Standort Deutschland. Volker Meyer-Guckel

Standort Deutschland - Volker Meyer-Guckel


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werden. Das würde dem neuen Ziel der EU-Kommission, der «strategischen Autonomie zur Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit» entgegenkommen.

      Das soll nicht eine Abkehr vom Freihandel werden, sondern den Freihandel soweit wie möglich liberal halten und europäischen Firmen faire Wettbewerbsbedingungen garantieren. Was ist konkret zu tun?

      1. Stärke: Die Innovationskraft muss gestärkt werden, um die europäische Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu gestalten und um unsere Gesellschaft und Arbeitsplätze zu sichern.

      2. Offenheit: Europa sollte seine gesellschaftliche Attraktivität bewahren durch Offenheit, um die besten Rahmenbedingungen zu schaffen für die internationale Kooperation im Bereich Forschung und Entwicklung.

      3. Risikomanagement: Es muss ein besseres und koordiniertes System geschaffen werden, um den neuen Sicherheitsherausforderungen zu begegnen und die Kosten durch unerwünschte Technologie Abflüsse zu senken.

      Es besteht kein Zweifel, dass der wirtschaftliche und technologische Aufstieg Chinas sowie die wachsende Rivalität zwischen China und den USA in den kommenden Jahren die größte Herausforderung für Deutschland und für Europa wird. China hat die Größe und unter der aktuellen Führung das politische Selbstvertrauen, ein unabhängiges, eigenständiges Wirtschaftssystem aufzubauen – ein System mit chinesischen Vorzeichen.

      Lange hielt sich im Westen die Vorstellung, mit zunehmendem Wohlstand werde China dem Beispiel Japans und Koreas folgen, sich zu liberalisieren, zu demokratisieren, seinen Heimatmarkt öffnen und sich in das westlich geprägte, liberale, regelbasierte Weltwirtschaftssystem einfügen. Diese Vorstellung hat sich als Illusion erwiesen. China verfolgt einen eigenen Weg, man mag es kapitalistische Autokratie nennen, sodass durchaus auch von einem Konflikt der Systeme gesprochen werden kann.

      Dennoch: Rivalen müssen nicht gleich zu Feinden werden. Konkurrenz sollte zur Steigerung der eigenen Leistung führen und nicht den Gegner aus der Bahn werfen. Will Europa das Technologie-Rennen gegen China langfristig bestehen wollen, dann muss es seine Gangart beschleunigen. Zu lange war Europa mit den hausgemachten Problemen der Währungsunion und den Wirren rund um den Austritt des Vereinigten Königreichs (Brexit) beschäftigt. Nun muss der Blick nach vorn gerichtet werden. Um gegen China zu bestehen, muss man bessere Ideen und klügere Technologien entwickeln, und nicht versuchen, durch Rückzug in die Isolation seine eigene Wirtschaft zu schützen.

      Aber auch China wird sich anpassen müssen. Die Staatsführung kann nicht davon ausgehen, dass sich die bisherigen chinesischen Handelshemmnisse und die Abschottung des Heimatmarktes immer noch auszahlen werden. Genau zwanzig Jahre sind vergangen seit der Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation, und zu lange wurden ausländische Unternehmen und Handelspartner mit Versprechungen auf künftige Liberalisierungsschritte abgespeist. Unter vielen ausländischen Unternehmen, die Milliarden an Direktinvestitionen ins Land bringen, hat sich angesichts der vielen unerfüllten Versprechen eine «Promise Fatigue» breit gemacht. Die Forderungen auf Reziprozität, gekoppelt mit einer robusteren Handelspolitik aus Europa, kann China rasch einholen. China sollte sich nicht wundern, wenn sein zu forsches Auftreten zu einer weiteren Abkopplung von westlicher Spitzentechnologie führen wird. Es bleibt zu hoffen, dass eine offene, verstärkte Kooperation mit den OECD-Ländern mittelfristig auch für China von Vorteil sein wird.

      Zum Autor

      Jörg Wuttke ist Chefrepräsentant der BASF SE in China. Er ist zudem Präsident der EU-Handelskammer in China – ein Amt, das er bereits von 2007 bis 2010 sowie von 2014 bis 2017 besetzt hatte. Wuttke ist Mitglied des Beratergremiums des Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin. Er lebt seit mehr als drei Jahrzehnten in Peking.

II Nachhaltigkeit

      4 Nachhaltigkeit: Wie ein Leitbild zum Zukunftsimperativ für das Umsteuern bei Klima und Umwelt wird

      Holger Glockner

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      4.1 Kontext

      Im Zeichen der Pandemie sind uns kurzfristige Lösungsstrategien, um die gesundheitlichen Risiken zu minimieren und die gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Einschränkungen aufzuheben, wichtig. Dennoch ist in vielen Teilen der Gesellschaft das Bewusstsein nochmals gestiegen, dass der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen die relevanteste Zukunftsfrage der gegenwärtigen Zeit und auch der kommenden Dekade sein wird. Das Wissen über die Zukunft ist in vielen Bereichen in erstaunlichem Maße vorhanden – insbesondere zu Klima- und Umweltfragen. Klar, die Zukunftsaussagen sind unter bestimmten Annahmen zu lesen. Und die zentrale lautet: Ein Weiter so wird die Menschheit vor nie gekannte Herausforderungen stellen. Diese Frage ist somit für die künftige Gestaltung des Zusammenlebens im globalen Maßstab und vielleicht gar für das Überleben der Spezies Mensch entscheidend und wird Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf Jahrzehnte hin prägen, egal wie auch immer die Antworten ausfallen werden. Die Vorsitzende des Weltbiodiversitätsrates, Anne Larigauderie, bringt es auf den Punkt: »Naturschutz ist kein Luxus, sondern eine Existenzfrage.«

      Im Folgenden stehen daher auch nicht die Erkenntnisse zur Umwelt- und Klimaforschung an sich im Fokus, sondern die Frage, wie die relevanten Systeme von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf diese referenzieren und welche Handlungsansätze es – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – geben kann. Im öffentlichen Diskurs dominieren zumeist die technologischen und ökonomischen Perspektiven, es ist jedoch entscheidend, dass Menschen sich nicht zurückgelassen und übergangen fühlen. Insofern ist eine ergänzende soziokulturelle Perspektive maßgeblich, um Anforderungen und Konsequenzen in der Zukunft zu antizipieren. Schon heute sind die gesellschaftlichen Friktionen spürbar, die eine grundlegende ökologische Transformation hervorrufen kann. Dennoch ist es wichtig, radikal zu denken, um besonnen handeln zu können. Sich eine langfristige Zukunft ohne negative Umwelteinflüsse vorzustellen, bedeutet nicht, dass von heute auf morgen alle Lebensbereiche revolutioniert werden. Vielmehr bietet es die Perspektive, in demokratischen Aushandlungen die konkreten Wege zu diskutieren und die attraktivsten Alternativen zu wählen. Es geht also nicht darum, den moralischen Zeigefinger zu erheben – dies führt allzu oft zu emotionalen Gegenreaktionen – sondern darum, ganz praktisch Angebote zu machen, um eine neue Kultur des Experimentierens und Gelingens zu etablieren. Die Balance zwischen visionärem Denken und entschlossenem Handeln zu finden, darf nicht allein auf einer Verzichtslogik beruhen, sondern muss immer Elemente eines besseren Morgen enthalten.

      4.2 Vom Wissen und Reden zum Handeln

      Die Geburtsstunde der Umwelt-, Ressourcen- und Klimaberichte fällt auf die Veröffentlichung der ersten Club of Rome-Studie »Die Grenzen des Wachstums« aus dem Jahr 1972. 50 Jahre später ist einerseits viel passiert, was die Verbesserung der Umwelt betrifft, aber eben andererseits Vieles und vermutlich ein Vielfaches, das den Zustand der Erde hinsichtlich der natürlichen Lebensgrundlagen als kritisch zu bezeichnen erlaubt. Erich Fromm schrieb 1979 in seinem Werk ›Haben oder Sein‹: »Während im Privatleben nur ein Wahnsinniger bei der Bedrohung seiner gesamten Existenz untätig bleiben würde, unternehmen die für das öffentliche Wohl Verantwortlichen praktisch nichts, und diejenigen, die sich ihnen anvertraut haben, lassen sie gewähren.« Im Kern ist darin die zentrale Position der in der jungen Bewegung »Fridays for Future« Engagierten zum Ausdruck gebracht. Sprich, das Wissen um die anstehende Bedrohung ist seit vielen Jahrzehnten bekannt, aber ein entsprechendes Handeln lässt in vielen Teilen auf sich warten.

      Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) wurde bereits 1988 gegründet, der Gipfel von Rio 1992 über Umwelt und Entwicklung sowie die UN-Klimakonferenz von 1995 stellen zwei weitere Startschüsse in die internationale Auseinandersetzung über Nachhaltigkeit und Klima dar. Insbesondere im Jahr 2015 schienen mit der Verabschiedung der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) als politische Zielsetzung für eine ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit im Jahr 2030 und dem Paris-Abkommen mit verbindlichen Klimazielen zur Begrenzung der Erwärmung auf weniger als 2 Grad Celsius bis 2100 gegenüber der vorindustriellen Zeit, Durchbrüche in Richtung Nachhaltigkeit


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