Van Halen. Joe Layden

Van Halen - Joe  Layden


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Frontmann haut dich glatt von den Socken!

      Und übrigens: Wir haben sie zu einem Spottpreis bekommen.

      Die letzte Aussage entsprach nur allzu sehr der Wahrheit, wie ich später herausfinden sollte. Aber für den Augenblick war das unwichtig. Was für mich zählte, war das Produkt. Die Van-Halen-Boys waren jung, attraktiv und talentiert. Sie würden Warner eine Menge Kohle einbringen. Der Enthusiasmus rund um sie war regelrecht ansteckend.

      „Carl, das hört sich fantastisch an“, sagte ich. „Ich kann es kaum erwarten, sie kennenzulernen.“

      „Das freut mich zu hören, Noel“, erwiderte er, „weil du dich nächste Woche mit ihnen zum Mittagessen triffst.“

      2

      Außer Rand und Band

      Ich kann nicht fassen, dass sie sich verspäten! Dieser Gedanke ging mir durch den Kopf, als ich mit Carl Scott, Ted Cohen und einem Vertreter der Werbeabteilung von Warner Bros. in einem Restaurant in Burbank auf die Jungs wartete. Van Halen sollten um 1 Uhr mittags aufkreuzen. Nun, ich wusste so gut wie jeder andere auch, dass die meisten Musiker nur über ein sehr vages Zeitgefühl verfügen, weshalb in der Regel gar nicht erwartet wird, dass sie pünktlich erscheinen. Nur in diesem Fall hatte ich gehofft, es würde anders laufen. Hier handelte es sich um eine neue Band – jung, motiviert und an der Schwelle, Stars zu werden. Die Typen hatten gerade erst ihren ersten großen Coup gelandet. Sie waren eine Gruppe, deren erstes Album im nächsten Monat bei einem Major-Label erscheinen würde. Und sie würden auch bald auf Tour gehen, um besagtes Album vorzustellen. Da hätte ich gedacht (oder zumindest gehofft), dass eine Band in so einer Situation pünktlich zu einem Meeting mit ihren Bossen und ihrem neuen Tourmanager auftauchen würde – oder vielleicht sogar ein bisschen zu früh.

      Doch da hatte ich mich geirrt.

      Ich blickte auf meine Armbanduhr. 1 Uhr 10. Immer wieder sah ich nach. Um 1 Uhr 15, dann wieder um 1 Uhr 20.

      Wo zum Geier stecken diese Vögel?

      Dann, endlich, gegen 1 Uhr 35 betraten sie die Bildfläche. Sie sahen nicht nur ein wenig zerzaust aus, worauf ich mich bereits eingestellt hatte, nein, sie wirkten völlig erschöpft und am Ende. Und damit meine ich nicht, dass sie aussahen, als wären sie die ganze Nacht unterwegs gewesen, was ja ihrem Ruf entsprochen hätte. Stattdessen waren sie rot im Gesicht, schwitzten und keuchten, als ob sie an irgendeinem sportlichen Wettkampf teilgenommen – und verloren hätten. David stellte sich selbstverständlich als Wortführer heraus, wie das auch in den nächsten sieben Jahren der Fall sein sollte. Allerdings gab er sich bei diesem Treffen viel zurückhaltender als der Mann, den ich dann noch kennenlernen sollte. Er entschuldigte sich, auch im Namen seiner Freunde. Er erklärte, dass hinter ihrer Verspätung keineswegs Respektlosigkeit stecke.

      „Unser Auto ist auf dem Weg hierher liegengeblieben“, sagte er ziemlich kleinlaut. „Und dann sind wir den Rest des Weges eben gerannt.“

      Hinter ihm standen die Gebrüder Van Halen sowie Michael Anthony und nickten, bevor sie am Tisch Platz nahmen. Ich sah zu Carl und dann zu Ted. Beide zuckten nur mit den Schultern.

      Ach was, zum Geier, so läuft es nun mal im Rock ’n’ Roll, richtig?

      Na ja, im Verlauf des Meetings gelangte ich zum Schluss, dass diese Käuze vermutlich die Wahrheit sagten. Ihre Karre hatte tatsächlich den Geist aufgegeben, woraufhin sie wirklich quer durch die Stadt gespurtet waren. Das gehörte zu den Dingen, die einem zeigten, dass sie über die Art Hingabe verfügten, um in diesem Geschäft einen Eindruck zu hinterlassen: Was immer getan werden muss, wird getan. Sie strahlten keinerlei Arroganz oder Anmaßung aus. Vielmehr wirkten sie richtig schüchtern und bescheiden. Nicht gerade das, was ich mir mittlerweile von Musikern erwartete – und schon gar nicht von einer Band, die in den höchsten Tönen von Carl Scott gelobt worden war. Ich hatte erwartet, diese Typen würden wie Könige ins Restaurant hereinstolzieren, als ob sie glaubten, dass die Rockmusik ihnen zu Füßen läge. Aufgrund dessen, was ich bis dahin gehört hatte (und damit meine ich nicht ihre Musik – ich hatte noch immer keinen einzelnen Song gehört), war ich davon ausgegangen, sie seien ein selbstsicherer Haufen, wenn nicht sogar regelrecht eingebildet.

      Nun, das waren sie nicht.

      Stattdessen waren sie ein Quartett langhaariger Kids in zerschlissenen Jeans und ausgelatschten Stiefeln, kaum dem Teenageralter entwachsen. Wenn ich ihnen zufällig auf der Straße begegnet wäre, hätte ich wohl angenommen, sie wären jünger, vielleicht sogar noch in der Schule. Sie waren scheu und reserviert und wirkten angesichts des Treffens mit den Männern, die in den nächsten Monaten in maßgeblicher Position für den Erfolg ihrer Karriere verantwortlich sein würden, überaus nervös. Sie verspäteten sich zu einem bedeutsamen Meeting, was ihnen offensichtlich unangenehm war. Das fand ich wiederum sympathisch. Offenbar verstanden sie, was auf dem Spiel stand, weshalb sie sich angemessen und respektvoll verhielten. Ganz ehrlich – ich empfand das als ziemlich charmant.

      Carl stellte alle vor, und ich versuchte rasch die Gesichter den Beschreibungen, die ich vorab gehört hatte, zuzuordnen. David war großgewachsen, hatte lange Haare und gab, wenn er den Mund öffnete oder lächelte, den Blick frei auf recht große Zähne, die, so nebenbei gesagt, ein Bleaching vertragen hätten. Er hatte eine Zeitlang das Thema Zahnhygiene eher vernachlässigt – eine Sache, um die wir uns schon recht bald kümmern mussten, die aber relativ einfach zu beheben war. Dies war also der Leadsänger, der Carl so ins Schwärmen gebracht hatte. Er sprach mehr als die anderen, aber nicht so viel, als dass ich Einblick in seinen wahren Charakter oder sein Charisma, das er auf der Bühne entfaltete, hätte erhalten können.

      Edward wirkte engelsgleich. Ständig lächelte er, und seine Augen wirkten stets halb geschlossen, als ob er stoned gewesen wäre. Er war freundlich, höflich und überraschend schüchtern. Ich mochte ihn sofort. War er nun ein ausgezeichneter Gitarrist? Wer hätte das schon sagen können? Ich jedenfalls nicht, nachdem ich ihn ja bisher nur angesehen und nicht spielen gehört hatte.

      Alex und Michael waren die Nebendarsteller, sogar in diesem Ambiente. Alex wirkte hager, hatte langes, gelocktes Haar und einen Vorbiss. Viel gab er nicht von sich preis, ebenso wenig wie Michael, der kleiner war und viel massiver gebaut als die anderen. Sein Oberkörper strotzte nur so vor Kraft, und seine Arme waren muskulös, womit er gerne prahlte. Er gab sich zurückhaltend, aber freundlich.

      Keiner der Jungs verlor viele Worte bei diesem Treffen, aber David und Edward sagten zumindest, was gesagt werden musste, womit sie klarstellten, dass sie die Anführer waren – und zwar nicht nur auf der Bühne oder auf Vinyl, sondern auch, wenn es ums Geschäft ging. Noch etwas: Mir fiel sofort auf, wie naiv und unschuldig – oder vielleicht auch nur eingeschüchtert – sie waren. Aus welchem Grund auch immer stellten sie nur sehr wenige Fragen während dieses Meetings oder der daran anschließenden Zusammenkunft in der Geschäftszentrale von Warner Bros. Man hatte mich zu ihrem Tourmanager auserkoren, weshalb man hätte erwarten können, dass sie neugierig auf die ganze Logistik der anstehenden Tournee wären. Aber dem war nicht so. In erster Linie stellten sie mir Fragen über die Sex Pistols und erkundigten sich, was ich von Johnny Rotten und Sid Vicious hielte.

      Im Unterschied zu so vielen anderen Bands, mit denen ich arbeitete, waren Van Halen immer noch richtig … normal. Sie waren aufgeregt und enthusiastisch, klar, aber ebenso geplättet und eingeschüchtert von der Musikindustrie, wie man sich das von ein paar südkalifornischen Kids erwarten durfte. Das war schon irgendwie erfrischend. Ich erzählte ihnen also die Wahrheit – dass Sid und Johnny auch nicht anders gewesen seien als sie. Jünger zwar und definitiv dreckiger. Mit schlechteren Tischmanieren. Und hoffentlich viel komplizierter, auf Tour zu betreuen, als es Van Halen sein würden. Ich steckte große Hoffnungen in sie. Was soll ich sagen?

      So wie in der Musikbranche üblich, war ihre Unschuld und Naivität auch schon ausgenutzt worden, lange bevor ich die Bildfläche betrat. Als wir uns zum Mittagessen trafen, waren sie bereits an die Maschinerie des Musikbusiness verfüttert und wieder ausgespuckt worden. Eine uralte Geschichte: Man sucht sich eine neue, unerfahrene Band ohne Management, verzweifelt um Erfolg ringend, und bietet ihr an, sie nach oben zu bringen. Dann lässt man ein paar ausgebuffte Hollywood-Entertainment-Anwälte


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