Die Urgeschichte Europas. Reinhard Pohanka
den relativ häufigen Regen in der Westhälfte dieser Region und durch das gemäßigte Klima eignete sich dieses Gebiet wie kaum ein anderes zur Besiedelung durch den Menschen. Dazu kam eine große Anzahl an essbaren Pflanzen und an jagdbarem Wild, an den Küsten der Nordsee und des Baltischen Meeres konnten Fische und Krustentiere gefangen und Muscheln gesammelt werden. Der Großteil der Zone war dicht bewaldet, wobei diese Waldzone weiter nach Osten in Grasland und Steppe überging. Hier siedelten Antilopen, Auerochsen und Wildpferde.
Mit Beginn der Landwirtschaft im siebenten und sechsten Jahrtausend v. Chr. wurden Teile des westlichen Waldes gerodet, um Ackerflächen zu gewinnen, die zumeist aus guten schwarzerdigen Böden bestanden. Dazu kamen im Süden leicht zu bearbeitende und fruchtbare Lössböden, während die Abhänge der großen Gebirge weiterhin Heimat von Jägern und Sammlern durch den großen Reichtum an Jagdwild und essbaren Wildpflanzen blieben.
Diese unterschiedlichen Umweltbedingungen brachten eine Anzahl an natürlichen Produkten hervor, die der frühe Mensch nutzen konnte. Holz als Bau- und Heizmaterial, dazu Honig, Früchte und verschiedenste Nüsse, Pelze und Häute für die Anfertigung von Kleidung, Ton als Material für Gefäße und Hüttenwände, Metalle zur Verhüttung, im Norden reiche Feuersteinvorkommen und ab dem ersten Jahrtausend v. Chr. auch Eisenerz. Vom Baltischen Meer kam Bernstein, ein fossiles Harz, das schon zu Urzeiten als Schmuckstein getragen wurde.
Die Atlantikküste Europas reicht von Spanien über Frankreich und die britischen Inseln bis nach Norwegen in den hohen Norden. Sie durchläuft dabei mehrere Klimazonen und weist unterschiedliche Merkmale auf, von felszerklüfteten Ufern bis zu sanft abfallenden Stränden. Oft breiten sich von den Küsten in das Hinterland Salzmarschen und Sümpfe aus. Schon die frühen Menschen befuhren die Küste mit einfachen Einbäumen und Booten und nutzten das Meer als Handels- und Kommunikationsweg. Seefahrer aus dem Mittelmeer durchquerten ab dem ersten Jahrtausend v. Chr. die Straße von Gibraltar und kamen an die Küsten des Atlantiks. Zahlreiche große und schiffbare Flüsse wie Garonne, Guadalquivir, Loire, Seine und Rhein verbanden die Küsten mit dem Hinterland. Die Atlantikküste weist einen reichen Bestand an Fischen, Mollusken und Krustentieren auf, die eine wichtige Nahrungsquelle der hier siedelnden Bevölkerung waren. Der an diese Gestade gelangende Golfstrom sorgte für milde Winter und mäßig warme Sommer. Davon konnten die Siedlungen entlang der Atlantikküste mehrfach profitieren, neben dem Handel entlang der Küsten und der Ausbeutung des Meeres war Landwirtschaft im Hinterland in einem weiten Umfang möglich, die großen anschließenden Wälder ermöglichten die Jagd und das Sammeln von essbaren Pflanzen.
Bleibt noch der hohe Norden, der nördlich des 65. Breitengrades angesiedelt ist. Im Westen noch klimatisch durch den Golfstrom bevorzugt, wandelt er sich im Osten, in Finnland und im nördlichen Russland, zur Tundra. Landwirtschaft war hier nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich und unterlag starken klimatischen Schwankungen, die Nordgrenze der möglichen Landwirtschaft wechselte daher immer wieder, je nach dem Klima. Dafür waren die Berge Skandinaviens dicht bewaldet und lieferten Jagdwild und Beeren und Früchte sowie Pelze und Häute. Erschwert wurde die Besiedelung durch die langen Winter, die im Norden über längere Zeit nur wenig oder kein Sonnenlicht erlaubten, sowie durch das arktische Klima, zu dem der Norden Skandinaviens und Russlands zu rechnen sind. Das vorherrschende Wild war hier Polarfuchs und Rentier, die beide schon früh vom Menschen genutzt wurden. Gegen Osten zu verschwindet der Wald und macht der Tundra Platz, die von Moosen und Flechten besiedelt war. Der Permafrostboden erlaubte hier keine Landwirtschaft und daher keine Ansiedelung einer bäuerlichen Bevölkerung.
2. DAS KLIMA
Vor etwa 2,6 Millionen Jahren begann mit dem Quartär das jüngste Eiszeitalter, das bis heute andauert. Schon während des Tertiärs (65 Mio. Jahre v. Chr. – 2,6 Mio. Jahre v. Chr.) war die Temperatur weltweit allmählich abgesunken, sodass die Antarktis seit dem Oligozän vor rund 30 Millionen Jahren mit einer Eiskappe bedeckt war. Vor etwa 3,2 Millionen Jahren fiel die Temperatur noch einmal deutlich ab. Im Gelasium (2,58 Mio. Jahre – 1,8 Mio. Jahre v. Chr.) bildete sich am Nordpol eine Eiskappe, und die bis heute andauernden Temperaturschwankungen begannen.
Für den Zeitraum von 3,2 bis 1,6 Millionen Jahren v. Chr. konnte eine Zykluszeit von 41.000 Jahren für die Temperaturschwankungen ermittelt werden. Im Temperaturverlauf der letzten 2,6 Millionen Jahre, also innerhalb des Pleistozäns, traten die beobachteten Temperaturschwankungen in Zyklen von etwa 100.000 Jahren auf.4 Gemessen an der Klimageschichte der letzten 100 Millionen Jahre ist es derzeit kalt, da wir uns im quartären Eiszeitalter befinden. Innerhalb dieses Eiszeitalters ist es aber heute relativ warm, da wir seit etwa 11.625 Jahren in einer Warmzeit des Eiszeitalters leben, dem Holozän.
Allein in den letzten 800.000 Jahren, also seit Menschen in Europa leben, ereigneten sich in dieser Zeit mindestens neun Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten. Die Eisvorstöße und Rückzüge haben dabei an Land zahlreiche Ablagerungen in Form von Findlingsblöcken, Seiten- und Endmoränen hinterlassen. Die unterschiedlichen Temperaturen innerhalb der Warm- und Kaltzeiten werden als »Stadiale« für relativ kalte Zeiten und als »Interstadiale« für relativ warme Zeiten bezeichnet. Allein in der Würm-Kaltzeit gab es drei Stadiale, etwa vor 60.000, 40.000 und 18.000 Jahren. Damals wich die Temzwar nur um etwa vier bis fünf Grad Kelvin nach unten von der heutigen Erdmitteltemperatur ab, was jedoch dazu führte, dass sich etwa dreimal so viel Eis wie heute bilden konnte. Vor 18.000 Jahren hatte das zur Folge, dass der Meeresspiegel weltweit um etwa 135 Meter niedriger lag als heute. Der Golfstrom wurde dadurch stark abgeschwächt, die Nordsee verschwand fast ganz und machte dem trockenen Festlandsockel Platz. Der Umschwung der Weichsel-Kaltzeit zur heutigen Warmzeit wird von den Wissenschaftlern als eine abrupte Klimaveränderung gesehen, obwohl er sich im Laufe mehrerer tausend Jahre (vor 15.000 bis vor 7.000 Jahren) vollzog. Der Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeit wird auf 11.000 Jahre vor heute datiert.
Während des Höhepunktes des letzten glazialen Maximums (LGM, um 26.000–19.000 v. Chr.) bedeckte ein massiver Eisschild Irland, den Großteil Englands und ganz Skandinavien sowie die Ebenen Nordeuropas, kleinere Eisschilde lagen über den Alpen und Pyrenäen. Das Gebiet südlich davon wies ein alpines Klima mit der Vegetation und Fauna der Tundra auf, nur an den Küsten des Mittelmeeres gab es nennenswerte Wälder. Starke Winde führten zu einer vermehrten Erosion der baumlosen Ebenen Europas und zu starken Lössablagerungen des verblasenen Lehms des Nordens. Der Meeresspiegel lag weltweit bis zu 135 m niedriger als heute und erweiterte zahlreiche Küstenebenen hinaus ins Meer. Die Adria war nur halb so groß wie heute, Britannien und Irland waren mit dem europäischen Festland durch eine Ebene verbunden, die weit in die Nordsee hinausragte. Das Baltische Meer war ein gewaltiger Inlandsee ebenso wie das heutige Schwarze Meer.
Nach dem Ende des letzten glazialen Maximums kam es zu einer langsamen Erhöhung der Temperatur, welche bis etwa 8.500 v. Chr. das heutige Niveau erreichte. Die Gletscher schmolzen ab und legten neues Land für die Besiedelung durch den Menschen frei. Von der Last des Eises befreit hoben sich Teile von Skandinavien und des nördlichen Britannien, während der in der Eiszeit freigelegte Küstenschelf unter Wasser verschwand und etwa ab 6.000 v. Chr. Britannien und Irland zu Inseln machte. Um 5.500 v. Chr. durchbrach die steigende Nordsee die Landbarriere am Belt und strömte in den Süßwassersee (Ancylussee) des Baltischen Meeres. Ebenso durchbrach das Mittelmeer um diese Zeit den Bosporus und füllte das Schwarze Meer mit Salzwasser auf5, in beiden Fällen verschwanden große Teile des Kontinentalschelfs unter den Wassermassen.
Am Festland führte der Rückzug der Gletscher im Alpenvorland zur Bildung von Gletschertrögen, die von Wasser aufgefüllt und zu Seen wurden, die Fische und Pflanzen schnell besiedelten und zu bevorzugten Siedlungsplätzen machten.
Durch die Erwärmung des Klimas kam es ab 7.000 v. Chr. zu vermehrten Niederschlägen in Europa, dies ermöglichte den Bäumen und Büschen, neben anderer Vegetation aus dem Mittelmeerraum, rasch nach Norden vorzudringen und die ehemals baumlosen Ebenen zu besiedeln. Die Küsten des Mittelmeeres waren von dichten Wäldern bedeckt. Weitere Erwärmung führte zum Rückzug der Wälder nach Norden und ließ am Mittelmeer nur jene Pflanzen zurück, die sich den gestiegenen Temperaturen anpassen konnten.
Mit dem Vordringen der Wälder rückten Tierarten wie das Rentier