Mein Leben mit den Eagles. Wendy Holden

Mein Leben mit den Eagles - Wendy Holden


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für California Rock, California Sound, William Knoedelseder für Hits und Hintermänner – Tricks und Machenschaften im Musikbusiness und schließlich John Swenson für Headliners. Des Weiteren danke ich Henry Diltz für seine beeindrucken­den Fotografien, die viele Erinnerungen wachgerufen haben; Randy Meisner fürs Mittagessen; Karima Ridgley für ihre Effizienz und schließlich Peternelle van Arsdale, Gretchen Young, Sarah Mandell und allen anderen bei Hyperion für ihre endlose Geduld.

      Wendy Holden

      EINS

      In der Garderobe konnten wir den Lärm hören, den das Publikum machte. Es klang wie ein Gewitter, das sich irgendwo hoch über unseren Köpfen zusam­menbraute. Als wir einer nach dem anderen aus den Eingeweiden des Stadions hervorkrochen, die Lippen nass vom Bier und mit Ringen aus weißem Pulver um die Nasenlöcher, wurde das Grollen lauter und lauter.

      Die Bühne war dunkel, doch wir tasteten uns routiniert zu unseren jewei­ligen Instrumenten vor, während uns der kühle Wind durchs Haar strich. Plötzlich schwoll das Gemurmel an. Die ersten Zuschauerreihen hatten uns als schattenhafte Figuren im Licht der roten Verstärkerglühlampen ausgemacht. Sie entzündeten Kerzen oder Feuerzeuge und hielten sie über ihre Köpfe in der Hoffnung, einen vorzeitigen Blick auf ihre Rockidole zu erhaschen. Andere folgten diesem Beispiel, bis wir ein riesiges, glitzerndes Meer aus Licht vor uns sahen. Die Spannung war so stark, dass wir sie beinahe schmecken konnten.

      Wir standen einige Sekunden lang im Halbdunkel, atmeten tief durch und versuchten, uns darauf zu konzentrieren, wer wir waren und wie wir hierher­gekommen waren. Ich, ein armer Junge aus einer Kleinstadt in Florida, der als Kind durch eine Polioerkrankung beinahe zum Krüppel geworden wäre und dessen Traum es war, wie B. B. King zu spielen, trat an den Bühnenrand vor. Die anderen vier Bandmitglieder in ihren Schlaghosen standen hinter mir. Wir stammten alle aus verschiedenen Ecken des Landes, jeder von uns war die lebende Verkörperung des amerikanischen Traums.

      Da standen wir nun und blickten über die Zehntausende erwartungsvoller Fans, die eine Menge Geld dafür bezahlt hatten, dass sie hier sein konnten; Leute, die jeden Ton und jedes Wort unserer Musik kannten und die meilenweit gefahren waren, nur um uns spielen zu hören. Das Kokain, der Nervenkitzel und das Adrenalin ließen mein Herz heftig gegen den Brustkorb schlagen.

      Plötzlich ging ein Scheinwerfer an, der direkt auf mich hinabstrahlte. Ich stand allein in dem gleißenden Lichtkegel mit einer weißen, doppelhalsigen Gibson-Gitarre in den Händen. Der Rest der Band war eine Silhouette vor einer riesigen Reproduktion des bekannten Plattencovers von Hotel California, ein Bild des von Palmen umstandenen Beverly Hills Hotel in L. A. bei Sonnen­untergang. Meine Finger kribbelten, als ich die ersten, unverkennbaren Akkorde des Titelstücks anstimmte, eines Songs, den ich vor wenigen Monaten mitgeschrieben hatte, während ich im Schneidersitz auf dem Boden meines Strandhauses saß und mein Sohn neben mir spielte.

      Ein Getöse erhob sich. Niemand hatte erwartet, dass dies die erste Num­mer sein würde. Sie dachten, wir würden das Konzert damit beenden. Das Publikum explodierte. Während jener ersten paar Sekunden war nur der Lärm der Menge zu hören – eine ohrenbetäubende Kakofonie aus Geschrei, Jubel, Gegröle, Pfeifen und überschäumendem Applaus. Ich wiegte mich im Schein­werferkegel und saugte die intensive, elektrisch geladene Atmosphäre auf, dann wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und schloss die Augen. Während sich meine Finger automatisch auf dem Griffbrett auf und ab bewegten, gestat­tete ich mir ein kleines Lächeln. Das war es. Alles, wovon ich in den tiefsten Nächten jemals geträumt hatte – der berauschende Klang des Erfolgs.

      ZWEI

      Gainesville, Florida, war vermutlich nicht der ideale Ort, um aufzuwachsen, zumindest nicht das ärmere Viertel, in dem wir lebten. Als ich ein Kind war, war es eine für den tiefen Süden typische, gesichtslose Gemeinde, die einmal Hogtown Creek geheißen hatte und wo die einzige Fluchtmöglichkeit das Träumen war. Darin wurde ich rasch sehr gut.

      Die Hauptattraktion des Orts war seine geografische Lage, mittendrin im Sunshine State, drei Stunden von der Hauptstadt Tallahassee entfernt. Bis zum Daytona Beach im Osten und zum Golf von Mexiko im Westen brauchte man mit dem Auto jeweils neunzig Minuten und etwa zwei Stunden bis nach Orlando, das jedoch rein gar nichts bot, bevor Mister Disney in den Siebzigern beschloss, dorthin zu ziehen. Die Rettung für Gainesville war die Universität von Florida, die im Jahr 1905 aus irgendeinem Grund beschloss, sich hier anzu­siedeln, und Tausende von Leuten in die Stadt brachte. Hogtown Creek war nie wieder dasselbe.

      Das Klima war heiß und sumpfig und die Luft voller Moskitos. Im Win­ter wurde es unangenehm kalt und nass. Es war jedoch eine Gegend, in der die Hausbesitzer ihre Türen nie verschließen mussten. Verbrechen gab es praktisch nicht.

      Gainesville wirkte wie ein rosafarbenes Zeitvakuum, bevölkert von guten, aufrichtigen Menschen, die artige Kinder mit starken moralischen Wertvor­stellungen großzogen und dann und wann zur Erbauung ein wenig in der Bibel blätterten. Die Wildnis ruft mit Gregory Peck und Jane Wyman erinnert mich stets an meine Heimatstadt in all ihrer zuckrigen Apfeltörtchensüße. Es war keine Überraschung, dass Marjorie Kinnan Rawlings, die Autorin von Die Wildnis ruft und anderen Romanen, ganz in der Nähe von Gainesville aufgewachsen war.

      Meine Eltern, Charles „Nolan“ Felder und Doris Brigman, begegneten einander zum ersten Mal bei einem Blind Date im Jahr 1933, als sie beide in ihren Zwanzigern waren. Fünf Jahre lang trafen sie einander regelmäßig – sie „gingen“ buchstäblich miteinander, weil es während der Depression kein Ben­zin für Papas Chevrolet gab. Ihre wöchentliche Routine bestand aus einem Spaziergang in die Innenstadt zu Louie’s Diner, das es heute noch gibt. Dort aßen sie einen Hamburger zu fünfundzwanzig Cent und tranken eine Erd­beermilch, bevor sie zum Lyric Theater aufbrachen, um sich dort einen der neuen „sprechenden“ Filme anzusehen, in denen Stars wie Fred Astaire und Ginger Rogers auftraten.

      Die Familie meiner Mutter war so arm, dass sie sich mit meiner Großmut­ter ein Paar Schuhe teilen musste. Mama borgte sie einmal in der Woche, um sie sonntags zur Bibelstunde zu tragen. Solche Armut ist oft der Grund für eine schwache Gesundheit, und so starb Großmutter Caroline an Herzversagen, als Mama gerade neun Jahre alt war. Dies zwang sie dazu, die Schule vorzeitig zu beenden, weil sie sich nun um ihren Vater, ihren älteren Bruder Buddy und ihre zweijährige Schwester Kate kümmern musste.

      Mein Vater war deutscher Herkunft. Seine Vorfahren waren in Amerika sesshaft geworden, nachdem sie den langen Weg von Nordkarolina bis nach Hogtown Creek zu Pferd zurückgelegt hatten. Sie sahen aus wie aus einem alten Western – bärtig, mit Hüten und Gewehren und Hunden für die Wasch­bärenjagd, die faul zu ihren Füßen lagen. Papa war das älteste von vier Kin­dern, die von ihrer Mutter verlassen wurden, nachdem sie an chronischer Epi­lepsie erkrankt war. Er wurde von seinem gottesfürchtigen Vater großgezogen, der seinen Kindern mit Disziplin und Bibelversen Gehorsam einbläute.

      Nachdem sie ein paar Jahre miteinander ausgegangen waren, beschloss mein Vater am Neujahrstag 1938, Doris zur Frau zu nehmen. Sie waren in Daytona Beach, und zur Feier des Tages kaufte er eine Flasche Schaumwein – ein seltener Moment der Frivolität. Er war achtundzwanzig Jahre alt, sie war fünf Jahre jünger als er. Mit seinen zwei besten Freunden, Chris Spell und Sam Dunn, und ihren Freundinnen fuhren sie um zehn Uhr an jenem Abend nach Trenton und weckten den Friedensrichter. „Wir wollen heiraten“, erklärten sie dem verschlafenen Beamten. Freundlicherweise entsprach er ihrer Bitte. Ihre Hochzeitsnacht verbrachten sie im Central Hotel in Gainesville, bevor jeder wieder nach Hause ging, bis sie ein eigenes Haus gefunden hatten.

      In jenem Herbst begann Papa auf einem Baugrundstück in der Neunzehn­ten Lane Nordwest 217 in Gainesville mit der Arbeit. Es lag direkt neben dem Haus, in dem er aufgewachsen war. Er verwendete seine mageren Ersparnisse dazu, das Holz und die Materialien zu bezahlen, die er benötigte. Das Haus wurde mit einem Holzrahmen auf Betonblöcken errichtet, damit die Luft dar­unter zirkulieren und keine Schlangen und Alligatoren eindringen konnten. Es stand an einer unbefestigten Straße, umgeben von dem für Florida typi­schen Gestrüpp, das auch als Palmwiese bekannt ist. Hinter dem Haus lag ein sumpfiger See, wo Louisianamoos von den Bäumen hing. Großvater Felder half ihm beim Hausbau, ebenso wie Mama und


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