Standort Deutschland. Volker Meyer-Guckel
mit Schwerpunkt Zukunftsforschung – gibt schließlich eine Übersicht, wie unter der Zielsetzung Nachhaltigkeit Klima- aber eben auch Umweltschutz generell sowohl für einzelne Unternehmen als auch in Summe für den Wirtschaftsstandort Deutschland positiv genutzt werden kann.
Eine weitere Herausforderung wird unter dem Stichwort Digitalisierung kolportiert. Die Bandbreite aller diesbezüglichen Themen ist sehr groß – ebenso wie der entsprechende Bedarf an »digitalen Transformationen« in den verschiedenen Branchen sowie im öffentlichen Bereich. Florian Roth – Chief Information Officer der SAP SE – zeigt in einem ausführlichen Gespräch in Kapitel 4 wo Deutschland »hinterherhinkt«, aber auch wo wir durchaus im internationalen Vergleich führende Positionen haben. Für beide Bereiche erläutert er, wie wir ggf. wieder Anschluss finden bzw. wie wir führend bleiben. Das Thema künstliche Intelligenz (KI) ist ein zentraler Aspekt der Digitalisierungsdebatte. KI schafft in vielerlei Hinsicht hohe Potenziale: Bei den Wirkungen auf Verbesserungen des menschlichen Lebens (im Gesundheitsbereich, bei Freizeit und Konsum), aber eben auch bei der Vernichtung von Arbeitsplätzen oder bei der »Steuerung« von Bürgern und Konsumenten durch Politik bzw. Wirtschaft. In den Beiträgen von Claudia Bünte – Professorin für Marketing und Top-Management Beraterin – und Wolfgang Reuter – ehemaliger stellvertretender Chefredakteur des Focus, ausgewiesener KI-Experte und Strategieberater – werden diese und andere Perspektiven thematisiert. Digitalisierung erstreckt sich nicht nur auf die Überführung analoger Daten und Prozesse auf digitale Plattformen und Applikationen. Es gilt auch, die inhärenten Chancen vor allem durch neue digitale Geschäftsmodelle zu ergreifen. Hier sieht Dirk Ramhorst, CIO/CDO des Wacker-Konzerns, wie er in einem Interview darlegt, noch erhebliche Potenziale bei deutschen Unternehmen, insbesondere im Mittelstand.
Neue digitale Technologien, aber auch gesellschaftliche Veränderungen (z. B. neue Priorisierungen zwischen Arbeit und Privatleben durch jüngere Generationen) verändern die Arbeitswelt. Jutta Rump – Professorin für Personalmanagement und Organisationsentwicklung – gibt in ihrem Beitrag in Kapitel 5 »Die neue Normalität« einen Überblick über diese neue (Arbeits-)Welt. Carlos M. Frischmuth – Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Selbstständige Wissensarbeiter e. V. – fokussiert danach das Thema »Wissensarbeiter« in einer modernen Arbeitswelt. Gerade um den Standort Deutschland zu stärken und Innovationen voranzubringen, sieht er hier Anpassungsbedarf – insbesondere auch bei Vorschriften und gesetzlichen Regelungen. Michael Vassiliadis – Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) – beleuchtet schließlich die Veränderungen, die im Zusammenwirken der Sozialpartner wichtig erscheinen.
Eine konkurrenzfähige Wirtschaft benötigt in dem Land, dessen zentrale Ressource Wissen ist, ein hervorragendes Bildungssystem. In Kapitel 6 haben wir deswegen Autorinnen und Autoren gebeten, zu diesem Problemkreis Stellung zu nehmen. Volker Meyer-Guckel – stellvertretender Generalsekretär und Mitglied der Geschäftsleitung des Stifterverbandes – zeigt zunächst, welche Kompetenzen ein Bildungssystem in Deutschland vermitteln muss. Ulf Daniel Ehlers et. al. zeigen dazu Szenarien für eine revidierte Hochschulentwicklung. Sarah Henkelmann – Sprecherin des Netzwerks Digitale Bildung – erläutert schließlich, wie Bildung in 10 Jahren ausgestaltet sein muss.
Bei der aufgeführten Handlungsfeldern ist schließlich die Politik bzw. die staatliche Verwaltung gefordert. Im Rahmen der Digitalisierung gilt es z. B. die Versorgung mit IT-Infrastruktur voranzutreiben. Veränderungen der Schul- und Hochschullandschaft liegen ebenfalls in den Händen des Staates. Neben allen staatlichen Handlungsfeldern, die in den Kapiteln I bis V schon angesprochen sind, gibt es noch einige andere, die die Stärke des Wirtschaftsstandorts Deutschland tangieren. Im Kapitel 7 haben wir dazu einige Themenfelder aufgegriffen. Zunächst formuliert Reinhold von Eben-Worlée – Präsident des Verbands DIE FAMILIENUNTERNEHMER e. V. und geschäftsführender Gesellschafter bei der E. H. Worlée & Co. – in einem Interview Handlungsfelder des Staates aus Sicht eines mittelständischen Unternehmens. Volker Wissing – Wirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz und stellvertretender Ministerpräsident – zeigt die Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik, aber auch deren Grenzen aus seiner Sicht auf. Wirtschaftsentwicklung findet »vor Ort«, in Gemeinden und Städten statt. Boris Palmer – Oberbürgermeister der Universitätsstadt Tübingen – erläutert in seinem Interview die Leitlinien erfolgreicher kommunaler Wirtschaftsentwicklung. Wolfgang Scherf – Professor für Öffentliche Finanzen an der Universität Gießen – zeigt in seinem Beitrag, wie Staatsverschuldung die Wirtschaftsleistung und den Wohlstand beeinflussen kann; es gilt »gute« und »schlechte« Schulden zu unterscheiden. Für einen funktionierenden Standort unabdingbar ist eine entsprechende bauliche Infrastruktur. Stephan Weber – Mitglied im Bundesvorstand des Verbands Beratender Ingenieure (VBI) und selbst Unternehmer – zeigt in seinem Beitrag sowohl die entsprechenden immensen Defizite des Standorts Deutschland aber die auch Möglichkeiten wie durch veränderte Regulierungen und vorausschauende, umweltschonende Planungen Verbesserungen erzielt werden können. Am Ende des Buches findet sich ein kurzer Epilog der Herausgeber. Zum einen wird nochmal die erfahrungsgeleitete Sicht vieler Beiträge – und damit deren inhärente Vor- und Nachteile – betont. Zum anderen werden zusätzliche Aspekte zu den Themenfeldern aufgegriffen, die die Relevanz mancher vorgetragenen Ansätze untermauern bzw. ergänzen.
Zu den Herausgebern
Prof. Dr. Dieter Thomaschewski ist seit 2006 Professor für Betriebswirtschaftslehre insbesondere Management an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft, Ludwigshafen am Rhein und wissenschaftlicher Leiter des Institutes für Management und Innovation (IMI). Er hält Lehrveranstaltungen an der Donau Universität Krems und an der PHW Bern. Die DUK ernannte ihn 2004 zum Ehrenprofessor. Vor seiner Hochschultätigkeit war er in verschiedenen führenden Funktionen der BASF-Gruppe tätig, u. a. als Leiter BASF Venezolana, Präsident Information Systems USA, Präsident Düngemittel Division und Präsident Regionalbereich Europa.
Prof. Dr. habil. Rainer Völker ist Leiter des Instituts für Management und Innovation (IMI) und lehrt Management an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein sowie an der Universität St. Gallen. Er ist außerdem als Managementberater, Referent und Mitglied von Aufsichts- und Beiräten tätig. Vor seiner Tätigkeit an der Hochschule hatte er verschiedene Führungsfunktionen bei Unternehmen der Industrie und aus Dienstleistungsbranchen inne. Er ist zudem Mitbegründer verschiedener Start-ups. Seine derzeitigen Schwerpunkte in der Forschung liegen in den Bereichen Innovation, Nachhaltigkeit und Entscheidungsfindung.
1 »Staat-Up« für eine neue Gründerzeit
Nadine Schön
1.1 Mit politischen Reformen zu wirtschaftlichem Erfolg
Deutschlands Position in der Weltwirtschaft ist bemerkenswert und eine Erfolgsgeschichte: Wir sind Europas größte Volkswirtschaft, Exportnation, Entwickler modernster Maschinen und Verfahren, Forschungsstandort. Die berühmte »deutsche Gründlichkeit« und Arbeitseifer sind international mittlerweile gängige Narrative über Deutschland. Das kam nicht über Nacht. Die Geschichte der deutschen Volkswirtschaft ist eine Erzählung von großen Herausforderungen und politischen Reaktionen auf diese.
Mehrfach in den letzten gut 200 Jahren fand Deutschland sich wirtschaftlich und politisch am Boden. Mehrfach leiteten kluge Reformen den wirtschaftlichen (Wieder-)Aufstieg ein. Ein Beispiel verdeutlicht das: Nach der Niederlage gegen Napoleon lag Preußen Beginn des 19. Jahrhunderts am Boden – militärisch besiegt, politisch und technologisch unterlegen. Während anderorts, vor allem in Großbritannien, der Strukturwandel von einer Agrargesellschaft hin zu industrieller Produktion Fahrt aufnahm, war davon in Preußen wenig zu spüren. Die Gründe fand man in den Strukturen selbst: zu unproduktiv, unkoordiniert, planlos agierte die Verwaltung, zu unstrukturiert, rückständig war das Bildungssystem. Von dieser Erkenntnis getrieben, schafften Reformer wie Karl Freiherr von Stein und sein Partner im Geiste, Karl August von Hardenberg, einen neuen Staatsapparat. Wilhelm von Humboldt krempelte das Bildungssystem um. Die Reformen waren so kontrovers wie radikal, vor allem aber schafften sie die