Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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aber er fass­te sich und stieg die Trep­pe hin­auf, die zu den Ge­mä­chern des Kai­sers führ­te, des­sen Nähe ihn doch auch wie­der be­ru­hig­te. Im Vor­ge­mach trat ihm so­gleich ein Ver­trau­ter der bei­den Erz­her­zö­ge ent­ge­gen und for­der­te ihn kurz auf, Hut und Man­tel ab­zu­le­gen, da­ge­gen einen be­reit­lie­gen­den schwar­zen Um­hang zu neh­men und den war­ten­den Of­fi­zie­ren, Dam­pi­er­re und Col­lal­to, zu fol­gen. Er er­he­be Pro­test, sag­te Khlesl, im Na­men des Kai­sers und des Paps­tes, hat­te aber kaum aus­ge­spro­chen, als Dam­pi­er­re ihn un­ter Schimpf­wor­ten hart an­fuhr, er sol­le ge­hor­chen, sonst wer­de man Ge­walt mit ihm ge­brau­chen. Khlesl, der vor Schre­cken zit­ter­te, über­leg­te blitz­schnell, ob er ver­su­chen sol­le, zum Kai­ser durch­zu­drin­gen, oder ob sonst ein Ent­rin­nen mög­lich sei; aber da er nir­gends eine Zuf­lucht vor der Über­macht sah, ließ er sich ohne Wi­der­re­de um­klei­den und von den bei­den Of­fi­zie­ren durch den ver­deck­ten Gang trei­ben, an des­sen Ende eine Kut­sche be­reit­stand, die ihn in schnel­ler Fahrt durch Stei­er­mark nach Ti­rol brach­te.

      Nach­dem der Kar­di­nal auf die­se Wei­se ent­fernt war, er­üb­rig­te noch, das Ge­sche­he­ne dem Kai­ser bei­zu­brin­gen. Ma­xi­mi­li­an und Fer­di­nand tra­ten an sein Bett, teil­ten ihm mit, dass dem Kar­di­nal an sei­nem Lei­be kein Scha­den zu­ge­fügt wer­den sol­le, dass sie ihn nur in fes­tem Ge­wahr­sam hal­ten wür­den und dass die­ses zum Bes­ten des Kai­sers und der Ge­samt­fa­mi­lie nö­tig sei. So­lan­ge Khlesl re­gie­re, wür­de es nie zum Krie­ge kom­men, und die böh­mi­schen Her­ren wür­den zu­letzt den Kai­ser selbst zum Fens­ter hin­aus­wer­fen. Ob er dazu still­hal­ten woll­te? Er sol­le auch be­den­ken, dass sie zu Kai­ser Ru­dolfs Leb­zei­ten eben­falls das Wohl der Ge­samt­fa­mi­lie im Auge ge­habt hät­ten, sich nicht wun­dern, wenn sie jetzt auf das glei­che ab­ziel­ten, und sol­le der Welt ge­gen­über sich so an­stel­len, als sei Khlesls Ge­fan­gen­nah­me auf sei­nen Be­fehl ge­sche­hen.

      Wäh­rend Matt­hi­as schwei­gend zu wei­nen an­fing, jam­mer­te die Kai­se­rin laut, Khlesl sei ihr ein­zi­ger Freund ge­we­sen, sie wis­se recht wohl, wor­auf die Erz­her­zö­ge ab­ziel­ten, näm­lich auf ih­res Man­nes Kro­ne, der ih­nen zu lan­ge leb­te. Das woll­ten sie Gott an­heim­stel­len, sag­te Ma­xi­mi­li­an, und Fer­di­nand füg­te hin­zu, sein Ge­wis­sen sei rein, sie woll­ten Matt­hi­as viel­mehr die Kro­ne fes­ter aufs Haupt drücken. Matt­hi­as rief kläg­lich, er be­geh­re ih­rer Hil­fe nicht, Khlesl sei sein wah­rer Bru­der und Freund, den wol­le er wie­der­ha­ben; al­lein er hat­te das Ge­fühl, dass of­fe­nes Wi­der­stre­ben ihm nur selbst Ge­fahr brin­gen könn­te, und füg­te sich in das Un­ver­meid­li­che.

      Im Spät­herbs­te des Jah­res 1581 fand in dem nie­der­län­di­schen Orte Vaux das Be­gräb­nis des Ma­xi­mi­li­an von Lon­gue­val, Gra­fen von Bu­quoy statt, der bei der Be­la­ge­rung von Tour­nay an der Sei­te des Gou­ver­neurs der Nie­der­lan­de, Alex­an­der Far­ne­se, Her­zogs von Par­ma, ge­fal­len war. Von dem Fens­ter ei­nes vor­neh­men Hau­ses sah sein zehn­jäh­ri­ger Sohn Karl Bo­na­ven­tu­ra den fest­lich trau­ern­den Zug durch die enge Stra­ße mar­schie­ren: vor­an schritt das Re­gi­ment des Gra­fen mit der flor­ver­hüll­ten Fah­ne, dann folg­te der von Rit­tern ge­tra­ge­ne, von ei­nem schwar­zen Tuch ver­häng­te Sarg, auf wel­chem sein Wap­pen, sei­ne Or­den und Ehren­zei­chen la­gen, dann sein mit schwar­zem, ni­cken­dem Fe­der­busch ge­krön­tes Lei­broß und die von ihm im Krie­ge er­beu­te­ten, ent­fal­te­ten Fah­nen, wor­auf wie­der Ab­tei­lun­gen von Sol­da­ten und geist­li­che Kör­per­schaf­ten folg­ten, de­nen je eine Grup­pe Trom­pe­ter vor­an­ging und sie mit lang­sa­mem, star­kem Bla­sen an­kün­dig­ten. Nach­dem die Ze­re­mo­ni­en vor­über wa­ren, be­grüß­te Alex­an­der Far­ne­se die Wit­we sei­nes ver­stor­be­nen Freun­des und er­kun­dig­te sich nach den Plä­nen für die Zu­kunft ih­res ein­zi­gen Soh­nes. Der her­bei­ge­ru­fe­ne Kna­be, der stumm mit hei­ßen Ba­cken und großen Au­gen auf die Stra­ße ge­staunt hat­te, nahm tief auf­at­mend das Wort und sag­te, dies sei ein herr­li­cher Tag ge­we­sen; er wol­le wer­den, was sein Va­ter ge­we­sen sei, da­mit er einst mit eben­sol­cher Pracht zur Erde be­stat­tet wer­de. Bei sich dach­te der Klei­ne, er wer­de es viel­leicht da­hin brin­gen, dass auf sei­nem Sar­ge der Or­den des Gol­de­nen Vlie­ses, des höchs­ten in der Chris­ten­heit, lie­gen wer­de, der sei­nem Va­ter noch fehl­te. Dem Her­zog von Par­ma ge­fiel der frei­mü­ti­ge Ehr­geiz des jun­gen Bu­quoy, und er be­güns­tig­te ihn, so­lan­ge er noch leb­te; so­bald es an­ging, rück­te der Jüng­ling in die Wür­den sei­nes ver­stor­be­nen Va­ters ein und er­warb sich im spa­ni­schen Krie­ge ge­gen Hol­land neue. Die­sen be­rühm­ten Of­fi­zier wünsch­te Matt­hi­as, so­bald er Kai­ser ge­wor­den war, in sei­nen Dienst zu brin­gen, und ge­wann auch dazu die Ein­wil­li­gung des Kö­nigs von Spa­ni­en so­wie sei­nes Bru­ders, des Erz­her­zogs Al­bert, der in­zwi­schen als Ge­mahl der Toch­ter Phil­ipps II., Isa­bel­la, Gou­ver­neur der spa­ni­schen Nie­der­lan­de ge­wor­den war. Bu­quoy selbst je­doch hat­te kei­ne Lust dazu; denn nach­dem er im Jah­re 1612 das Gol­de­ne Vlies er­hal­ten hat­te, war sein Ehr­geiz im we­sent­li­chen be­frie­digt, ab­ge­se­hen da­von, dass die als kai­ser­li­cher Feld­mar­schall bei den Kämp­fen im Rei­che etwa zu er­rin­gen­den Lor­bee­ren ihm mit den sei­ni­gen ver­gli­chen et­was win­dig vor­ka­men. Wien samt der Hof­burg und dem Kai­ser mach­te ihm, wenn er an Brüs­sel dach­te, einen zu­rück­ge­blie­be­nen Ein­druck: da war kei­ne Ari­sto­kra­tie, denn die evan­ge­li­schen Ad­li­gen zähl­te er nicht, son­dern al­les in al­lem ein knau­se­ri­ges, bür­ger­li­ches We­sen. In­des­sen da die böh­mi­sche Re­vo­lu­ti­on aus­brach, konn­te er sich dem ver­ein­ten Drän­gen des Kai­sers, des Kö­nigs von Spa­ni­en und des Erz­her­zogs Al­bert nicht mehr wi­der­set­zen und trös­te­te sich mit der Ver­si­che­rung des letz­te­ren, er wer­de die böh­mi­schen Rat­ten bald ab­ge­fan­gen und aus­ge­schwe­felt ha­ben und kön­ne dann reich be­lohnt zu Hei­mat und Fa­mi­lie zu­rück­keh­ren, ließ sich auch den Ti­tel ei­nes kai­ser­li­chen Rat­ten­jä­gers, den ihm die Ka­me­ra­den scherz­wei­se an­häng­ten, mit gu­ter Mie­ne ge­fal­len.

      Auch am Wie­ner Hofe hör­te er mit Ge­ring­schät­zung von dem böh­mi­schen Kra­wall spre­chen, frei­lich auch mit Er­bit­te­rung im Krei­se der An­hän­ger Fer­di­n­ands, wäh­rend der Kai­ser sich da­hin äu­ßer­te, es hand­le sich nur dar­um, den Böh­men einen Ernst zu zei­gen oder etwa eine klei­ne Nie­der­la­ge bei­zu­brin­gen, da­mit sie sich zu ei­nem an­stän­di­gen Frie­den be­quem­ten. Da er nun nicht mehr aus­wei­chen konn­te, ver­kauf­te Bu­quoy we­nigs­tens sei­ne Diens­te teu­er, näm­lich er ver­lang­te 2000 Gul­den Ge­halt für den Mo­nat, au­ßer­dem eine Ent­schä­di­gung von 13.000 Gul­den im Jah­re und end­lich, beim Ab­schlus­se des Ver­tra­ges, ein Ge­schenk von 6000 Bra­ban­ter Kro­nen. Frei­ge­big wur­den ihm dazu noch Aus­sich­ten auf lie­gen­de Gü­ter in Böh­men ge­macht, wel­che man den be­sieg­ten Re­bel­len ab­neh­men wür­de; denn man hoff­te ihn durch großen Guts­be­sitz an den Dienst des Kai­sers zu fes­seln.

      Zu­ver­sicht­lich, aber we­ni­ger fröh­lich als in sei­nen Ju­gend­ta­gen zog Bu­quoy dem Kriegs­schau­plat­ze zu, von wo bald lau­ter böse Nach­rich­ten ein­lie­fen. Er be­fin­de in Böh­men al­les an­ders, als man ihm aus­ge­malt habe, schrieb er un­mu­tig und nie­der­ge­schla­gen an den Kai­ser; die Böh­men sei­en kei­nes­wegs so un­tüch­tig


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