo Chailly, Dirigent

      Würde doch jedes Team zusammenspielen wie ein Spitzenorchester! Leider wird in Teams oft mehr Lärm als Musik gemacht. Das habe ich als Trainer und Berater immer wieder erlebt. Glücklicherweise kann allen Teams geholfen werden. Das nützlichste Modell, das ich dazu kenne, ist das Teamrollenmodell des englischen Psychologen und Managementexperten Dr. Meredith Belbin. Seit ich es vor bald 25 Jahren entdeckt habe, arbeite ich begeistert damit. Ich bin zertifizierter Belbin-Trainer und stehe in engem Kontakt mit der Belbin-Organisation hier in Holland. Das Modell von Meredith Belbin geht von acht unterschiedlichen Teamrollen aus, die Teammitglieder aufgrund ihres Charakters und ihrer bisherigen Erfahrungen mehr oder weniger gut spielen.

      Ein Nachteil des Belbin-Modells ist, dass es sehr wissenschaftlich und abstrakt formuliert wurde. Insbesondere die Bezeichnungen für die einzelnen Teamrollen sind verwirrend und wenig einprägsam. Irgendwann saß ich mit meinem Kumpel, dem Musiker Franck van der Heijden, beim Bier zusammen und wir hatten eine Idee, wie wir das Belbin-Modell anschaulicher machen könnten: Wir überlegten uns für jede Teamrolle ein Musikinstrument, das als Metapher genau passt. So kam es zu dem Orchestermodell, das ich heute verwende. Zwischenzeitlich haben wir eine Instrumentenshow entwickelt, mit der ich das Modell live vor Publikum präsentiere. Und ich habe 2012 im Gabal Verlag ein erstes Buch über bessere Teamarbeit mit dem Orchestermodell herausgebracht: »Macht Musik«.

      Auf den folgenden Seiten finden Sie das Wichtigste über das Belbin-Modell, wie ich es in meinem ersten Buch beschrieben habe. Wenn Sie mein erstes Buch kennen, können Sie Ihr Wissen schnell auffrischen. Wenn Sie es nicht kennen – das soll es geben! –, bekommen Sie hier alle Hintergrundinfos, um die restlichen Teile dieses Buchs noch besser verstehen und anwenden zu können. Los geht’s!

      Was sind Teamrollen und welche gibt es?

      Teamrollen sind etwas anderes als funktionale oder hierarchische Rollen. Funktionale Rollen sind zum Beispiel Geschäftsführer, Assistent, Projektleiter oder Verkäufer. Es geht jeweils um die Funktion, den Aufgabenbereich in einer Organisation. Ob sich eine Person für eine funktionale Rolle eignet, hängt von ihren fachspezifischen Kenntnissen und Erfahrungen ab. Diese lassen sich objektiv ermitteln. Über die bevorzugten Teamrollen gibt dagegen kein Diplom, kein Arbeitszeugnis und kein Jobtitel Auskunft. So kann der »Tempomacher« – die »Trommel« – im Team der Geschäftsführer sein – oder einer seiner Mitarbeiter. Das ist völlig offen. Für eine bestimmte Teamrolle entscheiden sich Menschen laut Belbin aufgrund von Faktoren wie Persönlichkeit, Werten, Situation oder Erfahrung. Es kommt hier also, kurz gesagt, eher auf unseren Charakter als auf unsere Ausbildung und unseren Werdegang an.

      Die bahnbrechende Erkenntnis von Dr. Meredith Belbin lautet: Für den Erfolg eines Teams kommt es mehr auf die richtige Mischung der charakterlichen Teamrollen an als auf alles andere. Das konnte Belbin in jahrzehntelangen wissenschaftlichen Experimenten mit Teams beweisen. Was die jeweils »richtige« Mischung ist, hängt von den Zielen eines Teams ab. Entscheidend ist, nicht allein funktionale Rollen zu besetzen, wie es die meisten Unternehmen bis heute tun. Sondern die jeweilige Teamrolle in den Vordergrund zu rücken. Belbin hat ursprünglich acht Teamrollen unterschieden. In meinem Orchestermodell sind das die folgenden Musikinstrumente:

       Der tüchtige Bass

       Die begeisternde Trompete

       Die energische Trommel

       Das vielseitige Klavier

       Die kreative Gitarre

       Die faktenorientierte Harfe

       Das planende Horn

       Die hilfsbereite Geige

      In


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