The Family (Deutsche Edition). Ed Sanders

The Family (Deutsche Edition) - Ed Sanders


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im Death Valley eine starke Vorliebe für den Kojoten, den Räuber aller Räuber. Kein Tier ist bei seiner Nahrungssuche heimtückischer und arroganter als der Kojote.

      Von da an pries er einen Geisteszustand, den er »Kojotenoia« nannte. Die grundlegende Äußerung Mansons zur Kojotenoia lautete folgendermaßen: »Christus am Kreuz, der Kojote in der Wüste – das ist ein und dasselbe. Der Kojote ist schön. Er bewegt sich graziös durch die Wüste, er ist kaum wahrnehmbar, er ist sich aller Dinge bewusst, schaut um sich. Er hört jedes Geräusch, wittert jeden Geruch, sieht alles, was sich bewegt. Er befindet sich immer in einem Zustand völliger Paranoia, völlige Paranoia aber ist totale Bewusstheit. Du kannst vom Kojoten lernen, genauso wie du von einem Kind lernst. Ein Baby kommt zur Welt in einem Zustand der Angst. Völlige Paranoia und totale Bewusstheit ...«

      Gregg Jakobson wollte seinen Jeep, den Wilson an Manson gegeben hatte, zurückhaben. So fuhren Jakobson und Dennis Wilson am 24. November 1968 ins Death Valley, um den Jeep zu holen. Der Jeep war inzwischen irgendwo im Goler-Wash mit einem Motorschaden liegengeblieben, so dass sie ihn aus dem Tal hinaus nach Trona abschleppen mussten, um ihn dort reparieren zu lassen. Manson fuhr mit. Im Goler-Wash überfuhr Jakobson eine Spinne, was Manson sehr verärgerte. Lieber einen Menschen, meinte er, als eine Spinne.

      Jakobson und Wilson nahmen Manson aus dem Death Valley mit nach Los Angeles; vielleicht war der Grund, dass man die bevorstehende Veröffentlichung des von Manson stammenden Songs feiern wollte.

      Zwei Wochen später kehrte Jakobson per Motorrad zum Goler-Wash zurück, doch hatte er in dem tückischen Gelände eine Panne. Er ging zu Fuß zurück nach Trona, holte dort seinen Jeep, der eben repariert worden war, verstaute das Motorrad auf dem Rücksitz und fuhr zurück nach Los Angeles.

      Am 8. Dezember 1968 brachten Capitol Records die Beach Boys-Single mit dem Titel »Bluebirds Over The Mountain« und »Never Learn Not To Love (Cease To Exist)« auf der B-Seite heraus. Zum ersten und einzigen Mal war Charlie Manson in den Charts, wenn auch nur auf Platz 61 und ohne Nennung seines Namens.

      Doch am 7. Dezember 1968 trug sich ein noch wichtigeres Ereignis zu. Capitol Records veröffentlichten ein weißes Doppelalbum mit 30 Beatles-Songs, unter denen sich solche Dope-Juwelen wie »Sexy Sadie«, »Rocky Raccoon«, »Blackbird«, »Revolution« und »Helter Skelter« befanden – und alle verkündeten sie, so glaubte Manson, seine Eroberung der Welt.

      Manson legte Text und Musik dieser Beatles-Songs wie heiliges Schrifttum aus. Nachdem Wilson und Jakobson ihn Ende November aus dem Death Valley mit nach Los Angeles genommen hatten, scheint sich Manson an der Topanga-Lane, an der Mündung des Topanga-Canyon, beim zerstörten Wendeltreppenhaus aufgehalten zu haben.

      Das Wendeltreppenhaus, wo Manson und seine Crew ein Jahr zuvor herumgegammelt hatten, war inzwischen abgerissen worden. Manson hauste in einem blauen Bus, der bei dem Haus geparkt war.

      Anfang Dezember 1968 schickte Manson das Acid-As Bruce Davis nach England, wo sich dieser ungefähr fünf Monate lang aufhielt.

      Little Paul beschrieb den Anlass als einen Geh-nach-Rio-und-besorg-mir-eine-Kokosnuss-Vorfall; Manson habe Davis aufgefordert, eine Weltreise zu machen und sich dann wieder zurückzumelden. Wie auch immer. Bruce Davis reiste zusammen mit zwei Gefährten über Nordafrika nach England.

      In diesem Zusammenhang ist auch behauptet worden, dass Davis 500 Silberdollar nach England mitgenommen habe, um sie dort zu verkaufen. Intime Kenner des Tate-LaBianca-Falles werden darin einen aufschlussreichen Hinweis sehen, falls Davis die Silberdollars tatsächlich nach England geschafft hat.

      In London nahm Davis Kontakt mit der Church of Scientology auf, um dort an Seminaren teilzunehmen. Die Church of Scientology beschäftigte ihn für kurze Zeit in ihrer Postabteilung Doch heißt es dort, dass Davis nach wenigen Wochen gefeuert wurde, weil er es nicht lassen konnte, Drogen zu nehmen.

      Davis hielt sich einige Monate in London auf, wo er – laut einem prominenten Kriminalbeamten aus Los Angeles – Verbindung mit einem sehr brutalen Flügel der Fraternity of Lucifer aufnahm. Mitglieder dieser Londoner Satanisten-Kirche hatten sich zu der Zeit in San Francisco und Los Angeles aufgehalten, als Manson seine eigene Final Church gründete.

      Die Führer dieser okkulten Vereinigung hatten seit Jahren die Welt auf der Suche nach bereits bestehenden Gruppen durchstreift, mit denen sie sich zusammentun konnten. So hatten sie zum Beispiel in Toronto mit einer Sekte Verbindung aufgenommen und zusammengelebt, die im Jahre 1967 in einen Fall von Teufelsaustreibung verwickelt war, bei dem ein Mädchen zu Tode geprügelt worden war.

      Manson und seine Crew fielen diesem emsigen satanischen Wirken zum Opfer, weil sie, und das gilt für Manson ganz besonders, keine humanistischen Wertvorstellungen hatten, auf die sie hätten zurückgreifen können. Als Manson noch ein Kind war, hatte man seine Mutter wegen eines bewaffneten Raubüberfalls ins Gefängnis gesperrt. Sein Vater hatte sich abgesetzt. Später forderte die Mutter ihren Sohn zurück, doch übergab sie den Halbwüchsigen noch vor seinem dreizehnten Lebensjahr den Jugendbehörden. Er hatte nichts, woran er sich halten konnte. Er wuchs in ein Verbrecherleben hinein, so als wäre er im Indien des 19. Jahrhunderts in einer Familie der Thugs groß geworden und von Anfang an für das brutale Mörderleben der Thugs bestimmt gewesen.

      Und der Fluch wirkte fort: Mansons Sohn Mark, unter diesem Namen kennt man ihn in seiner Heimatstadt im östlichen Ohio, kam durch einen Schrotschuss bei einer Messerstecherei ums Leben, und zwar kurz bevor Manson selbst wegen der Tate-LaBianca-Morde zum Tode verurteilt wurde.

      Wenn Organisationen mit solchen abscheulichen Zielen neue Opfer rekrutieren wollen, müssen sie sich mit einer Fassade ausstatten, die ihre wahren Ziele verheimlicht und neue Anhänger nicht abschreckt. So lässt sich beispielsweise denken, dass eine geheime Teufelssekte eine »Strohmanngruppe« gründet, sie »Humaninstitut für okkultes Gruppenblödeln« nennt und in ihrem Namen in der Overground- und Underground-Presse Anzeigen für esoterische Kurse in psychologischer Therapie aufgibt. Nun braucht sie die Angeschmierten nur noch einzuweihen. Mansons Rockgruppe The Milky Way scheint im Hauptquartier einer solchen »Strohmannorganisation« in Los Angeles aufgetreten zu sein.

      Manson hat Methoden der Gruppenbewegung benutzt – nur dass er die positiven Absichten dieses Verfahrens ummünzte, um eine Christus-Teufel-Schizophrenie zu fördern. Ein Verkünder der Teufelsverehrung kann unter geistig Kranken als der starke Mann auftreten. Was für Blutsauger sind doch diese Satanisten, die ihre wahren Neigungen verheimlichen. In gespenstischen Nächten in entlegenen Canyons, beschützt von scharfen Hunden, können die verderbten Ausbeuter der Verlierer in aller Ruhe ihre Verbrechen begehen.

      In Kalifornien herrscht in den verschiedenen Kreisen, die der sogenannten weißen Magie anhängen, eine schreckliche Furcht vor diesen blutzapfenden Satanisten. Da war zum Beispiel eine Gruppe von Satanoiden, deren »Mitgliedsnadel« man im Topanga-Canyon in der Nähe der Grabstelle einer enthaupteten Ziege fand – der Kopf dieser Ziege war bei einer Zeremonie verwendet worden. Der bloße Anblick dieser Nadel – eine kleine Darstellung der Satansziege auf goldenem Grund – genügte bereits, um bei einigen Mitgliedern nicht ganz so fanatischer Religionsgemeinschaften, die vom Autor dieses Buches interviewt wurden, sichtbare Bestürzung und Unruhe auszulösen.

      Die Teufelsgesellschaft, der sich Manson anschloss, betrachtete die ganze Schöpfung und das Wirken des menschlichen Geistes als ein Werk des Teufels. »Das Denken ist die Erfindung des Teufels«, so erklärte Manson später einem berühmten Sänger. Es war eine rassistische Horde, die Schwarze hasste. Ihre Mitglieder beteten Hitler an und speziell das Hakenkreuz. Manson hatte eine große Vorliebe für das Hakenkreuz, er schmückte Briefe damit, und manchmal malte er es auf die Stirn oder die Herzgegend von Teufelsbildern.

      Der Teufelsanbeter, den man nach dem Verspeisen eines Herzens festnahm und unter Mordanklage stellte, hatte auf der einen Hand eine Hakenkreuztätowierung und am Körper verschiedene andere okkulte Tätowierungen, deren Bedeutung er nicht verraten wollte. Die Freundin dieses Mannes hatte eine Hakenkreuztätowierung auf der Brust. Er behauptete, es mache ihm Spaß, Hakenkreuze in die Brust seiner Opfer zu


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