Schwarzwaldjunge - Weltenbummler. Gerhard Moser

Schwarzwaldjunge - Weltenbummler - Gerhard Moser


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erklären sollte. Das waren wir eigentlich von ihr nicht gewohnt.

      „Der Doktor hat mich heute gefragt, ob ihr gesund seid und alles bei euch in Ordnung ist.“ Wir sahen ihr an, dass es für sie unangenehm war, über das Thema zu reden.

      „Was soll bei uns nicht in Ordnung sein?“ Wir verstanden zunächst nicht, was sie meinte.

      „Ob die Vorhaut an eurem Pipimännchen sich verschieben lässt und ob in eurem Beutelchen zwei Eierchen sind.“ Endlich war es raus. Das Thema war ihr bestimmt sehr unangenehm, denn sie hatte während des Redens einen ganz roten Kopf bekommen.

      „Natürlich ist alles in Ordnung. Mach dir da mal keine Sorgen. Du kannst dem Doktor sagen, dass wir gesund und munter sind.“

      Mit einem erleichterten „Gute Nacht“, ging sie aus dem Zimmer.

      Wir grinsten uns an. Nie im Leben hätte ich meine Mutter meinen Intimbereich anschauen lassen. Wie hätte ich ihr denn erklären sollen, warum ich plötzlich da unten Haare bekam. Mein Piepmatz, mein Bruder nannte diesen jetzt ganz gebildet Glied, wurde immer größer, die Haare wurden immer mehr. Selbst im Gesicht, besonders auf der Oberlippe, bekam ich einen dunklen Flaum. Meine Stimme wurde brüchig und krächzend. „Der Junge ist im Stimmbruch“, war der einzige Kommentar meiner Mutter.

      Als ich zum ersten Mal morgens einen klebrigen, nassen Fleck in der Schlafhose hatte, war ich sehr erschrocken. Jetzt, nachdem ich von meinem Bruder darüber mehr Informationen hatte, war es gar nicht mehr erschreckend. Er erklärte mir die Freuden der Onanie. Das war für mich etwas ganz Tolles und wurde für einige Zeit meine Lieblingsbeschäftigung.

      Ich probierte aus, wie oft es am Tag klappte und wie weit diese Flüssigkeit spritzte. Wenn es mich beim Spielen mit den anderen überkam, rannte ich nach Hause, legte mich in unserem Zimmer aufs Sofa, welches am Fußende der Betten stand und spielte mein Spiel der Freude. Meist ging das recht schnell. Hose zu, den Fleck mit dem Taschentuch verwischt und wieder los zu den anderen Kindern.

      „Wo rennst du eigentlich immer hin?“, meine Mutter stellte sich mir in den Weg, als ich mal wieder schnell nach draußen wollte.

      „Ich lege mich etwas hin, weil ich müde bin“, war meine schlagfertige Antwort.

      „Drei Minuten, ist aber eine kurze Müdigkeit. Und was sind das für weiße Flecken auf dem Sofa?“ Sie lies einfach nicht locker.

      „Ach die. Da habe ich einen Joghurt verschüttet.“

      Meine Mutter lachte.

      „Joghurt? Du isst doch überhaupt keinen Joghurt.“ Ich rannte an ihr vorbei und lief zu meinen Kameraden. Von da an suchte ich mir andere Plätze, an denen ich mich in Ruhe befriedigen konnte.

      In kleinen Schritten naht das Leben

      Mit meinem besten Freund und Klassenkameraden Kurt machte ich sonntags meistens einen Spaziergang durch den, das Dorf von drei Seiten umgebenden Wald. Zuvor zogen wir bei A&O aus dem Zigarettenautomaten eine Schachtel Zigaretten. Schon hundert Meter vor dem Geschäft schauten wir uns immer wieder um, dass uns auch ja keiner beobachtete. Geld rein, Zigaretten raus und schnell ab durch die Mitte. Eigentlich schmeckten sie schrecklich, aber irgendwann mussten wir ja erwachsen werden. Und dazu gehörte eben auch das Rauchen.

      Zu Hause hatte ich meinem Vater mal einen Zigarillo aus der Schachtel gemopst. Als alle aus dem Haus waren, zündete ich mir diesen auf dem Donnerbalken an. Da das Klo ans Haus außen angebaut war, konnte es ja keiner riechen. Dabei hatte ich nicht mitbekommen, dass meine Mutter durch die Kellertür ins Haus kam. „Walter, bist du schon zu Hause?“ Klar, wer sollte sonst rauchend auf der Toilette sitzen. Meine Mutter war ganz außer sich, als ich ihr antwortete.

      „Wo hast du den Stumpen her?“

      „Was für einen Stumpen, ich habe Durchfall…“

      „Ich bin nicht blöd, ich rieche doch den Rauch… Warte nur, bis ich das heute Abend dem Papa erzähle…“

      Zum Glück konnte ich meine Mutter unter vielen Versprechungen, das Rauchen erst gar nicht anzufangen, davon abhalten, Papa etwas darüber zu erzählen. Das hätte bestimmt ein riesiges Theater gegeben. Ich konnte auch Kurt schnell davon überzeugen, unser Geld in Zukunft zu sparen und das Rauchen am Sonntag, was uns ja ohnedies nie schmeckte, einzustellen.

      Da wir unser Geld immer schwer erarbeiten mussten, war uns das ganz recht. Kurt bekam jeden Sonntag 50 Pfennig Taschengeld. Bei uns war der Begriff Taschengeld noch gänzlich unbekannt.

      Meine Großeltern hatten neben der Schusterei und dem Weinanbau noch etwas Landwirtschaft. Dazu gehörten unter anderem drei Kühe.

      Ich bekam von Oma, wenn ich am Abend die Milch für uns holte, 10 Pfennige. Allerdings nur dann, wenn ich ihre Frage nach dem Abendgebet mit „Ja“ beantwortete. Als guter Christ hatte man am Abend, und das war meist auf dem Weg zu meinen Großeltern, beim Läuten der Kirchenglocken stehen zu bleiben, ein Gebet zu sprechen und dann erst seine Arbeit oder seinen Weg fortzusetzen.

      Wenn ich „nein“ sagte, gab es nichts, außer ermahnende Worte. So behaupte ich mit gutem Recht, dass mir meine Oma das Lügen beigebracht hat. Da es in meinen Augen nur eine kleine Notlüge war, kann es nicht so schlimm gewesen sein. Allerdings hat sie mir auch etwas Anderes beigebracht, das mein zukünftiges Leben stark prägen sollte. Sie entwöhnte mich aller Milchprodukte. Und das kam so. Wenn ich kam, um die Milch zu holen, waren meine Großeltern meist gerade mit dem Melken der Kühe fertig. Oma goss mir dann eine große Kaffeeschüssel voll, mit noch körperwarmer Kuhmilch und ich musste diese trinken. Irgendwann bekam ich vor diesem Gesöff solch einen Ekel, dass ich ab diesem Zeitpunkt nichts mehr gegessen oder getrunken habe, was mit Milch zusammenhing. Und das ist, mit wenigen Ausnahmen, bis heute so geblieben. Käse und Butter sind heute, nach Jahrzehnten immer noch nicht wieder auf meinem Speisezettel zu finden. Pudding, Sahne zum Kuchen oder Früchtejoghurt, esse ich dagegen schon mal wieder ganz gerne.

      In der Küche hatten meine Großeltern einen großen, gemauerten Herd. Darunter befand sich ein Backofen, in welchem meine Oma jede Woche Brot gebacken hat. In einem großen Holzbottich setzte sie abends das Mehl mit dem Sauerteig an. Am nächsten Tag wurde der Teig mehrfach geknetet und musste aufgehen, bevor er in eckige Brotformen aufgeteilt und in den vorgeheizten Ofen geschoben wurde. So entstanden rund 20 Brote, die eine Woche für die halbe Verwandtschaft ausreichten. Der Backtag war immer ein besonderes Ereignis, da Oma aus dem restlichen Teig Zwiebel- und Speckkuchen zubereitete. Die ganzen Enkelkinder durften an diesem Tag zum Essen kommen und wir bekamen zum deftigen Kuchen sogar ein Glas, sehr stark verdünnten Wein. Das war immer ein tolles Erlebnis. In der Heidelbeerzeit ging ich oft mit Oma am Tag vor dem Backen in den Wald und pflückte eine Milchkanne voller Heidelbeeren. Dann gab es statt Speck und Zwiebel- einen leckeren Heidelbeerkuchen.

      Wenn wir bei der Feld- und Erntearbeit halfen, bekamen wir meist auch zehn Pfennige. Bei der Heuernte durften wir auf dem Wagen das Heu feststampfen, welches von unserem Vater mit der Gabel hoch auf den Wagen gereicht und von unserem Onkel dort gleichmäßig verteilt wurde. Der ein oder andere von uns drei Jungs, meine Cousins waren auch gefordert, rutschte schon mal vom Wagen und fiel die zwei bis drei Meter auf die Erde. Aber passiert ist nie etwas. Anders war es dann beim Abladen zu Hause. Da musste das Heu hoch unter das Dach der Scheune geladen werden. Zur damaligen Zeit natürlich auch alles per Hand. Uns Jungs fiel dann wieder die Aufgabe zu, das Heu kräftig zu trampeln, damit möglichst wenig Luft dazwischen blieb. Opa erklärte uns immer wieder, dass wir kräftig treten sollten, damit das Heu nicht irgendwann anfing zu brennen. Verstanden haben wir das nie, aber es machte Spaß. Mein jüngerer Bruder rutschte dabei mal in die Lücke zwischen Heu und Dach. Das war eine Aufregung. Er gab keine Antwort mehr und hing mit dem einen Bein zum Dach heraus. So wurde eine lange Holzleiter ans Haus gestellt und mein Onkel kletterte aufs Dach. Nachdem er die ganzen Dachpfannen rund um meinen Bruder entfernt hatte, kam dieser auch wieder zu sich. Am Kopf hatte er eine riesige Beule. So zog mein Onkel ihn zwischen den Dachlatten durch und trug ihn vorsichtig über die Leiter nach unten. Es sah alles schlimmer aus, als es in Wirklichkeit war. Mein Bruder war natürlich der Held des Tages.

      Bei der Weinlese war es unsere Aufgabe, die


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