Die Reise der Bounty in die Südsee. William Bligh
er wollte und konnte.
Sobald das Schiff sicher vor Anker lag, begab ich mich in Begleitung des Häuptlings Poino und einer großen Menge von Eingeborenen an Land. Er führte mich an den Platz, wo wir im Jahre 1777 unsere Zelte aufgeschlagen hatten, und bat mich, ich möchte mich hier wieder niederlassen. Darauf gingen wir über den Strand und auf einem von Brotbäumen beschatteten Pfad nach seinem Haus. Dort beschäftigten sich zwei Frauen – seine Frau und seine Tochter – damit, ein Stück Stoff rot zu färben. Sie luden mich ein, auf einer Matte Platz zu nehmen, und boten mir mit ausgesuchten Manieren allerlei Erfrischungen an. Nach und nach fanden sich einige Fremde ein, die mich begrüßten und in ihrem Betragen sehr bescheiden und zuvorkommend waren. Das Volk drängte sich in solchen Haufen um das Haus, dass die Hitze mir sehr beschwerlich fiel, aber sobald man dies bemerkte, zog sich die Menge zurück. In dem Gedränge entdeckte ich einen Mann, der seinen Arm bis über den Ellbogen verloren hatte. Der Stumpf war so gut verheilt, als hätte ein großer Chirurg ihn behandelt.
Ich erkundigte mich nach dem Hornvieh, das Kapitän Cook hier zurückgelassen hatte, allein die Auskünfte hierüber waren widerspruchsvoll und ungünstig. Nachdem ich mich etwa eine Stunde aufgehalten hatte, stand ich auf, um mich zu verabschieden. Die Frauen kamen auf mich zu und überreichten mir eine Matte und ein Stück feinsten tahitischen Stoff, den sie mir nach Landesart umlegten. Dann nahm ich sie bei der Hand, und sie begleiteten mich bis ans Ufer, wo sie sich mit dem Versprechen, meinen Besuch bald zu erwidern, von mir trennten.
Auf diesem Spaziergang sah ich zu meinem großen Vergnügen, dass die Insulaner von unseren früheren Besuchen einigen Gewinn gehabt hatten. Man brachte mir zwei Pampelmusen, eine Frucht, die sie nicht gekannt hatten, bis wir sie hier einführten, und unter den zum Schiff gebrachten Waren befanden sich Spanische Pfefferschoten, Kürbisse und auch ein paar junge Ziegen.
Während meiner Abwesenheit hatte es einigen Lärm an Bord des Schiffes gegeben, als ein Eingeborener einen blechernen Topf stehlen wollte. Oripaia erfuhr davon und geriet in so heftigen Zorn, dass der Dieb nur mit knapper Not sein Leben rettete. Der Häuptling trieb alle seine Landsleute vom Schiff, und als ich eintraf, bat er mich, jeden Dieb fangen und mit Prügeln bestrafen zu lassen.
Vormittags kam ein Insulaner mit dem Bildnis an Bord, das der Maler Weber (Teilnehmer der dritten Reise Cooks) im Jahre 1777 von dem Kapitän gezeichnet und das man Otu zum Geschenk gemacht hatte. Es wurde mir in der Absicht gebracht, ich möchte es ausbessern lassen. Der Rahmen war zerbrochen, das Bild aber keineswegs beschädigt. Die Tahitianer nannten es Tuti, Eri no Tahiti, Cook, Oberhaupt von Tahiti. Sie berichteten dabei, Tuti habe von Otu verlangt, dass er das Bild vorzeigen solle, sooft ein englisches Schiff herkäme, da man dies sicher als eine Freundschaftserklärung ansehen werde. An diesem Nachmittag erhielt ich noch den Besuch von Otus jüngstem Bruder Waiduha, der aber vom Awatrinken ganz benommen war. Bei Sonnenuntergang verließen uns alle unsere männlichen Gäste.
Otu, Groß-Eri von Tahiti
Früh am folgenden Morgen erhielt ich eine Botschaft von Otu, der mir seine Ankunft ankündigen und mich bitten ließ, ihn mit einem Boot abholen zu lassen. Ich veranlasste dies sogleich und schickte Leutnant Christian mit, um ihn an Bord zu geleiten. Otu kam mit einem zahlreichen Gefolge und war sehr erfreut über diese Zusammenkunft. Nachdem er mir seine Gemahlin vorgestellt hatte, begrüßten wir uns nach der hier üblichen Weise durch Berührung der Nasen. Dann verlangte er, dass wir unsere Namen als Zeichen ewiger Freundschaft tauschen möchten. Zu meiner Verwunderung erfuhr ich, dass er statt seines ehemaligen Namens Otu einen anderen angenommen hatte und jetzt Teina hieß. Der Name Otu und der Titel eines Eri rahai, des höchsten Oberhauptes, war nach Landessitte seinem ältesten, aber noch minderjährigen Sohn zugefallen.
Teinas Gemahlin hieß Iddia, und in ihrer Gesellschaft befand sich eine Frau, die mit einer großen Menge Stoff wie mit einem Reifrock bekleidet war. Man nahm es ihr ab und machte es mir zum Geschenk, wozu ich noch ein großes Schwein und einige Brotfrüchte bekam. Hierauf führte ich meine Gäste in die Kajüte, wo ich nun meine Geschenke zum Vorschein brachte. Das Geschenk für Teina, wie ich ihn nun immer nennen werde, bestand in Äxten, Beilen, Feilen, Bohrern, Sägen, Spiegeln, roten Federn und zwei Hemden. Iddia erhielt Ohrringe, Halsbänder und Glaskorallen, doch gab sie mir zu verstehen, dass sie ebenfalls Eisenwaren wünschte, worauf sie ein ähnliches Sortiment erhielt wie ihr Gemahl. Wir sprachen über den Wert und den Gebrauch der verschiedenen Sachen, und alle schienen sehr zufrieden zu sein. Ja, sie beschlossen sogar, den Tag über an Bord zu bleiben, und sie baten mich, sie überall im Schiff umherzuführen und ihnen besonders meine Schlafstelle zu zeigen. Ich willigte ein, so wenig Lust ich im Grunde auch dazu hatte, und was ich befürchtete, blieb nicht aus. Es erschienen ihnen so viele Dinge begehrenswert, dass sie fast noch einmal so viel von mir bekamen, wie sie bereits bekommen hatten. Teina bat mich schließlich, einige Kanonen abfeuern zu lassen, und ich erklärte mich auch dazu bereit. Die Kugeln schlugen in großer Entfernung in die See ein, und alle Eingeborenen zeigten ihr Erstaunen mit lautem Geschrei.
Meine Mittagstafel war diesmal mit vielen Gästen besetzt, denn außer Teina und seiner Gemahlin speisten zwei seiner Brüder und mehrere andere Häuptlinge mit. Teina ist ein Mann von großer Statur, wenigstens sechs Fuß und vier Zoll. Er war etwa fünfunddreißig Jahre alt. Seine Gemahlin Iddia mochte etwa vierundzwanzig Jahre alt sein, auch sie war weit größer als die gewöhnlichen tahitischen Frauen. Teinas jüngerer Bruder Waiduha war ein vielgerühmter Krieger, er hatte aber auch den Ruf des größten Trunkenbolds im Land, und nach seiner welken Haut zu urteilen, musste er wirklich den schädlichen Awatrank im größten Übermaß genossen haben. Teina ließ sich von einem seiner Begleiter füttern, wie es unter einigen der vornehmsten Oberhäupter Brauch war. Ich musste feststellen, dass er diesen Menschen in ständiger Übung hielt, wie ich denn auch keine Ursache hatte, über Mangel an Appetit bei meinen Gästen zu klagen. Da es den Frauen nicht erlaubt ist, in Gegenwart der Männer zu essen, speiste Iddia mit ihren Begleiterinnen allein etwa eine Stunde später, doch beehrte ihr Gemahl Teina sie mit seiner Gegenwart und schien gänzlich vergessen zu haben, dass er bereits ein reichliches Mittagsmahl zu sich genommen hatte.
Die Eingeborenen brachten Lebensmittel in Überfluss an Bord, und damit es bei dem lebhaften Handel nicht zu Streitigkeiten kommen sollte, übertrug ich den gesamten Einkauf Herrn Peckover, dem Waffenmeister. Einige der heute eingekauften Schweine wogen zweihundert Pfund, und wir brauchten sie zum Einsalzen. Man brachte auch Ziegen zum Verkauf, und ich erhielt eine mit ihrem Jungen zu einem Preis, für den ich nicht einmal ein kleines Schwein bekommen hätte.
Unsere Freunde bedauerten sehr, dass wir keinen Porträtmaler mitgebracht hatten, denn besonders Teina hätte gern die Bildnisse seines Vaters und aller Verwandten besessen. Die Vertraulichkeit zwischen den Eingeborenen und unseren Leuten war bereits so allgemein, dass kaum ein Mann auf dem Schiff ohne seinen besonderen Freund oder Taio war.
Teina blieb den ganzen Nachmittag bei mir, und während dieser Zeit aß er viermal gebratenes Schweinefleisch, sein Mittagsmahl nicht mitgerechnet. Als er endlich das Schiff verließ, bat er mich, alle Geschenke, die ich ihm gegeben hatte, für ihn aufzuheben, da er in Matawai keinen sicheren Ort wisse, wo sie vor Dieben sicher seien. Ich überließ ihm deshalb einen Wandschrank in meiner Kajüte und gab ihm den Schlüssel dazu.
Ich hatte Herrn Nelson und seinen Gehilfen ausgeschickt, sich nach Brotfruchtpflanzen umzusehen, und zu meiner Freude konnte ich ihrem Bericht entnehmen, dass ich aller Wahrscheinlichkeit nach den Endzweck meiner Reise ohne Mühen erreichen würde. Um jedoch den Wert der Brotfruchtbäume nicht unnötig zu steigern oder andere Schwierigkeiten zu veranlassen, hatte ich jedem an Bord verboten, den Insulanern den eigentlichen Zweck unserer Reise zu verraten. Diese Vorsicht konnte vielleicht unnötig sein, aber ich wollte mir auf jeden Fall vorbehalten, meine Absichten in gehöriger Form vorzubringen.
Nelson fand auf einem Erkundungsgang zwei schöne Pampelmusenbäume, die er selber im Jahre 1777 gepflanzt hatte. Sie waren mit Früchten überladen, die noch eine Zeit lang reifen mussten.
Am 20. Oktober erwiderte ich morgens den Besuch Teinas, und ich fand ihn etwa eine Meile östlich von der Matawai-Bucht in Gesellschaft seiner Gemahlin und dreier Kinder, die aber, wie