Die Stunde Gottes. Sri Aurobindo

Die Stunde Gottes - Sri Aurobindo


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die Freude eines Traums, die Freude eines Schlummers oder die Freude des Selbstvergessens. Dies aber ist die Freude deines ganzen Wesens. Solltest du nämlich fragen, was ist denn mein Wesen, dann ist dies dein Wesen, das Göttliche, und alles andere ist nur seine zersplitterte und entstellte Erscheinungsform. Falls du die Wahrheit suchst, dies ist die Wahrheit. Halte sie dir vor Augen und bleibe ihr in allen Dingen treu.

      Jemand, der nur durch einen Schleier schaute, aber den Schleier für das Antlitz hielt, hat sehr zutreffend gesagt, dass es dein Ziel sei, du selbst zu werden. Und er sagte ebenso richtig, dass es die Natur des Menschen sei, über sich hinauszuwachsen. Dies ist wahrlich seine Natur, und er selbst zu werden ist in der Tat das göttliche Ziel seiner Selbsttranszendenz.

      Was aber ist nun dieses Selbst, das du zu transzendieren hast, und was das Selbst, das du werden musst? Denn hier darfst du keinen Irrtum begehen. Der Irrtum, dich selbst nicht zu kennen, ist nämlich der Ursprung all deines Kummers und der Grund all deines Strauchelns.

      Was du zu transzendieren hast ist das Selbst, das du zu sein scheinst; es ist der Mensch, wie du ihn kennst, der scheinbare Purusha. Und was ist dieser Mensch? Er ist ein dem Leben und der Materie versklavtes mentales Wesen; und wo er nicht dem Leben und der Materie versklavt ist, ist er der Sklave seines Mentals. Dies aber ist ein ungeheuer schwerer Sklavendienst; denn der Sklave des Mentals zu sein heißt, der Sklave des Falschen, des Begrenzten und des Scheins zu sein. Das Selbst, das du werden musst, ist das Selbst, das du in deinem Innersten bist, hinter dem Schleier des Mentals, des Lebens und der Materie. Es ist das Spirituelle, das Göttliche, der Übermensch, der wahre Purusha. Denn was über dem mentalen Wesen steht, ist der Übermensch. Es hat zum Meister deines Mentals, deines Lebens und deines Körpers zu werden. Es hat König zu sein über die Natur, der du jetzt als Werkzeug dienst, hoch zu stehen über ihr, die dich jetzt mit ihren Füßen tritt. Es hat frei zu sein und kein Sklave, eins und nicht geteilt, unsterblich und nicht vom Tod überschattet, mit Licht und Seligkeit erfüllt und nicht verfinstert und ein Spielball von Kummer und Leid, in Kraft emporgehoben und nicht in Schwäche niedergeworfen. Es hat im Unendlichen zu leben und das Endliche zu besitzen. Es hat in Gott zu leben und mit ihm wesenseins zu sein. Du selbst zu werden heißt, dies zu sein und alles, was es mit sich bringt.

      Sei frei in dir selbst und somit frei in deinem Mental, deinem Leben und deinem Körper. Denn der Geist ist Freiheit.

      Sei eins mit Gott und allen Wesen. Lebe in dir selbst und nicht in deinem kleinen Ego. Denn der Geist ist Einheit.

      Sei du selbst und unsterblich, schenke dem Tod nicht deinen Glauben. Der Tod erwartet nicht dich, sondern nur deinen Körper. Denn der Geist ist Unsterblichkeit.

      Unsterblich sein heißt, unendlich zu sein im Sein, im Bewusstsein und in der Seligkeit. Denn der Geist ist unendlich und alles Endliche existiert nur durch seine Unendlichkeit.

      All dies bist du, und deswegen kannst du zu all dem werden. Wärst du es nicht, so könntest du auch nie dazu werden. Nur was in dir ist, kann in deinem Wesen offenbar werden. Zwar scheinst du anders zu sein, doch warum solltest du dich zum Sklaven des Scheins machen?

      Erhebe dich lieber, gehe über dich hinaus, werde du selbst. Du bist Mensch, und die ganze Natur des Menschen ist es, mehr als er selbst zu werden. Er war das menschliche Tier, er ist mehr als der animalische Mensch geworden. Er ist der Denker, der Gestalter, der Sucher nach dem Schönen. Er wird mehr sein als der Denker, er wird zum Scher des Wissens werden. Er wird mehr sein als der Gestalter, er wird zum Schöpfer und Meister seiner Schöpfung werden. Er wird mehr sein als der Sucher des Schönen, denn er wird sich aller Schönheit und aller Wonnen erfreuen. Von körperlicher Beschaffenheit, sucht er seine unsterbliche Substanz; von vitaler Natur, sucht er das unsterbliche Leben und die unendliche Macht seines Wesens; mental und einseitig in seinem Wissen, sucht er das völlige Licht und die äußerste Schau.

      Dies zu besitzen heißt, der Übermensch zu werden; denn es bedeutet, sich aus dem Bereich des Mentals in das Supramental zu erheben. Nenne es göttliches Mental oder Wissen oder Supramental; in jedem Fall ist es die Macht und das Licht des göttlichen Willens und des göttlichen Bewusstseins. Durch das Supramental sah und erschuf sich der Geist in den Welten. Durch dieses lebt er in ihnen und regiert sie Durch dieses ist er Swarat Samrat, d.h. Selbst-Herrscher und All-Herrscher.

      Das Supramental ist der Übermensch; über das Mental hinauszugelangen ist deshalb die Voraussetzung.

      Übermensch zu sein heißt, ein göttliches Leben zu leben, ein Gott zu sein; denn die Götter sind die Mächte Gottes. Sei eine Macht Gottes in der Menschheit.

      Im göttlichen Wesen zu leben und sich von dem Bewusstsein, der Seligkeit, dem Willen und dem Wissen des Geistes besitzen zu lassen, ihn mit sich und durch sich spielen zu lassen, das ist der Sinn.

      Dies ist deine Verklärung auf dem Berge. Sie besteht darin, Gott in dir zu entdecken und ihn dir in allen Dingen offenbar zu machen. Lebe in seinem Wesen, leuchte mit seinem Licht, handle mit seiner Macht, freue dich mit seiner Seligkeit. Sei jenes Feuer und jene Sonne und jenes Meer. Sei jene Freude und jene Größe und jene Schönheit.

      Wenn du dies auch nur zum Teil vollbracht hast, hast du die ersten Stufen der Übermenschheit erklommen.

      * * *

Teil II

      Kapitel 1

      Gewissheiten

      In der Tiefe ist eine größere Tiefe, in den Höhen eine größere Höhe. Eher wird der Mensch die Grenzen der Unendlichkeit erreichen als die Fülle seines eigenen Wesens. Denn dieses Wesen ist Unendlichkeit, ist Gott.

      Ich strebe nach unendlicher Kraft, nach unendlichem Wissen, nach unendlicher Seligkeit. Kann ich sie erreichen? Ja, aber es ist die Natur der Unendlichkeit, dass sie kein Ende hat. Sage deshalb nicht, ich erreiche sie. Ich werde zu ihr. Nur indem er Gott wird, kann der Mensch Gott erreichen.

      Doch bevor er Ihn erreicht, kann er zu Ihm in Beziehung treten. Beziehungen zu Gott zu knüpfen ist Yoga, ist das höchste Entzücken und der edelste Zweck. Es gibt Beziehungen, die der von uns entwickelten menschlichen Natur zugänglich sind. Sie heißen Gebet, Gottesdienst, Verehrung, Opfer, Denken, Glaube, Wissenschaft, Philosophie. Es gibt andere Beziehungen, die sich den von uns bisher entwickelten Fähigkeiten entziehen, jedoch jener menschlichen Natur zugänglich sein werden, die wir noch zu entwickeln haben. Es handelt sich dabei um jene Beziehungen, die durch die verschiedenen Übungen realisiert werden können, die man im Allgemeinen Yoga nennt.

      Es mag sein, dass wir Ihn nicht als Gott kennen, sondern als Natur, als unser Höheres Selbst, als Unendlichkeit, als ein unbeschreibliches Ziel. Auf diese Weise näherte sich Ihm der Buddha; so nähert sich Ihm auch der strikte Monist. Er ist selbst dem Atheisten zugänglich. Dem Materialisten verhüllt Er sich in der Materie. Den Nihilisten lauert Er im Schoße der Vernichtung auf.

      * * *

      Kapitel 2

      Erste Definitionen und Beschreibungen

      Es gibt im Yoga vier Mächte und Ziele: Reinheit, Freiheit, Seligkeit und Vollkommenheit. Wer diese vier Mächte im Wesen des transzendenten, des allumfassenden, des lila-maya und des individuellen Gottes zur vollen Entfaltung gebracht hat, ist der vollendete und absolute Yogi.

      Alle Manifestationen Gottes sind Manifestationen des absoluten Parabrahman.

      Das absolute Parabrahman ist für uns unerkennbar, nicht weil Es die Nichtigkeit all dessen ist, was wir sind – denn was auch immer wir in Wahrheit oder dem Anschein nach sind, ist nichts als Parabrahman, – sondern weil Es präexistent und supraexistent ist selbst gegenüber den höchsten und reinsten Methoden, selbst gegenüber den wirksamsten und weitreichendsten Instrumenten, derer die verkörperte Seele


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