Die böse Macht. C. S. Lewis

Die böse Macht - C. S. Lewis


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und lachte lauter und immer lauter. Sein Lachen war sehr ansteckend, und auch Mark lachte unwillkürlich – ganz aufrichtig und sogar hilflos, wie ein Kind. »Pragmatometer – Luxustoiletten – angewandter Idealismus!«, keuchte Feverstone. Außerordentliche Erleichterung überkam Mark. Alle möglichen Eigenheiten an Curry und Busby, die er in seiner Ehrfurcht vor dem Progressiven Element zuvor gar nicht oder nur flüchtig wahrgenommen hatte, fielen ihm jetzt ein. Er fragte sich, wie er die komischen Seiten an ihnen nicht hatte sehen können.

      »Es ist wirklich ziemlich verheerend«, sagte Feverstone, als er sich halbwegs erholt hatte, »dass die Leute, auf die man zur Erledigung der Arbeit angewiesen ist, solchen Blödsinn reden, sobald man sie über die Arbeit selbst ausfragt.«

      »Und doch sind sie in gewisser Weise das Hirn von Bracton«, sagte Mark.

      »Großer Gott, nein! Glossop und Bill der Blizzard und selbst der alte Jewel sind zehnmal klüger.«

      »Ich wusste nicht, dass Sie das so sehen.«

      »Ich denke, dass Glossop und seine Freunde im Irrtum sind. Ich halte ihre Vorstellungen von Kultur und Wissen und so weiter für unrealistisch. Sie passen nicht mehr in die Welt, in der wir leben. Es sind reine Hirngespinste. Aber es sind immerhin klare Vorstellungen, und sie versuchen, konsequent danach zu handeln. Sie wissen, was sie wollen. Unsere beiden armen Freunde dagegen kann man zwar überreden, den richtigen Zug zu nehmen und ihn sogar zu lenken, doch sie haben nicht die leiseste Ahnung, wohin der Zug fährt oder warum. Sie werden Blut und Wasser schwitzen, um das N.I.C.E. nach Edgestow zu holen: darum sind sie unentbehrlich. Aber worum es dem Institut geht, worum es bei irgendetwas geht – fragen Sie sie besser nicht danach. Pragmatometrie! Fünfzehn Abteilungsdirektoren!«

      »Nun, vielleicht bin ich genauso.«

      »Ganz und gar nicht. Sie haben den entscheidenden Punkt sofort erkannt. Ich hatte es auch nicht anders von Ihnen erwartet. Ich habe alles gelesen, was Sie seit Ihrer Bewerbung um den Lehrstuhl hier geschrieben haben. Darüber wollte ich mit Ihnen reden.«

      Mark schwieg. Das Schwindel erregende Gefühl, plötzlich von einer Geheimnisebene auf eine andere gewirbelt zu werden, verbunden mit der zunehmenden Wirkung von Currys ausgezeichnetem Portwein, verschlug ihm die Sprache.

      »Ich möchte, dass Sie zum Institut kommen«, sagte Feverstone.

      »Sie meinen – ich soll Bracton verlassen?«

      »Das wäre doch denkbar, oder? Jedenfalls denke ich, dass Sie hier nichts verloren haben. Wenn N. O. in den Ruhestand geht, machen wir Curry zum Rektor und …«

      »Es wurde davon gesprochen, Sie zum Rektor zu wählen.«

      »O Gott!« sagte Feverstone erstaunt. Mark begriff, dass der Vorschlag sich in Feverstones Augen ausnehmen musste wie die Anregung, er solle Rektor einer kleinen Hilfsschule werden, und er war froh, dass er seine Bemerkung in einem nicht allzu ernsten Ton vorgebracht hatte. Dann lachten sie wieder.

      »Sie, Mark, zum Rektor zu machen«, sagte Feverstone, »wäre absolute Verschwendung. Das ist der richtige Job für Curry. Er wird ihn sehr gut machen. Wir brauchen jemanden, der die Tagesgeschäfte und das Drahtziehen als Selbstzweck betrachtet und nicht ernsthaft fragt, wozu das alles gut ist. Wenn er das täte, würde er anfangen, seine eigenen – nun, wahrscheinlich würde er sie ›Gedanken‹ nennen – einzubringen. Wie die Dinge liegen, brauchen wir ihm nur zu sagen, er halte Soundso für einen Mann, den das College braucht, und er wird ihn dafür halten. Er wird dann keine Ruhe geben, bis dieser Soundso einen Lehrstuhl bekommt. Und genau dafür brauchen wir das College: als ein Schleppnetz, ein Rekrutierungsbüro.«

      »Als ein Rekrutierungsbüro für das Institut, meinen Sie?«

      »Ja, in erster Linie. Aber das ist nur ein Teilaspekt.«

      »Ich bin nicht sicher, dass ich Sie verstanden habe.«

      »Bald werden Sie verstehen. Die richtige Seite und all das, Sie wissen schon. Typisch Busby, zu sagen, die Menschheit stehe am Scheideweg. Aber im Moment ist die entscheidende Frage, auf welcher Seite man steht – Obskurantismus oder Ordnung. Es sieht wirklich so aus, als könnten wir als Spezies jetzt endlich für recht lange Zeit eine feste Stellung beziehen und unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Wenn der Wissenschaft wirklich freie Hand gelassen wird, kann sie jetzt die menschliche Rasse beherrschen und umformen, den Menschen zu einem wirklich leistungsfähigen Tier machen. Wenn sie es nicht schafft – nun, dann sind wir erledigt.«

      »Fahren Sie fort.«

      »Es gibt drei Hauptprobleme. Erstens: das interplanetarische Problem.«

      »Was in aller Welt wollen Sie damit sagen?«

      »Nun, das tut nichts zur Sache. Hier können wir gegenwärtig nichts tun. Der einzige Mann, der uns da weiterhelfen konnte, war Weston.«

      »Er kam bei einem Bombenangriff um, nicht wahr?«

      »Er wurde ermordet.«

      »Ermordet?«

      »Ich bin ziemlich sicher, und ich denke, ich weiß sogar, wer der Mörder war.«

      »Großer Gott! Und da kann man nichts machen?«

      »Es gibt keine Beweise. Der Mörder ist ein angesehener Professor in Cambridge, hat schlechte Augen, ein lahmes Bein und einen blonden Bart. Er war schon hier bei uns zu Gast.«

      »Und weshalb wurde Weston ermordet?«

      »Weil er auf unserer Seite stand. Der Mörder ist einer von der feindlichen Seite.«

      »Wollen Sie allen Ernstes behaupten, er habe ihn deshalb ermordet?«

      »Jawohl!«, sagte Feverstone und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Das ist der springende Punkt. Leute wie Curry oder James plappern über den Kampf gegen die Reaktion. Dabei kommt ihnen nie in den Sinn, dass es ein wirklicher Kampf mit wirklichen Verlusten sein könnte. Sie denken, der gewaltsame Widerstand der anderen Seite habe mit der Verfolgung Galileis und alledem aufgehört. Glauben Sie das bloß nicht. Jetzt geht es überhaupt erst richtig los. Die andere Seite weiß, dass wir endlich über tatsächliche Kräfte verfügen; dass die Frage, welchen Weg die Menschheit gehen wird, in den nächsten sechzig Jahren entschieden wird. Sie werden um jeden Zollbreit kämpfen und vor nichts zurückschrecken.«

      »Sie können nicht gewinnen«, sagte Mark.

      »Hoffen wir es«, sagte Lord Feverstone. »Ich glaube es auch nicht. Aber gerade darum ist es von so immenser Bedeutung für jeden von uns, die richtige Seite zu wählen. Wenn Sie versuchen, neutral zu bleiben, werden Sie einfach zu einer Schachfigur.«

      »Oh, ich habe nicht den leisesten Zweifel, auf welcher Seite ich stehe«, sagte Mark. »Zum Teufel – der Fortbestand der Menschheit ist eine verdammt grundsätzliche Verpflichtung.«

      »Nun, ich persönlich teile Busbys Begeisterung nicht«, sagte Feverstone. »Es ist ein bisschen versponnen, sich in seinem Handeln leiten zu lassen von der angeblichen Sorge darum, was in ein paar Millionen Jahren geschehen wird; und Sie dürfen nicht vergessen, dass auch die andere Seite behauptet, das Wohl und den Fortbestand der Menschheit zu verteidigen. Beide Haltungen lassen sich psychologisch erklären. Der praktische Aspekt ist, dass Sie und ich nicht gern anderer Leute Schachfiguren sind und lieber kämpfen – besonders auf der Seite der Gewinner.«

      »Und welches ist der erste praktische Schritt?«

      »Ja, das ist die eigentliche Frage. Das interplanetarische Problem muss, wie gesagt, einstweilen beiseite gelassen werden. Das zweite Problem sind unsere Konkurrenten auf diesem Planeten. Ich meine damit nicht bloß Insekten und Bakterien. Es gibt viel zu viel Leben jeglicher Art, tierisches und pflanzliches. Wir haben noch nicht richtig aufgeräumt. Zuerst konnten wir nicht, und dann hatten wir ästhetische und humanitäre Skrupel. Und wir haben die Frage des Gleichgewichts in der Natur noch immer nicht gelöst. All das muss noch untersucht werden. Das dritte Problem ist der Mensch selbst.«

      »Fahren Sie fort. Dies interessiert mich sehr.«

      »Der Mensch muss sich des Menschen annehmen.


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