I L.I.K.E. my job. Reinhard Lindner

I L.I.K.E. my job - Reinhard Lindner


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unser Kühlschrank und unsere Hausapotheke „selbst“ befüllen, Navigationsgeräte für uns einen Parkplatz suchen, Autos weitgehend selbstfahrend sind und im Cockpit des Flugzeuges vielleicht kein Pilot mehr sitzt. Die Alterspflege wird weitgehend von Robotern übernommen und unsere Kontaktlinsen können den Blutzuckergehalt messen. Da Facebook, Google, Apple und Co. unsere Gewohnheiten bekannt sind, kann künftig jeden Freitag in unserem Lieblingsrestaurant ein Tisch bestellt werden, ohne dass wir aktiv werden, und für unsere Liebsten werden am Valentinstag die Lieblingsblumen nicht nur gekauft, sondern auch gleich geliefert.

      Während unser Denken linear ist, entwickelt sich die Technologie exponentiell weiter. Wir stehen am Anfang dieser exponentiellen Entwicklung. Die Situation ist vergleichbar mit Pilzen:

      Lange sieht man keine, ihre Sporen sind versteckt unter der Erde. Aber wenn es einmal richtig regnet und danach warm und dunstig wird, sprießen sie aus allen Löchern.

      Der Managing-Direktor von Samsung besuchte bei mir vor einiger Zeit ein Führungskräfte-Seminar. Auf die Frage, wo denn die Entwicklung von Samsung hingehe und welche Produkte wir künftig von diesem Brand erwarten dürften, gab er mir zur Antwort: Was er ausschließen könne, sei die Produktion von Fernsehgeräten oder Smartphones. Den Krieg gegen die Chinesen könnten sie nicht gewinnen. Der Fokus in der Forschung und Entwicklung liege eindeutig im Gesundheitsbereich, und zwar in der Erzeugung hochtechnischer medizinscher Produkte, beispielsweise im Bereich der Chiptechnologie: ein eingebauter Chip, der unsere Körperfunktionen und somit unsere Gesundheit überwacht und Informationen mittels Datenträger weiterleitet, sodass die entsprechenden Maßnahmen möglichst schnell eingeleitet werden können. Technisch sei dies bereits möglich, die Hürden aktuell seien das Datenschutzgesetz und die Verträglichkeit dieser Chips.Die bisher erforschten Modelle würden vom Körper bis dato noch nicht zufriedenstellend angenommen. Aber es sei nur eine Frage der Zeit, bis hier ein Durchbruch gelingt. Was es allerdings für die Privatsphäre des Menschen bedeutet, hochsensible Daten über den persönlichen Gesundheitszustand permanent weiterzuleiten, ist ein anderes Kapitel in dieser neuen Realität.

      Wir müssen uns damit abfinden, dass die nachwachsenden Generationen wesentlich kritischer und selbstbewusster sind und viel mehr hinterfragen. Bereits 45 Prozent der Patienten googeln die Medikation, welche ihnen ihr Hausarzt verschrieben hat, ob diese Tabletten auch tatsächlich die richtigen für sie seien. Selbst der „Gott in Weiß“ hat offenbar an uneingeschränkter Vertrauenswürdigkeit verloren. In der Schule werden unter der Bank Aussagen des Lehrers im Internet überprüft in der Hoffnung, dem Herrn oder der Frau Professor einen Fehler nachweisen zu können.

      Veränderungen hat es in der Menschheit und in der Gesellschaft immer gegeben. Was sich aber definitiv geändert hat, sind die Geschwindigkeit und die Komplexität, mit der Veränderungen auf uns zukommen. Wir hatten in der Vergangenheit immer ausreichend Zeit, um uns einer tiefgreifenden Veränderung anzupassen. So hat es beispielsweise seit dem ersten Erscheinen eines Radios 38 Jahre gedauert, bis flächendeckend alle Haushalte mit einem Rundfunkgerät versorgt waren. Beim Fernsehen hatten wir nur mehr 25 Jahre gebraucht, um uns darauf einzustellen, die Abende auf der Coach zu verbringen, und uns von den verschiedenen TV-Sendern unterhalten zu lassen. Bei der Mobiltelefonie vergingen gerade mal fünf Jahre, bis diese Technologie ein fixer Bestandteil in unserem Leben wurde. Die Suchmaschine „Google“ benötigte lediglich drei Monate, um sich weltweit als das Suchportal schlechthin durchzusetzen. Und es bedurfte nicht mehr als zwei Tage, um mittels einer App über den ganzen Globus einen „Pokémon Run“ auszulösen, bei dem mehr als zwei Milliarden Menschen einer virtuellen Figur nachjagten.

      Es ist nicht die Veränderung, die uns Sorgen bereitet. Vielmehr ist es die enorme Geschwindigkeit, mit der Neues in unsere Realität einfällt, begleitet von der Angst, dies nicht bewältigen zu können. Bisher waren Veränderungen linear. Im Zeitalter der Digitalisierung sind sie exponentiell. Vom 18 zum 19 Jahrhundert konnten wir unser Wissen verdoppeln. Für die Verdoppelung unseres Wissens benötigten wir im 20 Jahrhundert nur mehr dreißig Jahre. Aktuell sind wir in der Lage, das gesamte Wissen der Menschheit in nur dreizehn Monaten zu verzweifachen. Fast täglich gibt es neue bahnbrechende medizinische oder technische Errungenschaften, die nachhaltig unser Leben beeinflussen.

      Mitarbeiter, oftmals auch in Schlüsselpositionen, haben über Jahrzehnte sehr vieles richtig gemacht. Das heißt aber nicht, dass jene Wege, die in der Vergangenheit zum Erfolg führten, diesen zwingend auch in Zukunft sichern. Es bedeutet andererseits aber auch nicht, dass Dinge in der Vergangenheit falsch waren. Unter den damaligen Voraussetzungen und Möglichkeiten waren die Entscheidungen vielleicht sogar goldrichtig. Nun ist geistige Flexibilität gefragt, um sich auf die neue Realität einzustellen. Es gilt, sich Fähigkeiten anzueignen und Instrumente zu nutzen, um die Freude am Tun nicht zu verlieren. Die Freude und die Begeisterung an dem, was man vollbringt, sind auch in der neuen Realität die Schlüssel zum Erfolg. Der Leitgedanke von „Colonel“ Harland David Sanders, der Kentucky Fried Chicken (KFC) gegründet und mit 65 Jahren sein erstes Restaurant eröffnet hat, war: „Lass deine Gästen deine Leidenschaft spüren, wenn du ein Hähnchen zubereitest.“ In der Zwischenzeit gibt es weltweit 16.000 KFC-Restaurants. Alles, was man mit spürbarer Freude macht, macht man gut. Kombiniert mit der nötigen Ausdauer führt das zum Erfolg.

      Die ganze Welt spricht von Werten. Unternehmensleitbilder glänzen mit vorbildlichen Wertvorstellungen und Bekenntnissen zu erstrebens- und nachahmenswerten Tugenden. Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Fairness, Transparenz, Respekt, Flexibilität, Exzellenz und nicht zu vergessen Nachhaltigkeit sind nur ein kleiner Auszug aus dem breiten Wertekatalog, mit dem sich Unternehmen schmücken. Am Jahresende hingegen stehen die Betriebsergebnisse im Vordergrund: Was oder wie viel haben wir erreicht, lautet die Frage, aber nicht, wie haben wir es erreicht. Das ist nur allzu verständlich, denn es geht um die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, um den Fortbestand, oftmals ums Überleben. Dies beinhaltet nicht zuletzt die Sicherung der Arbeitsplätze und damit verbunden Tausende von Existenzen von Kollegen und deren Familien. Der Unternehmenszweck ist es, Gewinne zu erwirtschaften (ausgenommen NGOs). Menschlichkeit und hohe ethische Wertvorstellungen haben in der Vergangenheit den Unternehmensgewinn meist gedrückt. Muss auch in Zukunft Aufrichtigkeit und eine werteorientierte, ökologische Unternehmensstrategie auf Kosten des Profits gehen – oder hat dieser Gedanke endlich ausgedient?

      Ich bin fest davon überzeugt, dass das Thema Werte in sämtlichen Unternehmen und damit auch in der Gesellschaft sehr rasch eine neue Dimension an Bedeutung gewinnen wird. Was sind Gründe dafür? Um diese Frage zu beantworten, muss ich weiter ausholen und einen Blick in die Vergangenheit werfen.

      Vor mehr als 200 Jahren wurde die Dampfmaschine erfunden. Muskelkraft wurde zunehmend von Maschinen ersetzt. Für die damaligen Menschen war das ein einschneidendes Ereignis mit tiefgreifenden Folgen. Plötzlich gab es etwas, das schneller und gleichzeitig billiger arbeitete als der Mensch. Noch dazu konnte man eine Maschine, wenn sie kaputt war, ohne Gewissensbisse problemlos austauschen. Damals machten sich die Menschen Sorgen um ihre Daseinsberechtigung. – Wenn eine Maschine effizienter und kostengünstiger arbeiten konnte und darüber hinaus keine besonderen Ansprüche stellte, wozu würde die menschliche Arbeitskraft dann noch in diesem Umfang benötigt? Das machte den Menschen Angst. Diese Angst wurde aber bald aufgelöst von der Erkenntnis, dass Maschinen nicht denken können und der Mensch mit seiner Intelligenz dazu benötigt wird, die Maschinen zu bedienen und sie weiterzuentwickeln.

      Dieses Modell hat knapp 200 Jahre gut funktioniert, und jetzt stehen wir vor der nächsten großen Revolution. Wir sind heute an dem Punkt angelangt, wo Maschinen denken, und zwar in einer Qualität, die atemberaubend ist. Die künstliche Intelligenz macht Fortschritte in einer Geschwindigkeit, die viele Menschen überfordert. In Japan gab es kürzlich ein Ereignis, das für die gesamte asiatische Welt eine neue Ära einläutete. Das Brettspiel „Go“ ist dort sehr populär, es ist vergleichbar mit Schach, nur ist es wesentlich komplexer. Erstmals in der Geschichte war es gelungen, dass ein Computer den amtierenden Go-Weltmeister geschlagen hatte. Als der besiegte Weltmeister dann von einem Reporter interviewt wurde, was er zum Spiel zu sagen habe, erklärte er, dass er nicht nur das Spiel verloren habe: Der Computer habe während des


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