German Cop. Dieter Jandt

German Cop - Dieter Jandt


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redete der Typ kraft seiner anscheinend geballten Erfahrung weiter drauf los. »Johann, wenn’s recht ist«, und Wagner streckte ihm notgedrungen die rechte Hand entgegen. »Jens meinerseits.« Wie mochte wohl dieser Bulle heißen, der sich zum Tresen begab, dort etwas bei einer Kellnerin bestellte und sich am Nebentisch niederließ.

      »Du darfst nicht vergessen, dass die Frauen verdammt viel Spaß dabei haben. Siehst du ja da drüben. Die schnappen sich meist einen knackigen Farang mit großen Füßen, weil sie dann wissen, dass die anderen Extremitäten automatisch auch groß sind, und fahren in der Regel mit dem gut ab. Halten sich den Typ ein paar Tage warm, lassen sich aushalten. Two more Chiang Beer, please«, lächelte er der Kellnerin hinterher, die dem Polizisten gerade ein Glas Whiskey mit Eiswürfeln und eine Flasche Sodawasser hinstellte.

      »Woher weißt du das eigentlich? Von deinen großen Extremitäten?« Wagner fühlte sich irgendwie auf seinem Hocker wie gebannt von dem starren Polizistenblick, der wieder direkt auf Wagner gerichtet war. Am besten weiter unterhalten, einen Freund haben in der Not, dachte Wagner. »Schon mal daran gedacht, dass die das tun müssen, um ihre arme Familie in der Provinz zu unterhalten?«

      »Oh je, die Leier wieder. Das sind doch alles Klischees. Man merkt, dass du neu bist. Die meisten machen das nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen.«

      »Und wie unterscheidest du das?«

      »Bauchgefühl. Und die paar Dickwanste und Rentner lassen sie zwischendurch auch noch über sich ergehen.«

      »Mir wird schlecht.«

      »Denen aber nicht. Sie seifen sie ein, nehmen sie aus, und der Opa hat das Gefühl, doch noch ein Womanizer zu sein. – Zum Wohl«, Johann schwenkte sein Glas in Richtung Wagner. »Glaubst du, die würden lieber in der Fabrik arbeiten?«

      »Zum Wohl. Vielleicht könnte man die Freier bestrafen.«

      Johann lachte laut: »Willst du das Land kaputt machen? Es lebt davon, von den Touristen, und es kommen nun mal nicht wenige genau deshalb hierher, um sich einseifen zu lassen, und nur deshalb.«

      Das Bier begann zu wirken, es war ja immerhin das zweite, und Wagner begann, Sitzfleisch zu spüren. Das war nicht nur unerhört, was dieser Johann da von sich gab, das klang auch irgendwie aufschlussreich und empörenderweise stimmig. Eigentlich liebte Wagner es ja, wenn jemand gegen den Strich gebürstet war.

      »Sag mal: Kennen wir uns nicht irgendwoher?« Johann schaute ihn prüfend an.

      Nicht der auch noch! Wagner wurde mutig. »Womöglich aus der Zeitung, was?« Es war wie ein Ausbruch, der Mut der Verzweiflung.

      »Quatsch. Kommst du auch aus Köln?«

      »Nee, Wuppertal.«

      »Ja dann nicht. Obwohl, man weiß ja nie!«

      »Eben«, antwortete Wagner und wechselte plötzlich wie ferngesteuert an den Nebentisch. Offensichtlich machte Chiang Beer offensiv. Wagner suchte die Entscheidung.

      »Hello Mister! Jens.«

      Wagner schob seine Rechte über den Tisch. Der Bulle hielt reglos sein Glas Whiskey vor den Mund, trank einen Schluck und setzte es ganz langsam ab. Und jetzt die Handschellen, dachte Wagner. Johann würde ihm helfen, irgendwie, kraft seiner Erfahrung.

      »Nuan. My name Nuan«, kam es zwischen dünnen Lippen hervor, ohne dass der Mann auf Wagners ausgestreckte Hand achtete. »You not contacting my girlfriend, okay?« Nuan zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihn.

      »What?«

      »Nok, my girlfriend. You no contact. Finish!«

      Wagner blieb der Mund offen stehen. Was wurde das hier? Eine Eifersuchtsszene statt Handschellen? Eilig bestellte er einen Whiskey und ein Bier. »No no, I only helped here.«

      »Yes, you helped her, and now finish, okay? She belong to me.«

      »You are police?«, blöde Frage, dachte Wagner.

      »I am everything«, murmelte Nuan und schickte einen gefährlichen Blick herüber.

      »Looks like«, erwiderte Wagner.

      »You no more contact or get lost. I know who you are.«

      Wagner nickte beflissen. »I no dangerous«, passte er sich Nuans Sprache an.

      »But me.«

      »Now I only travel.«

      »Good for you.« Der Mann entzündete eine Filterzigarette, die einen seltsamen Geruch verströmte. Ein wenig süßlich. Fast glaubte Wagner, das wäre eine Art thailändisches Marihuana. Aber die Schachtel, die auf dem Tisch lag, sah original aus. Es waren indonesische Kretekzigaretten mit Nelkengeschmack, die die Lippen und die Zunge ein wenig betäubten.

      Johann gesellte sich umstandslos zu den beiden und schob sein Glas Bier auf den Tisch. »Scheint ja ne interessante Runde zu werden. Ist immer gut, wenn man Polizisten auf seiner Seite hat. Du lernst schnell, Jens.«

      Ein paar Getränke später war Nuan so sehr abgefüllt, dass er aus Versehen den Wohnort von Noks Eltern preisgab, während er erzählte, dass er sich beinahe dorthin habe versetzen lassen, warum, das ließ er offen, dass er seinen Antrag aber schnell wieder zurückgezogen habe, weil er dort oben im Norden kaum jemanden verstand. »They speak other language, they no really Thai, they are mix«, lachte er und schob eilig nach, als er seinen Fehler bemerkte: »But she not there. You not go, okay?« und versuchte wieder einen bedrohlichen Blick. »Normally I bring you to jail. But maybe you good guy. You helped Nok, but now enough.«

      »No problem, brother.« Wagner schlug Nuan aufgeräumt auf die Schulter.

      Johann mischte sich ein: »Ich weiß zwar nicht genau, worum es bei euch geht, aber um sicher zu sein, musst du ihm was bieten, irgendwas.«

      »Habe ich doch. Whiskey ohne Ende.«

      »Sowas hilft nicht, nicht wirklich. Das ist nur als Appetizer zu betrachten. Komm, ich zeig’s dir. Kjep taang!«, rief er der Kellnerin zu. »No problem, Mister, we only change the place.«

      Johann und Wagner teilten sich die Rechnung. Sie nahmen Nuan in die Mitte, der immerhin noch geradeaus gehen konnte, und Johann führte über die Staße auf die lange Reihe der Massagesalons zu. Weiter hinten prangte ein grünes Kreuz über blinkenden Neonlampen. Es war mittlerweile dunkel geworden. Vor dem Etablissement hockten fünf Frauen in weißen, engen Röcken auf Plastikstühlen. »Yes Mister. Come here, please. I will be your nurse!«

      Johann steuerte zielsicher auf die Frauen zu.

      »Nee, ne?« Wagner schüttelte den Kopf und blieb stehen.

      »Doch«, beharrte Johann. Nuan lachte hässlich, und die Frauen wurden wieder mutiger, nachdem sie kurz gezögert hatten, weil sie nicht wussten, ob Nuan in seiner Uniform in Amtshandlungen begriffen oder rein privat unterwegs war. Eine der Frauen hatte ihren Daumen in den Mund gesteckt und schob ihn rhythmisch hin und her.

      »Gib mal tausend Baht. Komm. 25 Euro und du tust deinem neuen Freund einen Gefallen und hast bei ihm für eine Weile einen Stein im Brett.«

      Wagner zögerte, stattdessen fingerte Johann eine 1000-Baht-Note aus der Tasche und gab sie der Frau. Er zeigte mit dem Daumen auf Nuan und schob ihn auf die Stufen.

      »Tham arai waan hai nit noi.« Thailändisch konnte der also auch, stellte Wagner fest und fühlte sich schmutzig. Nuan verschwand albern gackernd mit der Fau hinter das dunkel getönte Glas der Eingangstür.

      »So, der ist versorgt«, meinte Johann, während die anderen vier Frauen nun Wagner anbaggerten.

      »Nee, ne?«

      »Up to you.« Johann zuckte mit den Schultern. »Ich warte drüben im Pub auf dich.«

      »Nix da!«, rief Wagner, während eine der Frauen ihn an der Hand die Stufen hinaufzuziehen begann.

      »Oh no, nono!« Wagner machte sich eilig los.

      »Pen khon khii ai noi«, erklärte Johann.


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