Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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Ge­fol­ge sich auf mit­ge­brach­ten Tep­pi­chen la­ger­te. Bu­do­wa wies dem fürst­li­chen Paa­re einen spit­zen Kirch­turm, der ein paar Mei­len ent­fernt aus ei­ner Mul­de auf­rag­te, er­zähl­te, dass der Krieg dort ge­haust habe, dass das Dorf aus­ge­brannt und zur­zeit noch ver­ödet sei, und zeig­te die ver­tre­te­nen Fel­der, aus de­nen ge­schwärz­te Strün­ke von Rü­ben und wüs­te Hal­me starr­ten. Zwi­schen die­sem Ge­strüpp be­merk­te man plötz­lich ein paar krie­chen­de Ge­schöp­fe, die in der Erde wühl­ten und in de­nen bei schär­fe­rem Hin­se­hen mensch­li­che We­sen zu er­ken­nen wa­ren; ge­ra­de in die­sem Au­gen­blick woll­te der Mann eine Wur­zel oder einen Knol­len zum Mun­de füh­ren, als das Kind da­nach griff, wor­auf er es auf die Hand schlug und es krei­schend zu­rück­wich. Eli­sa­beth frag­te er­staunt, was für Wil­de das wä­ren, sie hät­te sie zu­erst für Hun­de oder Schwei­ne ge­hal­ten. Bu­do­wa sag­te, es wür­den Bau­ern sein, die der Krieg von Haus und Hof ver­trie­ben hät­te, der­glei­chen Ge­sin­del trie­be sich jetzt viel um­her, und er rief ih­nen in böh­mi­scher Spra­che zu, nä­her­zu­kom­men. Die Leu­te er­schra­ken und woll­ten da­von­lau­fen, wur­den aber von Bu­do­was Die­nern ein­ge­fan­gen und her­bei­ge­schleppt. Auf Bu­do­was Be­fehl er­zähl­te der Mann zit­ternd, ihre Hüt­ten wä­ren von Sol­da­ten ge­plün­dert und ver­brannt, sie wä­ren in die Wäl­der ge­flo­hen und nun schon mei­len­weit von zu Hau­se ent­fernt. In der Nähe be­fän­den sich Zi­geu­ner, de­nen zö­gen sie nach, weil sie ih­nen er­laub­ten, nachts an ih­rem Feu­er zu lie­gen, und ih­nen auch hie und da et­was zu es­sen gä­ben; doch müss­ten sie auch für sie bet­teln oder ih­nen sonst et­was mit­brin­gen. Fried­rich und Eli­sa­beth lie­ßen den Leu­ten Geld rei­chen, und Bu­do­wa schrie ih­nen zu, sie soll­ten nie­der­kni­en und ih­rem Kö­nig und ih­rer Kö­ni­gin dan­ken.

      Graf Solms, der miss­traui­schen und düs­te­ren Blicks da­bei­ge­stan­den hat­te, sag­te: »Gott ver­hü­te, dass un­se­re Pfäl­zer Bau­ern ein­mal so den Pflug ver­lie­ßen, um Zi­geu­nern nach­zu­streu­nen«, und wen­de­te sich dann ge­gen Bu­do­wa mit der Fra­ge, warum man den Leu­ten nicht Vieh und Werk­zeug gebe, dass sie das Feld wie­der be­stel­len könn­ten. Er wis­se nicht, wem die­se ge­hör­ten, ant­wor­te­te Bu­do­wa; es gebe Her­ren, die sich nicht um ihre Un­ter­ta­nen küm­mer­ten, au­ßer dass sie ih­nen das Blut aus­press­ten, und die Bau­ern wä­ren auch so ge­ar­tet, dass sie ver­wil­der­ten wie das Vieh, wenn man sie nicht streng in Zucht und Ord­nung hiel­te.

      Das wer­de sich nun al­les bes­sern, sag­te Eli­sa­beth; sie möch­te aber gar zu gern eine Zi­geu­ne­rin se­hen und sich die Zu­kunft von ihr aus­le­gen las­sen. Sie hät­te viel Wun­der­li­ches da­von ge­hört und wol­le wis­sen, was dar­an sei. Ein paar jün­ge­re Hoffräu­leins ki­cher­ten und un­ter­stütz­ten mit ge­flüs­ter­ten Bit­ten den Wunsch der Kur­fürs­tin; eine äl­te­re Frau da­ge­gen sag­te, man sol­le Gott nicht ver­su­chen, sol­cher Vor­witz kön­ne ver­häng­nis­voll wer­den, wie ihre Mut­ter selbst er­fah­ren habe. Die­se sei in ih­rer Ju­gend am Hofe des Her­zogs von Brieg ge­we­sen, der et­was rasch und dem Trun­ke er­ge­ben, sonst aber ein gu­ter Herr ge­we­sen sei, und sie habe ein­mal an ei­ner Jagd teil­ge­nom­men, als man im Ge­hölz ein al­tes Weib an­ge­trof­fen habe, das im all­ge­mei­nen Ge­schrei ge­stan­den habe, als kön­ne es das Zu­künf­ti­ge weis­sa­gen. Der Her­zog habe sie an­ge­hal­ten und ihr be­foh­len, ihm et­was zu pro­phe­zei­en, und wie er denn gro­be Spä­ße ge­liebt habe, habe er hin­zu­ge­setzt, wenn sie ihm nichts Gu­tes sage, wer­de er die Hun­de auf sie het­zen und ihr bei le­ben­di­gem Lei­be den Kopf vom Rump­fe sä­gen las­sen. Da habe ihn die Alte fest ins Auge ge­fasst, mit ei­nem wei­ßen Stäb­lein sein Bein be­rührt – denn er habe zu Pfer­de ge­ses­sen – und lang­sam mit dün­ner, deut­li­cher Stim­me ge­sagt: »Bru­der, das nächs­te Glas Wein, das du leerst, wird dein letz­tes sein.« Der Her­zog sei dar­auf aschen­bleich ge­wor­den, als ob ihm ohn­mäch­tig wür­de, so­dass das Ge­fol­ge ihm bei­ge­sprun­gen wäre, und als man sich dann wie­der nach der al­ten Hexe um­ge­blickt hät­te, sei sie ver­schwun­den ge­we­sen. Von dem Tage an habe der Fürst meh­re­re Wo­chen still und ein­ge­zo­gen wie ein Ein­sied­ler ge­lebt, so­dass sei­ne Ge­mah­lin schon Hoff­nung ge­fasst hät­te, er wer­de das Trin­ken ab­le­gen; aber ei­nes Mor­gens sei ein fro­her Mut über ihn ge­kom­men, er habe sich fest­lich an­ge­klei­det und ge­ru­fen: »Möge kom­men, was da wol­le, es muss ein­mal wie­der ge­sof­fen sein!« habe Ge­sell­schaft zu Ti­sche be­stellt und sich einen großen Hum­pen voll Wein brin­gen las­sen. Kaum aber habe er ihn aus­ge­trun­ken und nie­der­ge­setzt, so sei zum Ent­set­zen al­ler Gäs­te die Far­be in sei­nem Ge­sicht er­lo­schen und er tot um­ge­fal­len, ohne noch ein Wort zu sa­gen. Ob dies nun dem Lau­fe der Na­tur ge­mäß oder Zau­be­rei ge­we­sen sei, habe ihre Mut­ter da­hin­ge­stellt sein las­sen; das alte Weib aber hät­te man end­lich auf­ge­grif­fen und ver­brannt.

      Die Kur­fürs­tin sag­te la­chend, um den Fürs­ten sei es im­mer­hin nicht scha­de ge­we­sen, und des Gra­fen Solms Toch­ter Ama­lie, ein klei­nes Fräu­lein mit klu­gem, blas­sem Ge­sicht, mein­te, Leicht­gläu­bi­gen und Aber­gläu­bi­gen sei leicht pro­phe­zei­en. Bu­do­wa hat­te schon Leu­te aus­ge­schickt, um eine Zi­geu­ne­rin aus­zu­spü­ren, und sie ka­men mit ei­ner an, als Eli­sa­beth eben ihr jüngs­tes Kind an der Brust hielt und Fried­rich den Erst­ge­bo­re­nen mit üb­rig­ge­blie­be­nem Kon­fekt füt­ter­te; denn in­zwi­schen hat­ten die Herr­schaf­ten das Es­sen ein­ge­nom­men. Die Zi­geu­ne­rin, ein al­tes, gel­bes, schmut­zi­ges Weib, kroch, die Au­gen ver­dre­hend, an die Kur­fürs­tin her­an, ließ sich ihre ge­pu­der­te und mit vie­len großen Rin­gen be­steck­te Hand rei­chen, dreh­te sie hin und her und be­tas­te­te sie und rief plötz­lich un­ter ver­zück­ten Ge­bär­den aus: »Heil dir, Mut­ter von Kö­ni­gen! Mut­ter von großen, mäch­ti­gen Kö­ni­gen!« was die Um­ge­bung mit Heil­ru­fen und Hän­de­klat­schen er­wi­der­te. Eli­sa­beth er­rö­te­te vor Ver­gnü­gen und ließ ihre Hand der Al­ten, in­dem sie ihr be­deu­te­te, noch mehr zu sa­gen. Die­se, die nun ke­cker ge­wor­den war, hielt die wei­ße Hand dicht un­ter ihre Au­gen und sag­te schmun­zelnd und sich krüm­mend, sie sehe den Ve­nus­gür­tel in die­ser Hand, den Ve­nus­gür­tel, in dem sich die Manns­leu­te fin­gen. Fried­rich und Eli­sa­beth lach­ten dar­über, Graf Solms hin­ge­gen run­zel­te die Brau­en, und Bu­do­wa such­te dem Auf­tritt ein Ende zu ma­chen, in­dem er der Zi­geu­ne­rin ein Gold­stück zu­warf und sie mit sicht­li­chem Wi­der­wil­len hieß, die Hand der Kö­ni­gin fah­ren zu las­sen und sich zu trol­len. Das Weib raff­te das Geld auf und mach­te Mie­ne, sich zu ent­fer­nen, wo­bei sie aber einen su­chen­den Blick in die Run­de warf, ob etwa noch je­mand ihre Diens­te woll­te. Da­bei blieb ihr Auge auf Bu­do­wa haf­ten, und sie sag­te, sich auf­rich­tend, mit der Mie­ne des Schre­ckens auf ihn deu­tend: »Wer bist du? Ich sehe einen blut­ro­ten Strei­fen rund um dei­nen Hals her­um!« Der Graf erb­lass­te und griff un­will­kür­lich nach sei­nem Hal­se, wäh­rend die üb­ri­gen ihn er­schro­cken an­starr­ten; nur das kur­fürst­li­che Paar lach­te, und Eli­sa­beth mein­te, er habe wohl eine Liebs­te, die ihn mit ei­nem ro­ten Schnür­lein an­ge­bun­den habe, um es zu­zu­zie­hen, wenn er ihr un­treu wer­den wol­le. Ja, er sei der Vet­tel wahr­haf­tig ins Garn ge­gan­gen, sag­te Bu­do­wa är­ger­lich, er hät­te Lust, ihr nach­zu­ge­hen und ihr das fre­che Maul zu schlie­ßen. Ei was, sag­te Fried­rich, eine wahr­sa­gen­de Zi­geu­ne­rin hät­te so viel Re­de­frei­heit wie ein Narr, es müs­se ein je­der se­hen, mit ih­rem Spruch fer­tig zu wer­den. Un­ter­des­sen


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