Jenseits des schweigenden Sterns. C. S. Lewis

Jenseits des schweigenden Sterns - C. S. Lewis


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bald mit Weston verrichtete, je nachdem, wer gerade keine Wache im Kontrollraum hatte. Wassertanks, Sauerstoffzylinder, Waffen, Munition und Nahrungsmittel mussten auf dem Boden und an den richtigen Wänden entlang so aufgestapelt und auf die Seite gelegt werden, dass sie aufrecht stehen würden, sobald die neuen Schwereverhältnisse sich auswirkten. Lange bevor sie mit dieser Arbeit fertig waren, machten sich störende Empfindungen bemerkbar. Anfangs glaubte Ransom, die ungewohnte Arbeit selbst mache seine Glieder so schwer. Aber Ruhepausen brachten keine Erleichterung und man erklärte ihm, dass ihre Körper durch die Anziehungskraft des Planeten, in dessen Schwerefeld sie jetzt eingedrungen waren, tatsächlich mit jeder Minute an Gewicht zunähmen und alle vierundzwanzig Stunden ihr Gewicht verdoppelten. Sie machten ähnliche Erfahrungen wie eine schwangere Frau, allerdings beinahe bis zur Unerträglichkeit beschleunigt und gesteigert.

      Gleichzeitig geriet ihr Orientierungssinn – auf den in dem Raumschiff nie sehr großer Verlass gewesen war – ständig durcheinander. Bisher hatte jeder Raum an Bord, von einem anderen aus gesehen, abschüssig gewirkt, sich aber beim Betreten als eben erwiesen. Jetzt sah er nicht nur abschüssig aus, sondern war es auch ein bisschen, ein ganz kleines bisschen. Man ging unwillkürlich schneller, wenn man hineinging. Ein auf den Boden des Tagesraums geworfenes Kissen bewegte sich innerhalb einiger Stunden von selbst zur Wand. Sie litten alle unter Übelkeit, Kopfschmerzen und Herzklopfen. Von Stunde zu Stunde wurde es schlimmer. Bald konnte man nur noch auf allen vieren von einer Kabine in die andere kriechen. Jegliches Orientierungsgefühl löste sich in einem Übelkeit erregenden Über- und Untereinander auf. Teile des Schiffs waren eindeutig unten in dem Sinne, dass ihre Fußböden oben waren und nur eine Fliege darüber hätte laufen können; aber kein Teil erschien Ransom als eindeutig gerade oder an seinem richtigen Platz. Abwechselnd hatte man das Gefühl, sich in schwindelnder Höhe zu befinden oder abzustürzen – Gefühle, die es im Weltraum einfach nicht gab. Das Kochen hatten sie längst aufgegeben. Jeder nahm sich zu essen, so gut es ging, aber das Trinken bereitete große Schwierigkeiten; man wusste nie genau, ob man den Mund unter oder neben den Flaschenhals hielt. Weston wurde mürrischer und schweigsamer denn je. Devine, stets eine Flasche Schnaps in der Hand, warf mit Blasphemien und Obszönitäten um sich und verfluchte Weston, weil er sie hierher gebracht hatte. Ransoms ganzer Körper schmerzte, er leckte sich die trockenen Lippen, strich über seine wundgestoßenen Glieder und betete zu Gott, dass es bald ein Ende haben möge.

      Schließlich war eine Seite der Kugel unverkennbar unten. Die festgeschraubten Betten und Tische hingen nutzlos und lächerlich an Wänden oder Decken. Türen wurden zu Falltüren, die sich nur mit Mühe öffnen ließen. Ihre Körper schienen schwer wie Blei. Es gab nun nichts mehr zu tun, nachdem Devine die Kleider – die Kleider für Malakandra – ausgepackt hatte und an der Rückwand des Salons kauerte und das Thermometer beobachtete. Ransom fiel auf, dass sich unter den Sachen auch dicke wollene Unterwäsche, Westen aus Schaffell, Pelzhandschuhe und Mützen mit Ohrenklappen befanden. Devine antwortete nicht auf seine Fragen; er war vollauf damit beschäftigt, das Thermometer abzulesen und zu Weston in den Kontrollraum hinunterzubrüllen.

      »Langsamer, langsamer!«, schrie er immer wieder. »Langsamer, du verdammter Narr. In ein oder zwei Minuten sind wir in der Atmosphäre.« Dann scharf und zornig: »He! Lass mich mal ran!«

      Weston antwortete nicht. Es war nicht Devines Art, ungefragt Ratschläge zu erteilen. Ransom schloss daraus, dass er vor Angst oder vor Aufregung wie von Sinnen sein musste.

      Plötzlich schienen die Lichter des Universums zu erlöschen. Als ob ein Dämon mit einem schmutzigen Schwamm über das Antlitz des Himmels gefahren wäre, verblasste die strahlende Herrlichkeit, in der sie so lange gelebt hatten, zu einem blassen, trostlosen, erbärmlichen Grau. Von der Stelle aus, wo sie kauerten, war es unmöglich, die Stahlschieber zu öffnen oder die schwere Blende zurückzuschieben. Die schwerelos durch die Himmelsgefilde schwebende Gondel war zu einem dunklen Stahlbehälter geworden, der durch einen Fensterschlitz nur trübe erhellt wurde und aus dem Himmel auf eine fremde Welt niederstürzte. Keines von all seinen Erlebnissen prägte sich so tief in Ransoms Bewusstsein ein wie dieses. Er fragte sich, wie er die Planeten und auch die Erde jemals als schwebende Inseln von Leben und Wirklichkeit inmitten einer tödlichen Leere hatte betrachten können. Denn mit einer Gewissheit, die auch später nie von ihm wich, sah er die Planeten – die Erden, wie er sie in seinen Gedanken nannte – als bloße Löcher oder Lücken im lebendigen Himmel, ausgeschlossene, ausgestoßene Einöden aus schwerer Materie und trüber Luft, entstanden nicht durch einen Zuwachs an Licht, sondern durch die Verringerung der strahlenden Helligkeit um sie herum. Und doch endet jenseits des Sonnensystems die Helligkeit, dachte er. Ist das die wahre Leere, der wahre Tod?

      Es sei denn … er versuchte, den Gedanken zu fassen … es sei denn, auch das sichtbare Licht wäre ein Loch oder eine Lücke, eine bloße Verringerung von etwas anderem. Etwas, das sich zum unwandelbaren Glanz des Himmels verhielt wie der Himmel zu den dunklen, schweren Erden …

      Vieles kommt anders, als man denkt: Im Augenblick seiner Ankunft auf einer unbekannten Welt war Ransom tief versunken in eine philosophische Betrachtung.

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